Im Haus der Götter Insekten fressen
Pflanze des Monats November 2016
Der Große Sumpfkrug
Der deutsche Forschungsreisende Robert Hermann Schomburgk kehrte 1839 aus dem Hochland von Britisch Guayana zurück.
Als einer der ersten Europäer hatte er in britischem Auftrag die Tafelberge aus uraltem Sandstein untersucht,
die von den Einheimischen Tepuí genannt wurden, „Haus der Götter“, und war auf eine völlig eigenständige Tier- und Pflanzenwelt gestoßen.
Darunter war auch eine zuvor unbekannte Kannenpflanze.
Für sie wurde die neue Gattung Heliamphora aufgestellt, „Sumpfkrug“ (von griechisch elos, „Sumpf“, und nicht helios, „Sonne“, wie man auch annehmen könnte).
150 Jahre später waren immerhin zehn dieser fleischfressenden (karnivoren) Arten bekannt, alle aus derselben Region im Grenzbereich von Venezuela,
Brasilien und Guyana.
Auch der 1978 beschriebene Große Sumpfkrug (Heliamphora ionasi) gehört dazu.
Insekten werden von duftendem Nektar in die halb mit Wasser gefüllten, krugförmigen Kannenblätter gelockt und von einwärts gerichteten Borstenhaaren
am Entweichen gehindert, fallen schließlich ins Wasser und ertrinken. Zersetzt wird die Beute von Bakterien, und die Pflanze kann deren Produkte aufnehmen.
Der Große Sumpfkrug ist mit bis zu 50 cm hohen Kannen die größte Art.
Wie bei der ganzen Gattung fungiert auch hier eine tiefe Kerbe im Kannenrand als Überlauf und sorgt für höchstens halbvolle Kannen.
Dies scheint sowohl fangtechnisch als auch statisch sinnvoll zu sein. Die Pflanzen besitzen hübsche weiße, nickende Blüten, die noch jetzt im Herbst zu sehen sind.
Heute sind über 100 Tepuis bekannt.
Am Nordrand des Amazonasbeckens ragen die Tafelberge, isoliert durch steile Felswände, 500 bis 1.500 Meter über den Tropenwald empor.
Nach jahrmillionenlanger Auswaschung durch Tropenregen sind die Standorte überaus nährstoffarm.
Fleischfressende Pflanzen haben hier einen Vorteil, da sie aus ihrer Beute die Mineralstoffversorgung ergänzen können.
Die eigentümliche Tier- und Pflanzenwelt der Tepuis ist noch längst nicht vollständig erforscht. Etliche Arten kommen nur auf einem einzigen Berg vor.
Viele der Plateaus sind für Menschen nur aus der Luft erreichbar und stark zerklüftet, und ständige Gewitter gestalten den Aufenthalt ziemlich ungemütlich.
Umso bemerkenswerter ist, dass sich die Zahl bekannter Sumpfkrug-Arten in den letzten 15 Jahren mehr als verdoppelt hat, auf heute 23.
Eine Gruppe deutscher Karnivoren-Enthusiasten hat das zusammen mit einem britischen Kollegen fast ohne Unterstützung
etablierter Forschungseinrichtungen bewerkstelligt. Der Brite, Stewart McPherson, gründete vor zehn Jahren gleich nach seinem Studienabschluss einen
Naturbuchverlag, Schwerpunkt: Karnivoren. So konnte die Gruppe ihre herausragenden Ergebnisse selbst in einem Buch publizieren, illustriert mit exzellenten Fotos.
Andreas Wistuba, einer der prägenden deutschen Köpfe, betreibt eine europaweit führende Karnivorengärtnerei.