Vorbereitung des Auslandsaufenthaltes
Ursprünglich hatte ich gemischte Gefühle bezüglich der Hochschulpartnerschaften der UP. Zum einen sind die Optionen im Vergleich zu größeren und älteren Universitäten etwas begrenzter, gleichzeitig hatte ich dennoch das Gefühl, genug Auswahl zu haben. Somit bin ich letztendlich zu Gasthochschulen gekommen, die mir vorher nie in den Sinn gekommen wären (bzw. von denen ich nicht einmal vorher gehört hatte)! Allgemein gesagt habe ich mich an meinen Präferenzen langehangelt, also für die Sprache sowie Region und, als dies feststand, daraufhin im Vorlesungskatalog der jeweiligen Optionen nach möglichst interessanten Kursen geschaut. Tatsächlich ist mir die Abwägung der Angabe für die 1., 2. und 3. Wahl sogar recht schwer gefallen, weil so viele Hochschulen und Kurse interessant für mich waren! Im Nachhinein betrachtet war dies für mich eine recht gute Strategie, da es auch für die Bewerbung sehr hilfreich ist, schon zu wissen, was man bei seinem Aufenthalt genau machen möchte.
Studium an der Gastuniversität
Erstmal angekommen hatte ich zuächst eineinhalb Wochen Einführung mit vielen Veranstaltungen und vielen Gelegenheiten, um andere Leute kennen zu lernen. Es gab immer sehr viele Aktivitäten und hilfreiche Info-Events sowie Hilfsangebote. Die tatsächliche Einschreibung in Kurse wurde sogar direkt mit Angestellten vom Zulassungsbüro vorgenommen! Über seine Kurswahl sollte man sich allerdings deutlich im Klaren sein! Standard sind vier Kurse für das Fall bzw. Spring Term und obwohl auch fünf Kurse zeitlich machbar wären, würde ich immer wieder lieber bei vier bleiben, um genug Freizeit für den Austausch und andere Aktivitäten zu haben. Neben dem Online-Katalog mit allen wichtigen Infos sowie einer Messe aller Departments erhält man auch einen Academic Advisor, der einem zusätzlich helfen kann. Ich würde auf jeden Fall empfehlen, ein Gespräch rechtzeitig bei dieser Person vor dem Zulassungstag zu vereinbaren. Bei mir war es der Leiter des Psychologie-Departments und sie haben nochmal einen anderen Überblick über ihr Kursangebot. Ich habe durch dieses Gespräch z.B. etwas über einen Kurs erfahren, den ich vorher nicht einmal beachtet hatte und nun hat er mich in Bezug auf meine Berufswahl/-laufbahn am weitesten gebracht. An sich kann man zum Studium bzw. den Fächern sagen, dass sie vom Niveau vergleichbar, vielleicht/vermutlich sogar etwas leichter als Kurse an der UP sind. Der Eindruck hängt allerdings natürlich von der Unterrichtsform und dem Department ab. An sich sind die Klassen am Middlebury College aufgrund seiner geringen Größe deutlich kleiner, mit „großen“ Einführungsvorlesungen mit ca. 30 Studenten und Seminaren mit um die 10 Studenten. Obwohl das Niveau nicht zu hoch ist, ist (fast) jeder Kurs aber sehr leseintensiv! Teils kann man zwar auch das wöchentliche Material nur überfliegen oder priorisieren. Dennoch gibt es in fast jedem Kurs viel Literatur, in Sozialwissenschaftlichen Fächern aber natürlich mehr als in MINT-Kursen. Sogar Transferstudenten von anderen amerikanischen Hochschulen meinten, dass Middlebury besonders viel im Punkt lesen verlange (also noch mehr, als wofür US-Hochschulen ohnehin schon bekannt sind). Der Leistungserwerb ist allgemein deutlich verschult, also mit vielen Prozenten der finalen Note, die für Tests, Essays, Klausuren, Projekte und Mitarbeit gegeben werden. Die finale Prüfung bzw. das Abschlussprojekt zählt eher selten mehr als 30% der finalen Note. Das bedeutet dann auch, dass es ständig Hausaufgaben und weitere Abgaben unter dem Semester gibt.
