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Vorbereitung des Auslandsaufenthaltes

Durch die ausführlichen Informationen in den sehr hilfreichen Vorbereitungsveranstaltungen des International Office der Uni Potsdam gestaltete sich die Bewerbung und Vorbereitung meines Erasmus+-Semesters von der Seite der Uni Potsdam aus reibungslos. Der Kontakt mit meiner Gastuniversität, der Uni Lissabon, war wesentlich chaotischer: E-Mails gingen verloren oder wurden erst nach Wochen beantwortet und meine Frage, ob es im nächsten Semester auch englischsprachige Kurse an der Fakultät für Psychologie geben würde, konnte mir niemand beantworten. Mir wurde lediglich empfohlen, mich auch bei den anderen Fakultäten der Uni nach englischsprachigen Kursen zu erkundigen, was sich ebenfalls sehr schwierig und anstrengend gestaltete. Da all meine Fragen jedoch nach Ankunft in Lissabon vor Ort im persönlichen Gespräch mit der Erasmus+-Koordinatorin meiner Fakultät sofort geklärt werden konnten, würde ich empfehlen, wesentlich entspannter und flexibler an die Vorbereitung des Semesters heranzugehen. Letztlich haben alle Erasmus+-Studierenden, mit denen ich in Kontakt war, ausreichend Kurse in englischer Sprache belegen können (wenn auch meist zu völlig anderen Themen als geplant). Die Erfahrung, dass an der Uni Lissabon häufig Prozesse völlig anders ablaufen als zuvor angekündigt, letztendlich aber dennoch eine gute Lösung gefunden wird, war insgesamt kennzeichnend für mein Erasmus-Semester an der Uni Lissabon. Diese Erfahrung hat mich gelehrt, dass in Portugal alles sehr viel flexibler und spontaner gehandhabt wird als an deutschen Universitäten und eine Portion Gelassenheit sehr hilfreich ist.


Studienfach: Psychologie (M.Sc.)

Aufenthaltsdauer: 01/2022 - 06/2022

Gastuniversität: Universidade de Lisboa

Gastland: Portugal

Studium an der Gastuniversität

Nachdem ich schließlich ausreichend englischsprachige Kurse gefunden hatte, gestaltete sich das Studieren an der Uni Lissabon inhaltlich sehr einfach. Das Studienniveau der Masterkurse an der psychologischen Fakultät empfand ich im Vergleich zu dem Niveau, was ich aus Deutschland gewöhnt war, als sehr niedrig. Um ausreichend englische Kurse zu studieren, hatte ich zusätzlich zu meinen Kursen an der psychologischen Fakultät noch einen Kurs an der geisteswissenschaftlichen Fakultät (Faculdade de Letras) zum Thema Metaphysik gewählt, der hingegen auf sehr hohem Niveau war und für mich ohne akademische philosophische Vorbildung letztlich nicht zu meistern war. Ich würde daher empfehlen, falls der Wunsch besteht, auch Kurse an anderen Fakultäten zu belegen, bei mehreren Kursen zur ersten Sitzung zu erscheinen (entgegen der offiziellen Auskunft ist das von Seite der Dozierenden möglich) und selbst zu entscheiden, welche Kurse auf einem angemessenen Niveau stattfinden. Am gewinnbringendsten war für mich definitiv der Portugiesisch-Sprachkurs der geisteswissenschaftlichen Fakultät, durch den ich nicht nur meine Sprachkenntnisse deutlich verbessern, sondern auch Erasmus+-Studierende anderer Fakultäten kennenlernen konnte. Diesen würde ich daher jeder und jedem bei einem Erasmus-Aufenthalt an der Uni Lissabon unbedingt empfehlen. Die Kommunikation mit den Dozierenden vor Ort war meiner Erfahrung nach im persönlichen Gespräch am unkompliziertesten. Häufig widersprechen die Aussagen im persönlichen Gespräch denen aus vorherigem Mailkontakt, sodass es sich definitiv lohnt, bei Fragen die Dozierenden vor Kursbeginn oder nach Kursende persönlich anzusprechen. Das Studienklima und die Studienorganisation empfand ich als sehr viel inklusiver, jedoch deutlich verschulter als an deutschen Universitäten. Wöchentliche Hausaufgaben und Zwischenprüfungen gehören eher zur Regel und in einigen Kursen flossen Anwesenheit oder mündliche Beteiligung in die Leistungsbeurteilung mit ein. Dies hat den Vorteil, dass es fast unmöglich ist, einen Kurs nicht zu bestehen und die Abschlussprüfung wesentlich weniger umfangreich ausfiel als an deutschen Universitäten. Andererseits war der Arbeitsaufwand während des Semesters höher als ich das aus Deutschland gewöhnt war. Ich würde sagen, das Verhältnis der Vor- und Nachteile dieser Unterschiede in der Studienorganisation kommt auf die persönliche Präferenz an. Während viele Erasmusstudierende, die aus Ländern mit weniger verschulten Studiensystemen kamen, den hohen Arbeitsaufwand während des Semesters beklagten, empfanden die portugiesischen Studierenden, mit denen ich im Gespräch war, die Struktur des portugiesischen Studiensystems als hilfreich. Die psychologische Fakultät der Universität Lissabon verfügt über eine eigene Bibliothek mit ausreichend Arbeitsplätzen und angenehmer, ruhiger Atmosphäre, die ich in der Anfangszeit einige Male nutzte. Es gibt außerdem PC-Pools, die man ohne vorherige Anmeldung nutzen kann (allerdings ist die Technik hier nicht auf dem neuesten Stand). Viele Studierende arbeiteten in der ebenfalls fakultätseigenen Cafeteria, in der auch warme Mahlzeiten angeboten werden.

