Leuchtende Farben im Küstenregenwald
Pflanze des Monats Oktober 2013
Die Schweif-Lanzenrosette
Die Familie der Bromeliengewächse umfasst über dreitausend Arten in den tropischen und subtropischen Teilen des amerikanischen Doppelkontinents samt seiner vorgelagerten Inseln. Der bekannteste Vertreter ist die Ananas. Viele andere Arten bilden mit ihren Blättern zisternenförmige Trichter, worin sich Regenwasser sammelt, das über Schuppen an der Blattoberseite aufgenommen wird. Die Wurzeln hingegen dienen vor allem zum Festhalten – eine wichtige Aufgabe, denn die Pflanzen wachsen oft als Epiphyten (Aufsitzerpflanzen) auf den Ästen von Bäumen.
Etliche Arten haben kontrastreich gemusterte Blütenstände mit leuchtenden Rot- und Orangetönen. Sie werden von Kolibris besucht, die den Nektar aus den langröhrigen Blüten saugen und sie dabei bestäuben. Da Vögel Augentiere sind und ein ähnliches Farbspektrum sehen wie Menschen, ist eine für uns auffällig bunte Färbung mit Rotanteilen ein guter Indikator für Vogelbestäubung bei Blüten.
Die leuchtend gelb und orange gefärbten Blütenstände der Schweif-Lanzenrosette (Aechmea caudata) passen in dieses Muster. Allerdings haben sie nur eine kurze Blütenröhre. Eine Studie an dieser Art auf der Insel Santa Caterina, vor der südbrasilianischen Küste gelegen, zeigte unlängst, dass die Blüten dort hauptsächlich von einer großen Hummelart bestäubt werden. Die Kolibris besuchten dagegen vor allem eine andere, viel größere Bromelienart, die zur gleichen Zeit in der Nähe blühte, und wichen so der direkten Konkurrenz mit den Hummeln aus, zum beiderseitigen Vorteil. Ob auch die Schweif-Lanzenrosette damit zufrieden sein kann, ist nicht ganz klar; die Hummeln sorgen für einen – obwohl mäßigen – Samenansatz, aber Kolibris gelten eigentlich als die besseren Bestäuber.
Die Insel Santa Caterina markiert einen der südlichsten Punkte des Areals der Schweif-Lanzenrosette. Sie wächst in großen Teilen der brasilianischen Südostküste von Meeresniveau bis etwa 900 m Höhe im Gebiet der hier ehemals weit verbreiteten Küstenregenwälder als eine von etwa 20.000 Pflanzenarten dieser Region und gehört zu den rund 40% Endemiten, die nirgendwo anders vorkommen (von Botanischen Gärten einmal abgesehen). Die Mata Atlantica, wie der Küstenregenwald auch genannt wird, beherbergt damit allein etwa 8% der globalen Artenvielfalt der Pflanzen. Er ist zugleich einer der am stärksten gefährdeten Brennpunkte der Artenvielfalt weltweit; von Beginn der Kolonisierung an wurde hier Zuckerrohr, später auch Kaffee und andere Tropenfrüchte anstelle der Regenwälder angebaut. Heute kommt noch der Landverbrauch der Städte dazu. 70% von Brasiliens Bevölkerung lebt in dieser Region mit den Megacities Rio de Janeiro und Sao Paulo. Es ist eine offene Frage, wieweit das seit Jahren boomende Schwellenland Brasilien seine wirtschaftliche Entwicklung mit der Erhaltung seiner Naturschätze in Einklang bringen kann. Von der ursprünglichen Fläche der Mata Atlantica sind nur noch wenig mehr als 10% übrig.
Im Unterschied zu etlichen anderen Bromelien gilt die Schweif-Lanzenrosette derzeit aber nicht als gefährdet, vermutlich, weil sie nicht so sehr in unberührten Primär-Regenwäldern, sondern eher am Waldrand und auf Felsen wächst.