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Pflanze des Monats Juli 2016
Welches Hundsgift wächst im Botanischen Garten?
Diese Pflanze kam 1995 als Samentütchen aus einem österreichischen Botanischen Garten nach Potsdam, unter dem Namen Apocynum cannabinum (Amerikanisches Hundsgift).
Die Pflanze gedeiht und blüht seit Jahren jeden Sommer bei uns.
Bereits vor einiger Zeit sagte ein vorbeikommender Kollege, bei der Pflanze handle es sich um eine andere Art, nämlich das Venezianische Hundsgift (Apocynum venetum).
Der neue Name wurde in der Pflanzendatenbank notiert, fand aber nicht den Weg auf das Etikett im Beet. Bis der freundliche Kollege kürzlich wieder vorbeikam und erneut darauf hinwies.
Aber hat er Recht? Die Überprüfung erwies sich als schwierig. Schon der Umfang der Gattung Apocynum ist unklar.
Die letzte umfassende Bearbeitung stammt von 1930 und beschreibt 12 Arten, die teils in Nordamerika, teils in Eurasien vorkommen.
Alle Arten haben große Verbreitungsgebiete und sind sehr variabel. Ein früherer Bearbeiter unterschied deswegen allein für Nordamerika über 50 Arten.
Hundsgift wird als Heilpflanze genutzt und ist giftig, wie der Name nahelegt; das Venezianische Hundsgift, welches von Südosteuropa bis ans Chinesische Meer vorkommt,
ist in China aber auch als Tee in Gebrauch. Es erfährt in der Pharmazie gerade große Aufmerksamkeit wegen seiner stimmungsaufhellenden und beruhigenden Wirkungen.
Sowohl in Nordamerika als auch in Asien wurden und werden außerdem die langen und sehr zähen Bastfasern der jeweiligen Hundsgift-Arten vielfältig verwendet;
sie sind spinnbar und sollen an Feinheit sogar Baumwolle übertreffen. Der Artname cannabinum des Amerikanischen Hundsgifts bezieht sich auf diese hanfähnlichen Eigenschaften.
Der enthaltene Milchsaft kann ferner zur Herstellung von Kaugummi verwendet werden, und die reichblühenden, duftenden Büsche sind auch eine gute Bienenweide.
Leider kann eine eindeutige Antwort zur Identität unserer Pflanze im Moment nicht gegeben werden.
Die meisten Merkmale sprechen für die Zuordnung zu einer dritten, ebenfalls nordamerikanischen Art, dem Gewöhnlichen Hundsgift (Apocynum androsaemifolium),
aber auch für die beiden anderen Arten gibt es Anhaltspunkte.
Zur Aufklärung wäre Vergleichsmaterial nötig, das in Herbarien eingesehen oder von dort ausgeliehen werden könnte – ein großer Aufwand für eine einzige der rund 16.000 Pflanzen im Botanischen Garten.
Fehler und Unsicherheiten sind ständige Begleiter des wissenschaftlichen Arbeitens. Generelle Schätzungen, wie viele Pflanzen in Botanischen Gärten falsch benannt sind, liegen zwischen 5 und 30 %.
Von den 119 bisher erschienenen „Pflanzen des Monats“ hatten vier einen falschen Namen, wie sich hinterher erwies [Aloe marlothii, Camellia saluenensis, Marcgravia dubia, Kalanchoe laxiflora].
Bei zwei anderen einschließlich der aktuellen besteht weiterhin Unsicherheit. Fehler sind aber immer auch ein Ansporn, etwas dazuzulernen.
Ganz im Sinne des Sprichworts: „Aus Fehlern wird man klug, drum ist einer nicht genug.“