Vorbereitung des Auslandsaufenthaltes
Im Grunde gibt es nicht viel, was man falsch machen kann, solange man die Erasmus+ Informationsveranstaltungen besucht, die Erasmus+ Internetseite der Universität Potsdam in Ruhe durchgeht und mithilfe der Schritt für Schritt Beschreibung den Prozess durchläuft. Sobald ich meine Zusage für die University of Eastern Finland (UEF) von meinem Erasmus+ Koordinator Herrn Mussil (Institut für Anglistik und Amerikanistik) erhalten habe, reichte ich die abzugebenden Unterlagen (Learning Agreement) ein und wurde auch schon kurze Zeit später von der UEF per Mail kontaktiert. Die Informationen und Angaben der Universität sind sehr detailliert, so dass der Prozess klar und verständlich gestaltet ist. Alle wichtigen Angaben und Unterlagen werden einem zugeschickt und der komplette Prozess läuft online über ein Bewerbungsportal ab. Beim Raussuchen der Kurse auf der Internetseite hatte ich keine Probleme, auch wenn ich dann vor Ort, erst richtigen Zugang zu den Kursen bekommen habe, um dann nochmal Veränderungen vorzunehmen, was kein Problem war.
Studium an der Gastuniversität
Während das Studiensystem und die Organisation der Lehrveranstaltungen vorerst sehr ähnlich zu dem des deutschen wirken, wird einem im Ausland bewusst, dass das Semester anders gestaltet und aufgeteilt wird. In meinem Fall bedeutete das, dass ich Kurse besuchte, die zwei Monate dauerten, und andere wiederum dauerten drei Monate. Diese kurze Zeitspanne ist dann auch mit starkem Aufwand verbunden. Die Kurse waren sehr unterschiedlich aufgebaut: Ein Kurs bestand vorwiegend aus den Präsentationen der Studierenden, ein anderer wechselte sich zwischen Vorlesung des Dozenten und Präsentationen der Studis ab und ein anderer wiederum bestand vorwiegend aus Vorlesungen des Dozenten und kleinen Diskussionen der zu lesenden Bücher. Des Weiteren war es normal während des Semesters eine Menge an Essays zu schreiben. Insgesamt habe ich innerhalb von 2,5 Monaten für vier Kurse in denen man 5/6 ESCTs erhält, sechs Essays à 1500/2000 Wörter schreiben müssen, zwei Präsentationen gehalten und zwei Exams geschrieben. Nebenbei musste man sich für die Kurse vorbereiten und eine Menge Bücher lesen, was natürlich normal für ein Literatur/Kultur Studium ist, jedoch ist der Auswand ein komplett anderer als an der Universität Potsdam, da man in kürzester Zeit alle Kursaufgaben erledigen muss, und es keine richtige Prüfungsphase gibt, die separat zu den Kursen läuft. Kurz gesagt: Der Aufwand und die Anforderungen sind also für eine gewisse Zeit sehr hoch und man muss wirklich gut planen, damit man alles in der angegebenen Zeit schafft. Nach diesen 2,5 Monaten wurde es dann wiederum ruhiger und man hatte wieder mehr Zeit für andere Dinge, da man nun einige Kurse abgehakt hatte. Die Bewertungen der Kurse schienen mir sehr fair und der Aufwand hat sich gelohnt. Natürlich gab es aber auch andere Kurse, die normal über das ganze Semester liefen.
Die Kursgruppen sind relativ klein mit 15 Studenten und das Klima war sehr entspannt und positiv. Die Dozenten werden in Finnland generell bei ihrem Vornamen angesprochen und waren sehr hilfsbereit, freundlich und offen. Die Räume sind sehr klein und technisch alle gut ausgestattet (auch wenn die Technik trotzdem gerne regelmäßig verrückt gespielt hat). Die Bibliothek bot gemütliche Leseecken, einen ruhigen Leseraum sowie einen Computerpool, der meines Erachtens nicht groß genug für die Anzahl der Studenten ist. Oft fand man keinen Platz und musste dann schauen wo man bleibt oder ob man überhaupt bleibt. Generell sind die Mitarbeiter an der Universität freundlich und hilfsbereit, wenn auch manche freundlich auf ihre Art und Weise, was bedeutet, dass sie gleichzeitig auch sehr zurückhaltend sind und manchmal etwas verhalten und ernst wirken (was ja auch eines der typischen finnischen Stereotypen ist).
