Digitalisierung „unter“ Dinosauriern ? Der Verwaltungsdigitalisierung in Deutschland und der Schweiz auf der Spur
Am 07.11.22 fand die gemeinsam von der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZAHW) und der Universität Potsdam organisierte Podiumsdiskussion zur Digitalisierung des öffentlichen Sektors in Europa im Berliner Naturkundemuseum statt. Im Rahmen des Events „Zürich meets Berlin“ diskutierten neben dem Bundestagsabgeordneten und von 2014 bis 2021 Regierenden Bürgermeister von Berlin, Michael Müller, die Ministerin für Wirtschaft des Kanton Zürich, Carmen Walker Späh, sowie Roman-Francesco Rogat, MdA, auch Mitglieder der Professorenschaft der ZHAW School of Management and Law, der Universität Zürich sowie der Universität Potsdam.
Doch stehen die urzeitliche Dinosaurierskelette im Sauriersaal des Museums als Sinnbild für die Verwaltungsdigitalisierung in Deutschland? Der Veranstaltungsort wirkte zunächst konträr zum Thema der Digitalisierung. Jedoch ließen es sich die Beteiligten nicht nehmen immer wieder metaphorische Parallelen zu ziehen, um die von Frau Prof. Kuhlmann beschriebene, „auf halbem Wege stehen gebliebene Verwaltungsdigitalisierung“ zu charakterisieren.
Basierend auf zwei informativen Keynotes von Prof. Reto Steiner und Prof. Sabine Kuhlmann, entwickelte sich eine lebhafte Diskussion, die von Prof. Isabella Proeller moderiert wurde. Harald Gall, Professor für Software Engineering der Universität Zürich konstatierte, dass die Debatte in der Öffentlichkeit zu häufig durch Allgemeinplätze getrieben sei. So würden beispielsweise unter dem Oberbegriff der Künstlichen Intelligenz bereits einfache Chatbots gefasst. Im Kern gehe es jedoch um eine Digitalisierung von Geschäftsprozessen, was man als Konzept und Ansatz seit den 80er-Jahre kenne.
Die Funktion von vielversprechenden Erwartungen als Treiber der Digitalisierung thematisierte auch Michael Müller. Ihm sei es sehr wichtig zu betonen, dass im Kontext der politischen Diskussion um Digitalisierung finanzielle Einsparungen nicht als oberstes politisches Ziel angestrebt werden. Natürlich würden alle politische Akteure das Thema kurzfristig unterstützen, wenn finanzielle Einsparungen erwartet würden. Aber nachhaltige Verbesserungen erfordern nicht nur zeitliche Ressourcen und eine ausdifferenzierte Strategie, sondern auch eine hohe Zahl an finanziellen Investitionen über Jahre hinweg. Die entstehende Fallhöhe bei Nicht-Erreichung möglicher versprochener Einsparungsziele werde sonst zu einem zentralen Problem dieser wichtigen Transformation.
Auch die anderen Panelisten zeigten sich sehr motiviert, das Thema in Praxis und Forschung gezielt weitervoranzutreiben. Jedoch müsse man häufig viele Abwägungen treffen, die Entscheidungen und Weiterentwicklungen teilweise verzögerten. So nannte Carmen Walker-Späh das Beispiel bargeldloses Bezahlen in Bussen via App, das für ältere Menschen und Kinder eine große Schwierigkeit darstellen würde. Dem Dualismus von Digital und Analog müsse hier immer noch Rechnung getragen werden. Übergreifend wurde in der Diskussion jedoch eine zentrale Erkenntnis deutlich: Die digitale Transformation der Verwaltung ist nicht mehr eine reine Technologiefrage, sondern vielmehr eine von Organisation, Kultur und insbesondere der Einbindung von Mitarbeitenden sowie Bürgerinnen und Bürgern.
Im Rahmen des durch die DFG und dem SNF finanzierten DIGILOG Forschungsprojektes werden die Beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der ZHAW, Universität Potsdam und der Wirtschaftsuniversität Wien das Thema in den kommenden drei Jahren weiter vertiefen.