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Vorbereitung des Auslandsaufenthaltes

Nach der Bewerbung am HPI und mit der Zusage auf einen Platz bei Erasmus folgte die Erstellung des Learning Agreements (LA) sowie die Beurlaubung von der Universität Potsdam. Für beide Prozesse gab es sehr gute Informationsveranstaltungen. Die Bewerbung an der Gastuniversität war unkompliziert, es mussten nur Daten in ein Online-Formular eingetragen werden. Anschließend musste ich einige Kurse noch ändern, da Erasmusstudierende an der Universidade de Coimbra (UC) nur Masterkurse wählen dürfen.
Ich würde empfehlen frühzeitig die notwendigen Emails zu schreiben (Studiengangskoordinator*in, Studierendenwerk etc.), um die Unterschriften für die Dokumente fristgerecht zu erhalten. Insbesondere die Rückmeldung der Studiengangskoorinator*in hat bei mir sehr lange gedauert und erst ein persönliches Gespräch konnte die Frage klären, welche Kurse ich mir für meinen Studiengang anrechnen lassen kann. Mit meiner zuständigen Koordinator*in in Portugal hatte ich sehr Glück, Mails wurden innerhalb weniger Tage beantwortet. Das ist auf jeden Fall nicht der Standard!


Studienfach: M.Sc. Cybersecurity

Aufenthaltsdauer: 09/2023 – 01/2024

Gastuniversität: Universidade de Coimbra

Gastland: Portugal

Studium an der Gastuniversität


Die UC kann sehr kompliziert sein, wenn es um organisatorische Prozesse geht, und es liegt am Institut bzw. der Ansprechperson, wie schnell das Ziel erreicht wird. Das wichtigste Dokument ist das LA, kümmere dich so früh wie möglich um Änderungen! Diese können nur einen Monat nach Beginn des Semesters eingereicht werden und die konkrete Frist wurde leider sehr schlecht kommuniziert. Auch habe ich hier sehr lange auf Rückmeldungen gewartet, daher scheibt frühzeitig die Mails. Nach meiner Erfahrung funktioniert alles persönlich am besten, daher kann es nicht schaden bei der Sprechstunde der eigenen Koordinator*in vorbeizuschauen.
Ich habe an zwei Instituten der UC Kurse belegt: Sprachkurse an der Faculdade de Letras (Polo 1) und Informatikkurse am Departamento de Engenharia Informática (Polo 2). Beide organisieren sich über Infoestudante und UC Student (eine Plattform für die Dokumentation der Anwesenheit sowie für Studiermaterialien). Der Schwierigkeitsgrad der Informatikkurse ist stark abhängig von der Dozent*in, bei mir war alles dabei: nur eine Klausur am Ende, anspruchsvolle Projektarbeit mit guter Betreuung sowie anspruchsvolle Projektarbeit ohne Unterstützung. Die Studierenden sind meiner Erfahrung nach alle sehr nett und bemüht sich gegenseitig zu unterstützen. Insbesondere Erasmus-Studierende finden sich schnell, es lohnt sich jedoch auch Kontakt zu Einheimischen zu knüpfen, unter anderem da diese guten Informationen über den Kurs bzw. die Dozent*in haben (z.B. ein Skript der VL aus dem Vorjahr).

Kontakt zu einheimischen und internationalen Studierenden

Coimbra ist eine Studierendenstadt mit sehr vielen Traditionen. Viele einheimische Studierende führen die Tradition der Praxe fort, was sehr vereinfacht gesagt eine Art Einführungsritual für Erstis ist und sich in Praxe-Familien organisiert. Auch wenn diese Personen mit ihren Uniformen so aussehen als ob sie Harry Potter spielen, so wirken die abwertenden und teilweise gewaltvollen Rituale ehr befremdend.
Aus der gleichen Tradition sind Repúblicas, selbstverwaltete Studihäuser, entstanden. Viele von den 24 verbliebenden Häusern sind inzwischen Anti-Praxe und links orientiert. Alle sind auf Instagram präsent und teilen dort deren Veranstaltungen. Insbesondere im ersten Monat des Wintersemesters gibt es viele interessante Veranstaltungen (IG @cria.ctividade), die ein Gegenangebot zu den Praxe-Veranstaltungen stellen.
Im Allgemeinen habe ich das Gefühl, dass in Coimbra viele soziale Bubbles existieren. Neben der Praxe-Bubble und República-Bubble gibt es selbstverständlich auch eine Erasmus-Bubble mit WG-Partys und Veranstaltungen, die vom ESN organisiert werden.

Sprachkompetenz vor und nach dem Auslandsaufenthalt

Dank meiner Sprachvorkenntnisse konnte ich vor Ort gut auf Portugiesisch mit den Menschen kommunizieren. Es ist nicht der Standard, dass Portugies*innen Englisch sprechen, jedoch können sich die meisten Studierenden gut auf Englisch verständigen. Daher lässt es sich nach meiner Erfahrung auch ohne Portugiesisch Vorkenntnisse gut an der UC studieren. Alle Masterkurse müssen in Englisch stattfinden, sobald eine internationale Student*in an diesem Kurs teilnimmt. Meiner Erfahrung nach wurde das im Informatik Institut auch sehr konsequent durchgesetzt. Dennoch kann ich es sehr empfehlen, an den Intensiv-Sprachkursen im Sommer teilzunehmen. Drei Wochen vor dem Wintersemesterbeginn gibt es A1 bis B2 Kurse, die bei mir alte Sprachkenntnisse aufgefrischt haben. Mit diesem Sprachkurs auf dem LA können 5 ECTS angerechnet und der Förderzeitraum verlängert werden. Zusätzlich können die Kosten (~ 320€) mit einem Antrag auf Sprachförderung an der Uni Potsdam erstattet werden.

