Haygard-Drehfrucht - Streptocarpus haygarthii
Pflanze des Monats November 2007
Nur ein Blatt
Es gehört zum Wesen der Pflanzen, ihr Leben lang zu wachsen. Die meisten bilden dabei mehr oder weniger lange und verzweigte Stängel, die nacheinander zahlreiche Blätter hervorbringen und irgendwann auch Blüten. Manche werden dabei groß, alt und holzig (die Bäume), während andere, die kleiner bleiben, doch im Prinzip genau denselben Bauplan wiederholen.
Umso bemerkenswerter sind Abweichungen von diesem Grundmuster. Zu den sonderbarsten gehört sicherlich die Haygarth-Drehfrucht (Streptocarpus haygarthii) aus Südafrika. Diese Pflanze keimt mit zwei Blättern aus dem Samenkorn, wie es auch sehr viele andere Pflanzen tun (die man wegen dieser übereinstimmenden Eigenschaft Zweikeimblättrige Pflanzen nennt; der größte Teil des Pflanzenreichs gehört dazu). Sehr im Unterschied zu anderen Zweikeimblättrigen bildet die Haygarth-Drehfrucht (und einige weitere, mit ihr verwandte Arten) jedoch keinen Stängel und auch keine weiteren Blätter, ja sie lässt sogar noch das eine ihrer beiden Keimblätter absterben. Ausschließlich das zweite Keimblatt bestreitet (neben den Wurzeln) das weitere Wachstum und bleibt für das gesamte restliche Leben der Pflanze erhalten. Es wächst vom Grund her dauernd weiter, und schließlich bildet es sogar Blüten, die an verzweigten Stielen ebenfalls vom Blattgrund her emporsprießen. Nach der Samenbildung stirbt die gesamte Pflanze dann normalerweise ab.
Nur ein einziges Blatt auszubilden, bedeutet für eine Pflanze ein erhebliches Risiko, denn wenn es gefressen wird oder erkrankt, hat sie keinen Ersatz. Manche einblättrigen Drehfrucht-Arten können daher bei Stress, etwa großer Trockenheit, den vorderen Teil ihres Blattes abstoßen. Steht wieder genügend Feuchtigkeit zur Verfügung, wird neue Blattfläche vom Grund her nachgebildet.
In der Natur wachsen diese Waldpflanzen beispielsweise an Baumstämmen oder steilen Felsen, wo sie in Moospolstern wurzeln. Man kann sich vorstellen, dass hier langstielige Pflanzen leicht den Halt verlieren und schon von einem kräftigen Regenguss herabgerissen werden. Unsere Drehfrucht dagegen kann sich mit ihrem einzigen, gerade nach unten gerichteten Blatt sogar noch abstützen und so die Stellung halten.