Kontakt zu einheimischen und internationalen Studierenden

Der Kontakt zu anderen Erasmus+Studierenden gestaltete sich für mich durch zahlreiche Freizeitveranstaltungen der Erasmus-Organisationen Erasmus Life Lisboa und Erasmus Student Network vor und zum Semesterstart sehr unkompliziert. Die psychologische Fakultät führte außerdem in der ersten Semesterwoche einen eigenen Welcome-Day durch, wodurch ein Kennenlernen der anderen Studierenden aus dem Ausland an der ohnehin sehr familiären psychologischen Fakultät sehr angenehm war. Der Kontakt zu ausländischen Studierenden war hingegen, wie ich erwartet hatte, etwas schwieriger. Allerdings muss man sagen, dass die meisten portugiesischen Studierenden sehr offen, hilfsbereit und inklusiv sind und ich deshalb unbedingt empfehlen würde, im Rahmen der universitären Veranstaltungen Kontakte zu einheimischen Studierenden zu knüpfen. Ich habe die Erfahrung gemacht, so die Chance zu erhalten, einen Einblick von einer anderen Perspektive aus auf die portugiesische Kultur, das Bildungssystem und gesellschaftliche Fragen zu erhalten. Das war für meine Erfahrung insgesamt extrem wertvoll.

Sprachkompetenz vor und nach dem Auslandsaufenthalt

Vor meinem Auslandssemester hatte ich ein Semester lang einen Portugiesisch-Sprachkurs an der Uni Potsdam belegt und verfügte daher bei Antritt des Semesters lediglich über A1.1-Niveau. Vor Ort stellte sich heraus, dass es den meisten Erasmus+-Studierenden so ging, weshalb der Sprachkurs, den ich besuchte, in den ersten Semesterwochen wegen Überfüllung noch geteilt wurde. Wie bereits beschrieben, war der Sprachkurs für mich der wertvollste Kurs meines Auslandssemesters und ich hatte viel größere Freude am Lernen der Sprache als noch von Deutschland aus. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die meisten Portugies*innen sehr herzlich sind, wenn man seine Portugiesisch-Kenntnisse im Alltag anwendet (auch wenn man viele Fehler macht). Dadurch konnte ich das in der Theorie Gelernte jeden Tag anwenden und weiter verinnerlichen und erzielte durch das stetige Praktizieren viel schneller Fortschritte als während meines Sprachkurses in Deutschland. Aus diesen Gründen hat sich mein Auslandssemester an der Uni Lissabon für meine Sprachkenntnisse sehr gelohnt.

