Das Leberblümchen - Hepatica nobilis
Pflanze des Monats Mai 2013
Ein 260jähriges Jubiläum und die Blume des Jahres 2013
Vor fast genau 260 Jahren, im Herbst 1753, erschien ‚Species Plantarum’ des Schweden Carolus Linnaeus. Er war zu diesem Zeitpunkt bereits der berühmteste Botaniker der Welt, und das Buch war ein weiterer Geniestreich; es markiert den Beginn der modernen, zweiteiligen wissenschaftlichen Pflanzenbenennung mit Gattungs- und Artnamen.
Darin wird eine Anemone Hepatica aufgeführt, also eine „Leber-Anemone“, auf Deutsch besser als Leberblümchen bekannt. Sie gehört zur Gruppe der „Polyandria Polygynia“ – selbstverständlich waren die Pflanzen in dem Buch nach Linnaeus’ neuem System geordnet, seinem ersten Geniestreich. Dieses System war, wie der Verfasser selbst einräumte, leider ein künstliches; an demselben Mangel litten allerdings auch sämtliche Konkurrenzprodukte. Dafür war es aber genial einfach zu verstehen und zur Bestimmung zu benutzen, da es im Wesentlichen lediglich zwei leicht zu beobachtende Merkmale verwendete, die Zahl und Anordnung der männlichen und der weiblichen Blütenteile.
Die Herren Kollegen (Damen waren damals noch nicht darunter) waren ungeachtet des Ruhms des Schweden keineswegs gleich mit allen seinen Ideen einverstanden. Philip Miller, in England damals fast so berühmt wie Linnaeus, nannte das Leberblümchen in der vierten Auflage seines Gärtnerhandbuches 1754 weiterhin „Hepatica trifolia, coeruleoflore“, womit er sowohl die neue zweiteilige Benennung als auch die Zuordnung zur Gattung Anemone ignorierte. Die eigenständige Gattung Hepatica hat Miller zwar gar nicht postuliert, sondern folgte darin Altvorderen wie Clusius, die die Dinge bereits ähnlich gesehen hatten. Er ist aber der Erste, der es nach 1753 tat. Da ältere wissenschaftliche Benennungen heute nicht mehr anerkannt werden, wird Miller als Autor der Gattung Hepatica geführt, ungeachtet der Tatsache, dass er das neue Benennungssystem gar nicht akzeptierte (er benutzte es dann selbst 1768, in der achten Auflage seines Buches).
Das Leberblümchen ist langlebig und wächst und verbreitet sich nur langsam. Es gilt so als Zeiger alter Wälder und wurde zur Blume des Jahres 2013 erkoren, da alte Wälder nicht nur Leberblümchen, sondern oft auch viele weitere, teils seltene und gefährdete Pilz-, Tier- und Pflanzenarten beherbergen, für deren aller Erhaltung das Leberblümchen damit symbolisch steht.
Die Frage der systematischen Eigenständigkeit ist bis heute nicht abschließend geklärt. Die neueste Studie zum Thema (2012) votiert erneut für die Einbeziehung als Anemone hepatica. Der vorgelegte umfangreiche, molekulargenetisch begründete Stammbaum lässt theoretisch auch die Abtrennung als Hepatica nobilis zu; dann müsste aber die Gattung Anemone in rund ein halbes Dutzend weiterer Gattungen aufgeteilt werden. Welche Lösung man bevorzugt, ist letztlich eine Geschmacks- und Praktikabilitätsfrage, für und gegen beide lassen sich stichhaltige Argumente vorbringen.
Linnaeus wurde 1762 geadelt und nannte sich fortan Carl von Linné (nicht zu verwechseln mit Peter Joseph Lenné, dem großen Gartenkünstler). Bis heute ist er der berühmteste Botaniker.
Blaue und weiße Leberblümchen blühen jetzt an vielen Stellen im Botanischen Garten.