Kontakt zu einheimischen und internationalen Studierenden
Der Kontakt zu anderen Studierenden fiel selbst mir als eher introvertierte Person sehr leicht. Insbesondere unter den anderen ausländischen Studierenden kann man leicht Kontakte knüpfe, da man am Anfang eine halbe Woche Kennlernveranstaltungen für alle neuen Internationals (Vollzeit- und Austauschstudierende) hat und somit schon einmal ein paar Gesichter kennenlernen kann. Außerdem gibt es im Anschluss eine Orientation Week für alle neuen Studierende, wo man in eine Gruppe mit allen Austausch- und Wechselstudenten kommt. Aber auch zu einheimischen Studierenden erhält man leicht Kontakt über die Betreuer dieser Gruppen, indem man einfach in den Mensen sich zu Leuten setzt, durch die vielen Events und Clubs die ständig stattfinden (holt euch auf jeden Fall die Midd Spark App, um zu sehen was so angeboten wird, geht zur Club Fair und tragt euch bei vielen Clubs ein!) oder einfach bei Events des Deutsch Departments oder des eigenen Wohnheims mitmacht. Es gibt überall viele Stellen, um Leute kennen zu lernen! Ich habe trotz meines kurzen Aufenthalts ein paar meiner besten Freunde überhaupt in der International Community kennengelernt, aber auch sehr viele interessante einheimische Studierende.
Sprachkompetenz vor und nach dem Auslandsaufenthalt
Offiziell hatte ich vor dem Aufenthalt ein UNIcert-Zertifiktat für das C1-Niveau. Wie genau sich mein Englisch objektiv verbessert hat, kann ich bis jetzt noch nicht sagen. Allerdings habe ich während des Aufenthalts viel positives Feedback von einheimischen Studierenden für mein Sprachniveau erhalten. Auch in Bezug auf das Schreiben von Essays und Arbeiten hatte ich keine Probleme (auch wenn einem Professor meine „typisch“ deutschen langen, verschachtelten Sätze aufgefallen sind). Bezüglich des schriftlichen Leseverständnisses und des Schreibens hatte ich vorher schon ausreichend Kompetenzen und konnte nun keine nennenswerte Verbesserung feststellen. Allerdings hat sich mein Hörverstehen nochmals etwas verbessert (ich merke, dass ich z.B. nun Songtexte meist komplett verstehen kann, auch bei nicht klarer Audioqualität) und ich bin definitiv viel selbstbewusster im Sprechen geworden! Zuvor konnte ich zwar auch schon recht gut sprechen, musste allerdings teils überlegen, wie man etwas formulieren könnte. Nun kann ich einfach ohne Probleme losreden, normal schnell (für meine Verhältnisse) reden, Witze und Geschichten natürlich erzählen etc., also in diesem Bereich fühle ich eine deutliche Verbesserung!