Kontakte zu einheimischen und internationalen Studierenden
Der Kontakt zu einheimischen Studierenden war so gut wie nicht vorhanden in meiner Auslandserfahrung. Ich hatte zwar Kurse hauptsächlich mit finnischen Studenten, jedoch ist jeder eher für sich oder in seiner Clique und man kommt nicht wirklich ins Gespräch. Jedoch gibt es eine Menge Angebote Vereinen beizutreten, um Kontakt mit einheimischen sowie auch ausländischen Studierenden aufzunehmen.
Die Universität ordnet den Austauschstudenten auch finnische Tutoren zu, mit denen man schon von zu Hause aus per Mail Kontakt aufnimmt und sich bei Fragen an sie wenden kann. Das fand ich eine sehr nette und teils auch beruhigende Idee, da man jemanden hat, an den man sich immer wenden kann und der das Land, die Stadt und Kultur kennt. Meine Tutorin war zwar sehr hilfsbereit und freundlich (sie hat mich sogar mit ihrem Auto vom Flughafen abgeholt), jedoch ist der Kontakt abgebrochen, sobald sie ihre Aufgaben erfüllt hatte und man hatte schnell nichts mehr miteinander zu tun.
Für die ausländischen Studis gibt es eine Menge an Unternehmungen, Sportkursen und Veranstaltungen in denen man sich kennenlernen kann. Des Weiteren existierte auch eine WhatsApp sowie Facebook Gruppe der Erasmus+ Studenten, um Kontakt aufzunehmen.
Sprachkompetenz vor und nach dem Auslandsaufenthalt
Ich denke meine Sprachkompetenz hat sich nicht ausschlaggebend verändert. Ich hatte all meine Kurse auf Englisch, asiatische Mitbewohnerinnen, mit denen ich nur auf Englisch kommunizieren konnte und generell verlief mein Alltag außerhalb meiner vier Wände auf Englisch, jedoch hatte ich auch viel Kontakt mit Deutschen in Joensuu. Klar, man kommt schneller rein in das Englische Sprachgefühl und merkt, dass es mehr und mehr die Sprache wird in der man denkt, doch verbesserungstechnisch sehe ich da keine große Veränderung für mich persönlich. Mein Sprachtest von OLS Erasmus+ hat am Ende jedoch eine Verbesserung bestimmter Bereiche angezeigt und generell würde ich behaupten, dass ein Auslandssemester so oder so sprachlich helfen wird, wenn auch nur auf geringe Weise. Und generell ist es ein schönes Gefühl seinen Alltag mal komplett auf Englisch zu gestalten.
Wohn- und Lebenssituation
Ich habe mich, sobald es ging (im Mai), bei "Elli" beworben, welche für die Studentenwohnheime in Joensuu verantwortlich sind. Die Internetseite erklärt, dass die Wohnungen für das Wintersemester von August bis Dezember zu mieten sind, es ist jedoch auch erst ab September möglich, also wenn das Semester beginnt. Nichtsdestotrotz wurde mir mitgeteilt, dass die Chancen auf ein Zimmer höher sind, wenn man ab August ein Zimmer mietet, welches ich dann auch getan habe, da ich nicht das Risiko eingehen wollte in Joensuu anzukommen und vorerst in einem Hostel leben zu müssen (was anscheint aber auch in Ordnung für die betroffenen Studenten war und auch preislich angemessen). Es gibt keine Information zwischendurch von der Unterkunft, erst wenn sie dir ein Zimmer anbieten können.
