Giftig, aber gesund
Das Scharbockskraut
Wenn die goldgelben Blüten in der Sonne glänzen, ist es zum Ernten eigentlich zu spät. Die Blätter haben roh einen pfefferigen Geschmack, und die Schärfe hinterlässt im Rachen ein raues Gefühl. Beim Trocknen verliert sich die Schärfe, ebenso beim Kochen. Im Wald gewachsene Blätter sollen milder schmecken, junge hingegen besonders scharf.
Das Scharbockskraut (Ficaria verna) gehört wie Anemonen und Lenzrosen, die zur gleichen Zeit blühen, zur Familie der Hahnenfußgewächse. Der scharfe Geschmack wird durch Protoanemonin hervorgerufen, ein Nervengift, das in hohen Dosen tödliche Lähmungen verursacht. Es findet sich in allen Vertretern der Pflanzenfamilie, in den Blättern des Scharbockskrauts aber nur in relativ geringer Menge, die mit einsetzender Blüte allerdings ansteigt. Die Blätter besitzen eine typische Form und einen auffälligen, fettigen Glanz, so dass man sie auch vor Erscheinen der gelben Sternblüten sicher identifizieren kann.
Die Ernte könnte sich durchaus lohnen, denn ein paar der würzigen Blättchen, fein gehackt, geben einem Salat eine ganz eigene Note. In früheren Zeiten war das manchmal sogar überlebenswichtig. Das kleine, meist nur um die 10 cm hohe Pflänzchen ist nämlich besonders reich an Vitamin C. In Ermangelung frischen Grüns in der Ernährung litten früher viele Menschen gegen Ende des Winters an Skorbut – die Krankheit erscheint sogar in der älteren Form „Scharbock“ im Namen der Pflanze, der damit auf ihre vormalige Bedeutung für die Volksernährung hinweist. Heute spielt die Mangelkrankheit bei uns kaum noch eine Rolle, da vitaminreiche Zitronen und auch viele andere Früchte und Gemüse praktisch ganzjährig verfügbar sind. Zu den Symptomen gehören Zahnausfall, Frühjahrsmüdigkeit und Anfälligkeit gegen Infektionskrankheiten. Im „Zeitalter der Entdeckungen“ war Skorbut auf den langen Seereisen ohne Zufuhr frischer Nahrung ein großes Problem, und man lernte nur langsam, dass durch das Mitführen von Sauerkraut, Zitronensaft und getrocknetem Scharbockskraut der Krankheit recht einfach zu begegnen war.
Der starke Glanz der Blüten dient als Lockmittel für Insekten. Die Pflanze profitiert allerdings wenig vom Blütenbesuch, da sie sich ganz überwiegend ungeschlechtlich durch kleine weiße, in den Achseln der Blattstiele entstehende Brutknöllchen fortpflanzt und kaum fruchtbare Samen bildet. Der Blütenglanz ist ein Merkmal, welches das Scharbockskraut mit den Hahnenfüßen (Gattung Ranunculus) gemeinsam hat, zu denen es früher meist gerechnet wurde. Heute wird es in der Regel in die separate Gattung Ficaria gestellt. Dieses lateinischstämmige Wort verweist auf eine andere frühere Verwendung, nämlich gegen Feigwarzen.