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Weihnachtsdessert für Kanarienvögel

Pflanze des Monats Dezember 2017

Die Kanarische Glockenblume

 

Auf den Kanarischen Inseln gibt es eine ungewöhnliche Glockenblume. Ihre Blüten sind auffallend groß und leuchtend orangerot gefärbt und sehen aus wie rote Weihnachtsglocken. Dazu passt die Blütezeit – jetzt, mitten im Winter, der in der Heimat der Pflanze, den kanarischen Lorbeerwäldern, sehr mild und feucht ist. Die Blüten sind robust und ohne Duft, produzieren aber reichlich Nektar – täglich etwa 0,1 ml.

Aufgrund dieser Eigenschaften wurde schon lange vermutet, dass die Kanarische Glockenblume (Canarina canariensis) von Vögeln bestäubt wird. Duftlosigkeit, Nektarreichtum und die Blütenfarbe sprechen dafür. Der Haken dabei: Auf den Kanaren gibt es keine Blumenvögel, weder Kolibris wie in Südamerika noch Nektarvögel wie in den afrikanischen Tropen. Zwei weitere Vertreter der Gattung Canarina wachsen in den Bergwäldern Ostafrikas. Ihre Blüten sehen sehr ähnlich aus, sind aber schmaler und werden von dort heimischen, langschnäbligen Nektarvögeln bestäubt, soweit überhaupt bekannt. Außer diesen beiden Arten sind alle näheren Verwandten, über die man durch die molekulare Abstammungsforschung recht gut Bescheid weiß, ausschließlich Bewohner Asiens; die in Europa vorkommenden Glockenblumen sind noch deutlich entfernter verwandt. Vogelblumen hat keine von ihnen.

Neue Untersuchungen zeigten, dass die Kanarische Glockenblume vermutlich aus Ostafrika eingewandert ist, im Tertiär vor etwa vier bis acht Millionen Jahren. Damals enthielt die Atmosphäre deutlich mehr Kohlendioxid als heute, und der damit verbundene Treibhauseffekt sorgte für wesentlich wärmere Temperaturen. Die Nordhälfte Afrikas war bewaldet und bot diesen Pflanzen anscheinend Lebensräume. Als hier später die Sahara entstand, wurden die Populationen auf den beiden Außenseiten des Kontinents voneinander isoliert – heute liegen 7.000 km Wüste zwischen ihnen. Ob hier bei künftiger Klimaerwärmung wieder Wald entsteht, ist höchst zweifelhaft, aber die Menschheit ist bekanntlich gerade dabei, es auszuprobieren, indem sie den in Braunkohle und Erdöl unterirdisch festgelegten Kohlendioxid-Überschuss der Tertiärzeit wieder in die Atmosphäre bringt.

Und wer bestäubt die roten Weihnachtsglocken? Es sind verschiedene Waldvögel, die sich hauptsächlich von Insekten oder Sämereien ernähren, aber gelegentlich auch Nektar trinken. Am häufigsten beobachtet wurden Blaumeise und Kanaren-Zilpzalp, aber nicht häufiger als zwei bis drei Mal am Tag. Auch der Kanaren-Girlitz, wilde Stammform des Kanarienvogels, ist dafür bekannt, gelegentlich Nektar zu naschen. Er meidet jedoch die kühlen Lorbeerwälder, sodass er nur selten in den Genuss eines Schlucks Weihnachtsnektar kommt. Er kann sich aber an einige weitere rote, nektarreiche Blumen halten, die es auf den Kanaren gibt.

Wenn Sie sehr viel Glück haben, können Sie hier Blaumeisen beim Blütenbesuch beobachten. Offenbar sind auch unsere heimischen Waldvögel ausreichend flexibel dafür – oder sie wollen zu Weihnachten einfach mal einen süßen Nachtisch.