Da ich das nicht wusste, habe ich mich nach über einem Monat gemeldet und glücklicherweise hat es dann auch mit einem Zimmer in einer 3er-WG geklappt (nach Geschlechtern getrennt) . Die Mieten sind sehr fair (zwischen 180-280), die Zimmer groß (und grau), die Heizung wird automatisch geregelt und ich habe nie gefroren und es stand eine große Küche zur Verfügung. Ich habe in Latolankatu gelebt, (220 Euro mit Internet eingerechnet), wo vier Blöcke von Studenten bewohnt werden. Es gibt eine Sauna, die man umsonst jede Woche ein Mal nutzen kann sowie ein Unterstellhäuschen für die Fahrräder. Direkt um die Ecke gibt es zwei Supermärkte. Außerdem kann man zum Fluss laufen und direkt am Ufer entlang spazieren bis man in Ultra ankommt, wo es eine schöne Halbinsel gibt, die man auf jeden Fall bei Sonne und bei Schnee besuchen sollte.
Das Fahrrad war ein wichtiger Begleiter für mich. Es fährt ein Bus direkt vor der Tür, jedoch kommt er nur alle 30 Minuten und so ist man mit dem Fahrrad einfach flexibler unterwegs. Der Weg zum Stadtzentrum und zur Uni war für mich und mein entspanntes Fahrradtempo um die 20/25 Minuten lang und es gibt einen Fahrradverleih sowie reichlich Angebote in der Facebook Gruppe, um an ein Fahrrad zu kommen. In dem Stadtzentrum gibt es alles was man braucht, von Bankgeschäften bis hin zur Shopping Mall und Museen.
Eine zusätzliche Krankenversicherung habe ich mir vorher eingerichtet für den Zeitraum im Ausland. Die Lebenshaltungskosten sind auf jeden Fall doppelt so viel wie in Deutschland, da einfach alles teurer ist. Es gibt auch einen Lidl (ca. 20 Min mit dem Fahrrad entfernt), welcher preislich vielleicht ein wenig günstiger ist.
Freizeitangebote werden von der Universität reichlich angeboten sowie auch Sportkurse und als Mitglied von ESN (Erasmus Student Network) kann man sich regelmäßig für zwei Wochen verschiedene Sportutensilien ausborgen (von Schlittschuhen bis hin zu Tennisschläger). ESN bieten auch die sogenannten Survival Packages an, welche die wichtigsten Küchenutensilien sowie Bettwäsche und ein Handtuch beinhalten.
Studienfach: Anglophone Modernities in Literature and Culture
Aufenthaltsdauer: 09/18-12/18
Gastuniversität: University of Eastern Finland
Gastland: Finnland
Rückblick
Joensuu ist eine kleine Stadt, die auf den ersten Blick nicht unbedingt mit ihrer äußeren Erscheinung überzeugt (Plattenbauten um einen großen Marktplatz herum). Die Finnen sind tatsächlich sehr zurückhaltend und wirken ernst. Verkäufer und dergleichen sind freundlich, doch generell wirken die Finnen etwas kühl und unnahbar, aber mit der Zeit gewöhnt man sich an die andere Mentalität und sobald man ins Gespräch kommt, sind die Finnen offen, interessiert und ein nettes (eigenes) Völkchen. Ich habe Finnland mit der Zeit in mein Herz geschlossen, doch es brauchte auch etwas Zeit, da man teilweise auch sehr weit voneinander entfernt wohnt und der Aufwand sich zu treffen und das Wetter eine wichtigere Rolle spielen, wenn es heißt auf einmal 40 Minuten mit dem Fahrrad zu einer Freundin zu fahren und es eventuell regnen kann. Das Land und die Natur (besonders bei Schnee) sind wunderschön und ich habe das kleine Stadtleben lieben gelernt sowie auch die tägliche Radfahren.
Sonstiges
Mein Tipp ist es sich auf jede Fall wetterfeste Klamotten und Schuhe einzupacken, damit man die regnerischen Monate übersteht und die winterlichen Monate genießen kann und nicht friert. Ich war nur bis Dezember da und habe die 'richtige' Kälte nicht kennengelernt, aber auch der November und Dezember mit rund -6/8 Grad reichen um eine angenehme, frische und trockene Kälte zu erleben (meiner Meinung nach eine angenehmere Kälte als in Deutschland, in Berlin ist es immer eine so unangenehme, feuchte Kälte). Geht raus und spazieren und genießt die Landschaft.