Frag doch mal die Hummelkönigin
Der Wiesensalbei
Seit unlängst in Bayern ein Volksbegehren zur Artenvielfalt erdrutschartigen Erfolg hatte, beginnen deutsche Politikerinnen und Politiker langsam aufzuwachen. Dabei ist seit Jahren klar, dass die biologische Vielfalt auch in Deutschland in alarmierendem Umfang zurückgeht. Ebenso klar ist, dass der Mensch als Teil der Biosphäre in mannigfaltiger Weise von dieser Vielfalt abhängt und ohne sie auch selbst nicht überleben wird. Nicht klar ist lediglich, wie stark die Vielfalt noch reduziert werden kann, bevor wirklich schmerzhafte Folgen eintreten; lang kann es aber nicht mehr dauern. In der Biosphäre hängt wie in einem riesigen Netz alles mit allem zusammen. Je größere Löcher hineingeschnitten werden und weiter ausreißen, desto schwieriger wird es, den Schaden einzuhegen.
Der Wiesen-Salbei (Salvia pratensis) ist eine Futterpflanze für Honigbienen und staatenbildende Hummeln, aber auch andere große Wildbienen. In seinen leuchtend blauen Blüten sitzen die Staubbeutel an langen, gebogenen Stielen geschützt unter der gewölbten Oberlippe. Will ein Insekt den reichlich vorhandenen Nektar ernten, muss es seinen Rüssel in die Blütenröhre stecken. Der Zugang ist aber durch zwei Platten versperrt, die wie das Gegenwicht an einer Schranke mit den Staubbeutelstielen verbunden sind. Kräftige Insekten mit ausreichend langem Rüssel erreichen den Nektar, drücken dabei aber gegen die Platten. Dadurch senken sich wie ein Schlagbaum die Staubbeutel herab und deponieren eine Portion Pollen auf ihrem Rücken. Mit einem spitzen Bleistift lässt sich das gut nachahmen. Später verlängert sich dann der Griffel und positioniert die Narben genau an der richtigen Stelle, so dass die nächste Hummel mit Pollen auf dem Rücken die Bestäubung vollzieht.
Ein Hummelvolk benötigt über einen längeren Zeitraum Nektar und Pollen als Nahrung, wie sie zum Beispiel artenreiche Wiesen mit den gestaffelten Blühzeiten ihrer zahlreichen Kräuter zur Verfügung stellen. Der Wiesen-Salbei ist ein typisches Element solcher Wiesen, die die bäuerlich genutzte mitteleuropäische Kulturlandschaft über Jahrhunderte geprägt haben. Die fett gedüngten Grasländer der modernen Agrarindustrie sind für ihn und fast alle anderen Wiesenkräuter als Lebensraum hingegen völlig ungeeignet.
Wir müssen mit dem massiven Aussterben heimischer Artenvielfalt rechnen, wenn sich nicht sehr bald etwas Grundlegendes ändert. Es gibt durchaus Landwirte, die das verstehen. Die politischen Vorgaben von der europäischen bis zur regionalen Ebene sind derzeit aber wenig geeignet, solche Ansätze zu bestärken. Mit der kurzfristigen Ansaat von Blühstreifen entlang vielbefahrener Straßen ist jedenfalls kaum mehr erreicht als die Erhöhung der Verkehrstotenzahlen in Hummelvölkern. Vielleicht kann sich die Bundesministerin für Landwirtschaft als ehemalige Weinkönigin einmal kollegialen Rat bei einer Hummelkönigin holen.