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Webers Zwiebelblatt - Bulbophyllum weberi
Foto: M. Burkart

Webers Zwiebelblatt - Bulbophyllum weberi

Pflanze des Monats Januar 2009

Ein Amerikaner in Paris

 

Oakes Ames staunte nicht schlecht. Während seines Sommerurlaubs hatte einer seiner Assistenten eine eigentlich an ihn gerichtete Bitte der amerikanischen Forschungsstation auf den Philippinen eigenmächtig in seinem Namen zustimmend beantwortet. Sein alter Bekannter Elmer Merrill ersuchte um Hilfe bei der Bestimmung von Orchideen, die bei Geländestudien gesammelt worden seien. Nun hatte sich Ames zwar als Orchideenspezialist bereits einen gewissen Namen gemacht, aber weder er noch sein forscher Assistent besaßen zu diesem Zeitpunkt irgendeine besondere Kenntnis philippinischer Orchideen, ganz zu schweigen von getrocknetem oder gar lebendem Vergleichsmaterial. Außerdem stellte sich heraus, dass an den Geländestudien über 70 Pflanzensammler beteiligt waren, wovon etliche sich ganz auf Orchideen konzentrierten!

Es sah im Sommer 1905 also nach einer gewaltigen und kaum lösbaren Aufgabe aus. Nur drei Jahre zuvor hatten die USA die Philippinen als Kolonie annektiert, nachdem sie erst die vorherige Kolonialmacht Spanien und danach die Filipinos selbst in blutigen Kriegen besiegt hatten. Oakes Ames, Enkel des Erbauers der Union Pacific Railroad, jüngster Sohn des Gouverneurs von Massachusetts und Gatte einer emanzipierten Malerin (ihre exzellenten Illustrationen sind die Zierde vieler seiner späteren Orchideenbücher), hatte sein beträchtliches Talent bereits in jungen Jahren der Botanik verschrieben. Seit 1900 war er nun Botanik-Dozent in Harvard.

Da die Zusage nicht zurückzunehmen war, entschloss sich Ames zu reisen. Keineswegs jedoch auf die Philippinen – das gesammelte Pflanzenmaterial ließ er sich schicken. Vielmehr schiffte er sich mit seinen zwei Assistenten, drei Mikroskopen und drei Fotoapparaten nach Europa ein, um die großen Herbarien in London, Leiden und Paris zu besuchen. Dort dokumentierten die drei mit Fotos, Zeichnungen und immensem Fleiß die gepresst hinterlegten philippinischen Orchideen. Ihre „amerikanische“, technisch und finanziell enorm aufwändige Herangehensweise rief in den heimgesuchten Institutionen, alles ehrwürdige Tempel der botanischen Wissenschaft Europas, erhebliches Aufsehen hervor, wie Ames später selbst augenzwinkernd schreibt.

Mit der Dokumentation im Gepäck war man der Herausforderung aber gewachsen. Oakes Ames beschrieb in den folgenden Jahren hunderte von philippinischen Orchideen neu für die Wissenschaft, darunter Webers Zwiebelblatt (Bulbophyllum weberi), das er offenbar nach einem der 70 Sammler seines Kollegen Merrill benannte. Diese Orchidee blüht jetzt im Orchideenhaus des Botanischen Gartens der Universität Potsdam. Seine gelblich-rosaroten Blüten stehen in kreisförmigen Blütenständen und haben eine eigentümliche Pantoffelform.

Die Philippinen besuchte Ames erst 1930, zusammen mit seiner Frau. Er starb 1950 als weltweit führender Orchideenexperte. Er hat im Laufe seines Lebens mehrere tausend Pflanzenarten neu beschrieben und ein Herbarium mit 64.000 gepressten Orchideen hinterlassen. Daneben geht zum Beispiel auch die Hypothese, die Landwirtschaft sei eine weibliche Erfindung, mit auf ihn zurück.

Webers Zwiebelblatt - Bulbophyllum weberi
Foto: M. Burkart