Studium an der Gastuniversität
Die Universität Birmingham (UoB) hat einen wunderschönen Campus und ein breites Kursangebot. Allerdings belegt man an der UoB nur drei Kurse pro Semester – entsprechend kann man sich auch maximal drei Kurse anrechnen lassen. Zwei dieser Kurse muss man an seiner Fakultät belegen und den dritten darf man sich frei aussuchen. Das College of Social Sciences umfasst Politikwissenschaften, Wirtschaftswissenschaften, Soziolgie, Kriminologie und noch einiges anderes. Die Kursoptionen waren daher vielfältig. Allerdings wurde meine Kurswahl nie vom dortigen International Office an die Fakultät übermittelt, weshalb ich erst in der dritten Vorlesungswoche zu allen Modulen angemeldet war.
Insgesamt war meine Erfahrung mit der Universitätsverwaltung vor Ort eher schlecht. Diese negativen Erfahrungen wurden von allen einheimischen und ausländischen Studierenden, mit denen ich mich dort unterhalten habe, geteilt. Emails werden nicht beantwortet oder erst nach sehr langer Zeit, wichtige Dokumente verloren oder nicht ausgestellt und alle Prozesse dauern ewig. Es ist kaum möglich, Angelegenheiten über Email zu regeln. Entsprechend wurde mein Learning Agreement Before Mobility auch erst unterschrieben, als ich vor Ort in das Büro der zuständigen Person gegangen bin. Meine Empfehlung lautet also, dass wenn ihr etwas braucht, solltet ihr anrufen oder am besten persönlich hingehen. Davon abgesehen sind alle Mitarbeiter:innen sehr freundlich und bemühen sich, bei Anliegen behilflich zu sein (nur eben nicht über Email). Was die Lehrveranstaltungen und Lehrqualität angeht, hat mir die UoB sehr gut gefallen. Die Kurse sind auf Interaktion und Diskussion angelegt, die Dozent:innen bestehen darauf, mit Vornamen angesprochen zu werden und bemühen sich um ein entspanntes Klima. Man hat pro Modul ca. 3 Stunden Lehrveranstaltung pro Woche und der Rest ist selbstständige Lernzeit. Dadurch verbringen die Studierenden den Großteil ihrer Zeit in Bibliotheken und „Study Spaces“, von denen es an der UoB eine Vielzahl gibt: Von einer sehr modernen und technisch sehr gut ausgestatteten Bibliothek, die erst vor ein paar Jahren eröffnet wurde, zu Couches, Sesseln und Sitzkissen in allen Uni-Gebäuden. Die Hauptbibliothek ist während des Semesters auch 24 Stunden an allen Wochentagen geöffnet. Die Leistungserhebung findet über Essays oder Projektarbeiten statt. Auswendiglernen kommt eine wesentlich geringere Rolle zu als im Studium in Deutschland. Zusammenfassend kann ich nur das wiederholen, was mir alle einheimischen Studierenden immer wieder über die UoB gesagt haben: Großartige Uni auf fachlicher Ebene, allerdings mit einer furchtbar langsamen Verwaltung.
Kontakte zu einheimischen und internationalen Studierenden
In den Kursen hat man viel Kontakt zu „einheimischen“ Studierenden. Mit „einheimischen“ Studierenden meine ich aber nicht notwendigerweise gebürtige Brit:innen, sondern Studierende, die ihr gesamtes Studium an der UoB absolvieren. Denn die Studierendenschaft ist sehr international. In meinen Kursen waren ca. 1/3 der Studierenden aus Großbritannien und der Rest aus der ganzen Welt, vor allem China, Hongkong, Frankreich, Italien und Spanien. Da meine Mitbewohner:innen auch alle international waren, habe ich von der britischen Kultur nicht so viel mitbekommen. In der Unterkunft der Universität selbst werden auch internationale Studierende mit anderen internationalen Studierenden untergebracht.
Sprachkompetenz vor und nach dem Auslandsaufenthalt
Das Auslandssemester hat meine Sprachkompetenz sehr gestärkt. Mein offizielles Sprachniveau hat sich zwar nicht geändert, aber vor allem mein schriftliches Englisch ist durch das Schreiben der vielen Essays wesentlich besser geworden und besonders mein akademischer Wortschatz hat sich erweitert. Durch den vielen Kontakt mit internationalen Studierenden habe ich außerdem mein Spanisch etwas verbessern können und erste Ansätze von Italienisch und Französisch gelernt. Ich würde jedem empfehlen, so wenig wie möglich deutsch im Ausland zu sprechen (auch wenn vielleicht andere Deutsche um euch sind).
