Bürgerämter in Deutschland: Organisation, Personal und Leistungserbringung für die Bürger
Prof. Dr. Sabine Kuhlmann / Prof. Dr. Jörg Bogumil
Ziel des Forschungsprojektes
Ende der siebziger Jahre entstand in Unna erstmals die Idee eines Bürgeramtes. Ausgangspunkt der Überlegungen war die Absicht, die meisten publikumsintensiven Dienstleistungen für die Bürger an einer Stelle zu bündeln (Aufgabenintegration), sodass die Bürger für die meisten Dienstleistungen nur ein Amt aufsuchen müssen. Bürgerämter bringen die Kommunalverwaltung zudem in die Stadtteile. Während die Verwaltungsaufgaben zentralisiert werden, wird die Verwaltungsorganisation dezentralisiert. In fast allen Bürgerämtern hat sich ein kombiniertes Angebot zwischen einem, meist im Rathaus ansässigen, zentralen Bürgeramt mit einigen dezentralen Außenstellen herauskristallisiert. Obwohl der Modellversuch in Unna große Beachtung fand, gab es in den 1980er Jahren nur recht wenige Nachfolgemodelle in anderen bundesdeutschen Städten. Erst Anfang der 90er Jahre erhielt die Bürgeramtsidee neue Impulse, u. a. durch den bundesweit beachteten und von der ÖTV unterstützten Modellversuch „Bürgerladen Hagen“. In Hagen konnte erstmalig nachgewiesen werden, dass kundenorientierte Angebotsstrukturen durch Bürgerämter nicht nur die Arbeitsqualität verbessern, sondern auch Produktivitätseffekte mit sich bringen (vgl. Kißler/Bogumil/Wiechmann 1994, S. 173 ff.).
Mittlerweile sind die Bürgerämter in Kommunen der Regelfall. Seit Mitte der 2000er Jahre gibt es in nahezu allen Kommunalverwaltungen - zumindest ab 20.000 Einwohnern - derartige Bürgeramtsstrukturen. Eine 2010 durchgeführte Umfrage in Kommunen über 20.000 Einwohner in NRW brachte das Ergebnis, dass es in 91 % der Kommunen bereits Bürgerämter gab und in weiteren 4 % ihre Einrichtung geplant war (Bogumil/Ebinger 2012). Allerdings gibt es mittlerweile vermehrt z.T. Klagen über eine unbefriedigende Leistungserbringung in Bürgerämtern, unverhältnismäßig lange Wartezeiten, Schließungen von dezentralen Stadtteileinrichtungen und zunehmende Klagen der Beschäftigten über die Arbeitsbedingungen und überproportionale Fehlzeiten. Heute haben sich die Anforderungen an und die Rahmenbedingungen für die Arbeit in Bürgerämtern verändert, auch durch bundesrechtliche Maßnahmen, welche die Aufgabenwahrnehmung eher erschweren (z.B. bundesrechtliche Komplizierung von Rechtsvorschriften etwa beim elektronischen Personalausweis mit erheblichem zusätzlichem Erfüllungsaufwand für die Kommunen). Dennoch bleiben die Bürgerämter die wichtigste Schnittstelle der Kommunalverwaltung zu den Bürgerinnen und Bürgern. Vor diesem Hintergrund wurde eine Bestandsaufnahme der Situation von Bürgerämtern in Deutschland durchgeführt. Im Rahmen dieses Projektes wurde zunächst eine schriftliche Befragung aller Kommunen über 15.000 Einwohnern in Deutschland durchgeführt und daran anknüpfend vier intensive Fallstudien.
Die Leitung haben Prof. Dr. Jörg Bogumil (Ruhr-Universität Bochum) und Prof. Dr. Sabine Kuhlmann (Universität Potsdam) gemeinsam inne. In Bochum wird die Projektbearbeitung von Sascha Gerber durchgeführt, in Potsdam von Christian Schwab, Susanna Fazio und Moritz Heuberger. Die Laufzeit ist von April 2016 bis Juli 2019. Die finanzielle Förderung übernimmt die Hans-Böckler-Stiftung.
Studie "Digitalisierung der Bürgerämter in Deutschland" erschienen
Der Abschlussbericht der von der der Hans-Böckler-Stiftung geförderten Studie "Digitalisierung der Bürgerämter in Deutschland" von Sabine Kuhlmann, Christian Schwab, Jörg Bogumil und Sascha Gerber ist im Nomos-Verlag erschienen. Diese beschäftigt sich mit dem bisher erreichten Stand, den Hemmnissen und ausgewählten Wirkungsaspekten der Digitalisierung in deutschen Bürgerämtern. Sie greift auf empirische Ergebnisse einer deutschlandweiten Befragung in Bürgerämtern, Fallstudien und Mitarbeiter- und Bürgerbefragungen in ausgewählten Kommunen zurück und beleuchtet die organisatorische und personelle Situation der Bürgerämter in Deutschland im Zusammenhang der voranschreitenden Digitalisierung.
Beim E-Government gilt Deutschland als Nachzügler. Diese Studie untersucht die Digitalisierung am Beispiel der Bürgerämter, der wichtigsten Anlaufpunkte zur öffentlichen Verwaltung. Die Studie zeigt, dass es inzwischen zwar Fortschritte bei der Bereitstellung von Informationen und der digitalen Terminvereinbarung gibt. Aber noch laufen nur wenige Verwaltungsvorgänge ohne Medienbruch vollständig digital ab. Durch eine differenzierte Analyse, woran es aktuell hakt, gibt die Untersuchung wichtige Hinweise, wie die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung gelingen kann.
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