Der Pilz in der Blume
Pflanze des Monats Juli 2014
Die Baum-Osterluzei
Die große Vielfalt der Blütenpflanzen beruht ganz wesentlich auf den mannigfaltigen Möglichkeiten, wie Blüten und ihre Bestäuber miteinander in Wechselwirkung treten können. Klassischerweise bietet die Blüte eine essbare “Belohnung” (Nektar, Pollen) und erhält dafür den “Service” der Bestäubung. Für den Erfolg ist Kommmunikation nötig: Die Blüte sendet Signale (Aussehen, Duft), die der Besucher erkennt und worauf er entsprechend reagiert.
Bei Täuschblumen gibt es einen dritten Partner, der aber gar nicht da sein muss. Die Signale der Blüte simulieren ihn nur und stellen dem Besucher eine Belohnung in Aussicht, die er am Ende vergeblich sucht. Sein Verhalten führt für ihn also nicht zum Erfolg, für die Blüte aber sehr wohl.
Die Baum-Osterluzei (Aristolochia arborea) kommuniziert in derart täuschender Absicht mit Pilzmücken, deren Larven sich von Pilzgewebe ernähren (oft zum Verdruss des Pilzkenners, aber das ist eine andere Geschichte). Eine Pilzattrappe mitten in der rotbraunen, weiß markierten Blüte täuscht trächtigen Pilzmückenweibchen einen Platz zur Eiablage vor. Tatsächlich befindet sich hinter der Attrappe der Eingang zur Blütenröhre, die als Kesselfalle ausgebildet ist. Ganz hinten, wo sich Narbe und Staubblätter befinden, hat sie eine durchscheinende Stelle, die den Mücken einen Ausgang vortäuscht (also schon die zweite Täuschung). Dort sollen sie den hoffentlich mitgebrachten Pollen deponieren und sich dann mit neuem Pollen beladen. Nach erfolgter Bestäubung welkt die Blüte und fällt ab, so dass die Mücken wieder ins Freie gelangen. Das ist wichtig, schließlich müssen sie sich von mindestens zwei Blüten nacheinander hereinlegen lassen, damit die erwünschte Bestäubung erfolgt.
Solche Täuschungssysteme, die auf Nachahmung beruhen, werden als Mimikry bezeichnet. Evolutions-theoretisch sind sie sehr interessant, weil sie ein Evolutionsziel – das Vorbild – vorgeben. Darauf wies bereits Darwin hin. Ansonsten ist die Evolution bekanntlich ein nicht zielgerichteter Optimierungsprozess nach dem Motto „Was geht, geht“. Die Baum-Osterluzei ist auf dem Weg zu diesem Ziel bereits recht weit vorangeschritten: Der Pilzkenner kann in der Blüte ohne weiteres einen Vertreter der Schwindlinge (Gattung Marasmius) erkennen. An der Hutunterseite hat er sogar angedeutete Lamellen.Leider gibt es bisher keinen Nachweis, dass diese Mimikry tatsächlich wirkt.
Alle Beobachtungen wurden in Botanischen Gärten gemacht, nicht in der Natur, wo man den entscheidenden Kommunikationspartner, die getäuschte Mücke, beobachten müsste. Insbesondere wäre nachzuweisen, dass sie a) auf die Täuschung hereinfällt und b) tatsächlich die Bestäubung vollzieht. Ihre schlüpfenden Larven hätten das Ganze dann auszubaden, fänden nichts zum Fressen und würden verhungern. Immerhin gelangen Botanikern der Uni Dresden unlängst Wildfunde der Baum-Osterluzei
im südlichen Mexiko. Nachdem schon fraglich war, ob die Art überhaupt noch außerhalb Botanischer Gärten existiert, ist dies sehr erfreulich. Da ihre Forschungsabsicht aber keine blütenbiologische war, müssen wir weiter auf den Mimikry-Nachweis warten.