Wohn- und Lebenssituation
Ich habe mich sowohl für eine Uni-Unterkunft beworben, als auch privat nach einer Unterkunft gesucht. Ich habe mich, trotz eines Angebots für einen Platz in einer Uni-Unterkunft, für die private Unterkunft entschieden. Das „Wesley International House“ ist ca. 10 Minuten vom Uni-Campus entfernt. Dort leben ca. 50 Menschen aus aller Welt zusammen. Ich war eine der jüngsten Bewohner:innen und die älteste war um die 60. Während ich dort war, hatte ich Mitbewohner:innen aus ca. 30 verschiedenen Nationen. Da wir uns alle eine Küche und Gemeinschaftsräume geteilt haben, habe ich vieles – vor allem Kulinarisches – aufgeschnappt. Ich kann jedem, der nach Birmingham geht, diese Unterkunft nur empfehlen, da sie definitiv das war, was mein Auslandssemester am meisten geprägt hat. Die Mietpreise in Birmingham (und England insgesamt) sind wesentlich höher als in Deutschland. Die billigste Uni-Unterkunft fängt bei ca. 500€ pro Monat an, der Durchschnitt liegt aber vermutlich bei 700-800€ pro Monat. Auch Lebensmittel sind etwas teurer als in Deutschland. Vor allem aber das Essen auf dem Campus ist sehr hochpreisig. Es gibt nicht so etwas wie eine Mensa oder subventioniertes Essen. Entsprechend muss man für ein Mittagessen ca. 5-6 Pfund (ca. 6-7,50€) einplanen. Ich würde entsprechend empfehlen, selbst zu kochen. Besonders in Birmingham gibt es großartiges indisches und pakistanisches Essen, für das die Stadt auch berühmt ist. Restaurants wie Mowgli am Hauptbahnhof oder Royal Watan in der Nähe der Uni kann ich sehr empfehlen. Was öffentliche Verkehrsmittel angeht, ist die Situation in Birmingham (und eigentlich in allen englischen Städten, die ich besucht habe) sehr unzuverlässig. Es gibt Fahrpläne, aber diese scheinen eher Empfehlungen zu sein. Entsprechend sollte man nicht auf Busse zurückgreifen, wenn man in Eile ist, sondern nur, wenn man auch Notfalls 30 Minuten warten kann. Als Alternative nutzen viele Studierenden Uber, was allerdings auch sehr kostspielig auf Dauer ist. An der Universität gibt es eine große Reihe an „Societies“, vor allem eine Vielzahl an Sportclubs und ein riesiges GYM mit Schwimmhalle. Ich würde auf jeden Fall empfehlen, sich mindestens einer Society anzuschließen und so viele wie möglich auszuprobieren. Darüber hinaus ist die Pub-Kultur definitiv groß in Birmingham. Studierende gehen üblicherweise ins „The Goose“ oder „The Bristol Pear“, im letzteren findet auch immer montags ein Pub Quiz statt, das von vielen Studierenden besucht wird.
Studienfach: Politik und Wirtschaft
Aufenthaltsdauer: 09/2021 - 12/2021
Gastuniversität: University of Birmingham
Gastland: Großbritannien
Rückblick
Eine Sache, die ich jedem empfehlen würde, der Birmingham besucht, ist zu Reisen. Dadurch, dass man nur 9 Kontakstunden pro Woche hat, ist man zeitlich sehr flexibel. Außerdem gibt es in der Hälfte des Semesters eine sogenannte „Reading Week“ am College für Social Sciences. In dieser Woche gibt es keine Lehrveranstaltungen. Entsprechend wird diese Zeit von vielen Studierenden zum Verreisen genutzt. Während lokale Busse recht unzuverlässig sind, ist das Fernbus- und Zugnetz sehr zuverlässig und komfortabel. Wir sind vor allem viel mit den „National Express“ Fernbussen vereist, da diese auch sehr kostengünstig sind. Wir waren in Coventry (Tagesausflug), Manchester (Tagesausflug), Oxford (Tagesausflug), London (Wochendende) und Edinburgh (verlängertes Wochende, mit Nachtbus), Kommiliton:innen von mir waren außerdem in Cardiff (Wochendende), Liverpool (Tagesausflug), Cambridge (Tagesausflug), Bath (Tagesausflug) und Nordfrankreich (Reading Week). Als Unterkünfte kann ich Hostels empfehlen und zum Sightseeing vor allem Museen, da diese in Großbritannien in der Regel kostenlos sind. So kann man sehr kostengünstig viele Städte bereisen und durch die zentrale Lage ist Birmingham auch sehr gut angebunden.