Wohn- und Lebenssituation

Unterkunft
Leider ist der Druck auf den Wohnungsmarkt inzwischen auch in Coimbra angekommen. In alten Erfahrungsberichten habe ich gelesen, dass Miete bis zu 300€ okay ist. Soweit ich das mitbekommen habe, muss inzwischen (womöglich) mit mehr gerechnet werden. Ich habe keine Erfahrungen mit dem Wohnungsmarkt, da ich mich bei feministischen Repúblicas vorgestellt und dort ein Zuhause gefunden habe.
In der Nähe zur Praça da República zu wohnen ist empfehlenswert, dort gibt es viele Bars und Restaurants und eine gute Anbindung an restliche Stadtteile mit Bus besteht auch. Polo 1 ist von der Praça zu Fuß erreichbar. Die UC hat jedoch noch mehrere Campi und es könnte angenehmer sein näher an dem eigenen Campus zu wohnen (siehe öffentliche Verkehrsmittel).

Lebenshaltungskosten
Im Allgemeinen ist es günstiger in Portugal zu leben, jedoch ist nicht alles unbedingt preiswerter als in Deutschland, z.B. Supermärkte haben sehr ähnliche Lebensmittelpreise. Jedoch sind insbesondere Dienstleistungen günstiger, wie die Gastronomie oder Mobilität. Am Ende hängt es wahrscheinlich vor allem an der Unterkunft und dem Reisebedürfnis, ob die Erasmus-Gelder als Finanzierung reichen.

Winter
Das Klima in Portugal ist definitiv deutlich wärmer und lädt zu dem Gedanken ein, dass es in Coimbra nicht kalt wird. Das ist leider nicht wahr. Nach meiner Erfahrung ist es insbesondere abends oder bei Regen in den Wohnungen sehr kalt, nimm dir genug warme und bequeme Kleidung mit! Es gibt i.d.R. keine Heizungen und keine Isolierung, deshalb zieht die Kälte und die Feuchtigkeit ein. Ich bin froh, dass ich warme Socken und eine Wärmflasche mitgenommen habe. Für Unterwegs hat sich der Zwiebellook bewährt, mit der Sonne tagsüber wird es auch im Winter teilweise 20 Grad.

Öffentliche Verkehrsmittel
Portugal hat ein gutes Netz an öffentlichen Verkehrsmitteln. Züge fahren von Coimbra nach Porto, Lissabon und an den Strand nach Figueira da Foz. Mit den lokalen Reisebussen (RedeExpresso) können auch kleinere Orte erreicht werden. Nach meiner Erfahrung ist auf diese Verkehrsmittel Verlass.
Anders sieht es mit dem lokalen Busnetz in Coimbra aus. Mit der App Moovit lassen sich die theoretischen Abfahrtszeiten nachschauen, jedoch kommen Busse gefühlt wann sie wollen. Insbesondere bei Regen habe ich häufiger über eine Stunde auf den Bus zum Polo 2 gewartet und dann aufgegeben. Zum Glück ist das meiste rund um die Altstadt und der Praça in Laufnähe, auch wenn die Steigung einen gut ins Schwitzen bringen kann.
Bolt und Uber sollten als Transportmöglichkeit auch noch erwähnt werden. Diese Unternehmen sind günstiger als klassische Taxis und bei mehreren Personen kann sich die Fahrt schon lohnen.

Freizeitangebote
Der Klassiker für Erasmus Studierende ist das Erasmus Student Network (ESN). Deren Veranstaltungen finden sich im sozialen Netzwerk deiner Wahl. Auch andere Gruppen nutzen Social Media, um sich zu organisieren. Falls du ein spezifisches Interesse habt, lohnt sich bestimmt eine kleine Recherche. Ich habe mich insbesondere auf Veranstaltungen von Repúblicas aufgehalten, diese finden sich auf Instagram und sind meist offen für alle.

Studienfach: M.Sc. Cybersecurity

Aufenthaltsdauer: 09/2023 – 01/2024

Gastuniversität: Universidade de Coimbra

Gastland: Portugal

Rückblick

Coimbra ist als Studierendenstadt mit der Größe von Potsdam vergleichbar und ich kann einen Aufenthalt im Rahmen von Erasmus dort empfehlen. Mach dich darauf gefasst, dass womöglich nicht alles so läuft wie geplant, ein bisschen Chaos gehört hier zum Alltag. Ich bin sehr dankbar, dass ich die Möglichkeit hatte, ein Semester in Coimbra zu studieren und würde mich wieder dafür entscheiden. Vielen Dank an alle Personen, die meinen Erasmus-Aufenthalt ermöglicht haben.

Sonstige Hinweise
Ich möchte darauf hinweisen, dass wir als Deutsche viele Privilegien in Portugal haben. Portugal ist das dritt ärmste Land in Europa ist und der Mindestlohn liegt aktuell bei 3,70€. Überleg dir gut wie du die europäische Förderung ausgibst und sei nicht geizig beim Trinkgeld geben.
Darüber hinaus hat Portugal als ehemalige Kolonialmacht eine gewaltvolle Geschichte, die bis in die Gegenwart wirkt. Viele Menschen aus ehemaligen kolonisierten Gebieten leben in Portugal und erleben hier unter anderem Ausländerfeindlichkeit und Rassismus. Bitte reflektiere deine Privilegien. Das recht kurze Buch „exit racism“ von Tupoka Ogette ist meiner Meinung nach für weiße Menschen eine Pflichtlektüre (auch verfügbar als kostenloses Hörbuch auf Spotify).

 


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