Eine Pflanze ohne Blattgrün
Pflanze des Monats Juli 2013
Die Efeu-Sommerwurz
Pflanzen haben grüne Blätter. Mit dem Chlorophyll treiben sie Photosynthese, bauen also organische Substanz aus Kohlendioxid
und Wasser auf, wofür sie die Energie des Sonnenlichts nutzen. Sie sind damit die Grundlage fast allen Lebens auf der Erde.
Durch die Bindung des Kohlendioxids wirken sie außerdem dem Treibhauseffekt entgegen.
Nicht so die Efeu-Sommerwurz (Orobanche hederae). Ihre bräunlich-bleichen Blütentriebe zwischen den grünen Efeublättern besitzen
weder grünes Laub noch überhaupt Blattgrün. Organische Substanzen bezieht die Pflanze vom Efeu, ihrem Wirt.
Es handelt sich also um eine Schmarotzerpflanze, einen sogenannten Vollparasiten.
Ein einziger Blütenstängel der Sommerwurz kann mehrere hunderttausend winziger Samen produzieren, jeder nur Bruchteile eines
Millimeters groß, dafür aber langlebig. Schon vor 190 Jahren machte man die erstaunliche Entdeckung, dass keimende
Sommerwurzsamen schnurstracks auf die nächste Wirtswurzel zuwachsen. Sie erkennen offenbar die Richtung. Erst seit einigen
Jahren ist dieser Prozess nun besser verstanden: Die Samen und Keimlinge reagieren auf bestimmte Ausscheidungen der Wurzeln,
sogenannte Strigolactone, womit die Wirtspflanze eigentlich mit ihren Pilzpartnern kommuniziert. Statt symbiontischer
Mykorrhizapilze, die die Wurzeln bei der Mineralstoffaufnahme unterstützen, fängt sich der Efeu dabei offenbar gelegentlich
einen Schmarotzer ein, der nur nimmt und nicht gibt.
Was gar nicht so einfach ist: Pflanzen besitzen ein zweigeteiltes Transportsystem, eines für die Versorgung mit Wasser und
darin gelösten Nährsalzen, das Xylem genannt wird, und ein zweites, das Phloem (Flo-em, nicht Flöm) heißt und die Produkte
der Photosynthese transportiert. Vollparasiten wie die Efeu-Sommerwurz zapfen beide Systeme an, denn außer Blattgrün fehlt
ihnen auch ein reguläres Wurzelwerk. Halbschmarotzer dagegen besitzen Blattgrün und gehen daher nur ans Xylem ihres Wirts,
um sich mit Wasser zu versorgen.
Die winzigen Samen der Efeu-Sommerwurz enthalten einen noch winzigeren Embryo und etwas Nährgewebe. Das reicht gerade für
ein Wachstum von einigen wenigen Millimetern, dann muss der Wirt erreicht sein. Dies korrespondiert mit der ebenfalls sehr
geringen Reichweite der Strigolactone. Die Samen ruhen demnach jahrzehntelang im Boden und warten darauf, dass endlich eine
Efeuwurzel dicht genug vorbeikommt. Da das nicht allzu häufig passiert, wird die große Zahl produzierter Samen verständlich.
Manche Sommerwurzen – es gibt etwa 150 Arten – zapfen unterschiedliche Wirte an, andere wie die Efeu-Sommer-wurz nur einen
einzigen. Experimente in den letzten Jahren haben gezeigt, dass diese Verhältnisse durch den spezi-fischen Chemismus
unter-schiedlicher Strigolactone und weiterer Botenstoffe geregelt werden.