Wohn- und Lebenssituation

Die Lissaboner Architektur ist in weiten Teilen der Stadt wunderschön und die Stadt ist eine der sichersten Hauptstädte Europas, weshalb es viele Stadtteile gibt, die sich zur Wohnungssuche sehr gut eignen. Die meisten Studierenden wohnten in Intendente (sehr zu empfehlen für die günstige, hippe Bar- und Restaurant-Infrastruktur), Graça, in der Alfama (ziemlich touristisch, daher in den Sommermonaten sehr überfüllt), Baixa, Chiado und Príncipe Real. Da mein Freund zur gleichen Zeit an einer anderen Lissaboner Universität studierte, wohnten wir während des Auslandssemesters zusammen in einer Wohnung. Wir hatten bereits einige Monate vor Beginn des Semesters eine Wohnung über die Plattform Uniplaces.com gefunden, die sich jedoch bei Ankunft als von Schimmel befallen herausstellte. Deshalb zogen wir nach einigen Wochen innerhalb des gleichen Stadtteils in eine kleinere, aber auch etwas günstigere Wohnung um, die wir über die Plattform Spotahome.com fanden. Es stellte sich im Kontakt mit anderen Erasmus+-Studierenden schnell heraus, dass es bei vielen Wohnungen in Lissabon Probleme mit der Bausubstanz gibt (Schimmel, Gaslecks, einsturzgefährdete Häuser), die dennoch vermietet werden. Daher ist es sehr empfehlenswert, sich bei der Wohnungssuche mit anderen Personen in der gleichen Situation zu vernetzen oder am besten Kontakt zu ehemaligen Erasmus+-Studierenden in Lissabon aufzunehmen und auf deren Erfahrungswerte zuzugreifen, um unschöne Überraschungen zu vermeiden. Der Stadtteil Príncipe Real, in dem ich wohnte, liegt nur fünf Gehminuten entfernt vom Ausgehviertel Bairro Alto, ist jedoch eine Ruheoase mit Parks, kleinen Cafés und Restaurants, botanischem Garten und Museen. Dadurch ist es dort trotz der sehr guten und zentralen Lage nachts sehr ruhig. Die Anbindung an alle Bezirke der Stadt ist sehr gut (gutes Metro-, Tram-, und Busnetz) und ich fühlte mich mit der Wohnsituation dadurch sehr wohl. Da es in Lissabon keine Mietpreisbremse gibt und die Stadt in den letzten Jahren sehr beliebt als Destination für aus dem Ausland arbeitende Expats geworden ist, sind die Mieten in den zentraleren Stadtteilen meist sehr hoch; viele Erasmusstudierende, mit denen ich in Kontakt war, zahlten mehr Miete als für ihre deutschen WG-Zimmer. Gerade in den Stadtteilen Graça und Intendente (und natürlich auch in noch weniger zentral gelegenen Stadtteilen) ist es aber durchaus noch möglich, relativ günstige Zimmer zu finden. Die Lebenshaltungskosten sind in Portugal eigentlich günstiger als in Deutschland, in Lissabon unterscheiden sie sich aber nur gering. Ich hatte für mein Auslandssemester zusätzlich zur EHIC (European Health Insurance Card) eine Auslandskrankenversicherung bei der HanseMerkur für Erasmusstudierende abgeschlossen, da ich von einer solchen zusätzlichen Versicherung bei einem Auslandsaufenthalt während meines Bachelorstudiums sehr profitiert hatte und würde das auch jeder und jedem raten, um unbesorgt reisen zu können (gerade beim Surfen ist das Verletzungsrisiko nicht gering). In Lissabon gibt es unzählige Freizeitangebote. Da ich die Stadt unter anderem wegen der sehr guten Surfbedingungen für mein Erasmus+-Semester gewählt hatte, verbrachte ich viele Tage am Strand. Einige meiner Freund*innen entdeckten auch das Klettern für sich (in Portugal gibt es viele Kletterfelsen), meldeten sich in Fitnessstudios an oder verbrachten viel Zeit auf dem unieigenen Padelplatz. Auch musikalisch hat die Stadt viel zu bieten: Viele international bekannte Musiker*innen und DJ’s machen einen Stopp in Lissabon, wodurch es sich sehr lohnt, die bekannten Veranstaltungsorte im Blick zu haben. Auch wenn es in Lissabon nicht viele staatliche renommierte Kunstmuseen gibt, kommen Kunstbegeisterte doch auf ihre Kosten: Ich war absolut begeistert von der Sammlung des Gulbenkian-Museums – jeden Sonntag ab 14 Uhr ist der Eintritt hier frei. Da Portugal für seine Keramik (besonders die Azulejos, die traditionellen Fliesen, die viele Häuser schmücken) berühmt ist, finden sich in den kleinen Straßen Lissabons unzählige Keramikateliers. Bei vielen dieser Ateliers werden Töpfer- oder Malworkshops angeboten, die sich ebenfalls sehr lohnen sollen. Außerdem lohnt es sich sehr, das Auslandssemester mit Reisen durch Portugal zu verbinden: Die Westküste südlich von Lissabon mit ihrer rauen Natur und den besonders in der Nebensaison unberührten Stränden ist wunderschön, die Algarve ist natürlich schon längst kein Geheimtipp mehr und auch die Region Alentejo im Landesinneren und die Küste nördlich von Lissabon sind definitiv mehr als nur einen Besuch wert. Da ich mit dem Auto und einem Dachzelt angereist war, verbrachte ich die Osterferien und einige Wochen nach Semesterende auf Reisen durch Portugal und kann das nur empfehlen.

Studienfach: Psychologie (M.Sc.)

Aufenthaltsdauer: 01/2022 - 06/2022

Gastuniversität: Universidade de Lisboa

Gastland: Portugal


Rückblick

Meine Zeit in Lissabon war insgesamt wirklich wunderschön und hat mich in vielerlei Hinsicht inspiriert. Ein Erasmus+-Semester ist eine wunderbare Gelegenheit, um in eine Stadt und deren Geschichte und Lebensgefühl einzutauchen, neue Sprachkenntnisse zu erwerben, Kontakte zu Menschen aus ganz Europa zu knüpfen und Vorurteile abzubauen. All diese Erfahrungen habe ich während meines Auslandssemesters sehr geschätzt. Für mich als Studentin am Ende meines Masters war das Erasmus+-Semester aber vor allem eine wertvolle Gelegenheit, um aus einiger Distanz über die letzten Jahre zu reflektieren und mir darüber bewusst zu werden, welchen Weg ich nach dem Studium einschlagen möchte. Ich kann ein Erasmus-Semester daher als Gelegenheit für eine „Auszeit“ am Ende des Studiums oder zwischen zwei Studienabschnitten nur empfehlen!

Portugal

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