Wohn- und Lebenssituation
Am Middlebury College ist der Vorteil, dass alle Studenten tatsächlich auf dem Campus wohnen müssen. Das heißt sogar, dass für uns als Austauschstudierende der UP kostenlos eine Unterkunft in einem der Wohnheime zur Verfügung gestellt wird. Das einzige, was man dazu tun muss, ist irgendwann im Vorbereitungsprozess ein online Formular ausfüllen. Dort gibt man dann etwas über seine Person, Wünsche und Vorlieben an, sodass sie halbwegs gut Personen matchen können. Tatsächlich ist die Wohnsituation relativ angespannt, da gerade genug Zimmer für alle zur Verfügung stehen. Auswahl gibt es also nicht wirklich, und man bekommt eben etwas zugewiesen, was halbwegs passen sollte. Theoretisch kann man zwischen den klassisch amerikanischen Zweibettzimmern, einfachen Einzelzimmern, verschiedenen Suites und speziellen Unterkünften wählen. Effektiv wird man als Austauschstudent, die bereits in höheren Semestern sind, in Wohnheimen für Juniors/Seniors landen, die eigentlich nur Einzelzimmer oder Suites haben. Ich persönlich bin in einer „unkonventionellen“ Doppel-Suite gelandet mit einem anderen Austauschstudenten als Mitbewohner. Badezimmer und Duschen wurden mit dem Flur geteilt und jeder hatte sein eigenes Zimmer, aber er musste durch mein Zimmer laufen, um auf den Flur zu kommen. Eine Küche gab es im Common Room des Hauses. Normalerweise hätte eine Suite meines Wissens nach eine eigene Küche und eine eigenes Bad. Wenn man zwei Semester am College ist, könnte man auch versuchen, nach dem ersten Semester in eines der Language Houses zum jeweiligen Sprachelernen oder in ein Social House (in etwa wie eine Fraternity, diese wurden jedoch offiziell verboten, es ist aber ein eigenständiges Haus, oft mit speziellem Fokus/Thema) zu ziehen. Bezüglich der Freizeitangebote ist die Situation vermutlich ein zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite gibt es aufgrund der ländlichen Situation im Vergleich zur Großstadt allgemein relativ wenige Dinge zu unternehmen. Andererseits hatte ich tatsächlich nie das Gefühl, dass es langweilig wurde! Wie bereits erwähnt gibt es eine Vielzahl von Clubs für die unterschiedlichsten Interessen und ich würde jedem auch ans Herz legen, einfach mal Dinge auszuprobieren! Die meisten Clubs setzen kein wirkliches Engagement voraus und sind auch gewohnt, dass wenige Leute von ihrer Mailingsliste tatsächlich immer zu Events kommen. Wer auf feiern steht, hat die Möglichkeit, bei Events der Social Houses dabei zu sein oder sich sogar dort zu engagieren! Ein Freund hatte z.B. seine eigene Techno-Party in Kooperation mit einem dieser Häuser zusammen geplant. Auch solange man eine gute Freundesgruppe und Kontakte hat, findet man immer etwas zu tun, genauso, wenn man mal auf Midd Spark (App) oder Midd Presence (Internetseite) schaut. Ab und zu gibt es auch vom Arts Center Konzerte angeboten, es gibt Möglichkeiten, sich sozial im Ort zu engagieren und natürlich allerlei Outdoor-Aktivitäten! Oh, und auch die Sprach-Departements (also auch das Deutschhaus) machen viele spaßige und interessante Events, bei denen es sich auf jeden Fall lohnt, mal vorbeizuschauen. Ich war mit meiner Freizeit immer sehr zufrieden, obwohl ich nicht einmal alle Angebote voll genutzt habe und hatte eher das Gefühl, dass es zu viel zu tun gab! Aufgrund der Tatsache, dass Unterkunft und Mensa für Austauschstudierende der UP kostenlos sind, braucht man nahezu nichts auszugeben, wenn man möchte. An sich sind Nahrungsmittel und v.a. eher Gesundes merklich teurer in den USA, aber die Mensen bieten immer verschiedene Gerichte an, auch für Menschen, die auf bestimmte Ernährungsaspekte achten bzw. achten müssen (es gibt auf jeden Fall vegetarische, vegane, glutenfreie und laktosefreie Nahrungsmittel im Angebot). Auch aufgrund des bereits vielfältigen Freizeitangebots muss man kaum Geld ausgeben. Wer allerdings möchte, kann natürlich auch auswärts essen, selber kochen sowie Trips ins Umland und Städte (v.a. in den Ferien) unternehmen! Es ist also jedem selbst überlassen, wieviel man ausgeben möchte, aufgrund der Situation geht es aber auch sehr kostengünstig. Evtl. muss man anfangs noch etwas Geld für Lehrbücher einplanen, allerdings bin ich auch das Semester ausgekommen, ohne mir eins zu kaufen.
Studienfach: Psychologie (B.Sc.)
Aufenthaltsdauer: 09/2022 - 12/2022
Gastuniversität: Middlebury College
Gastland: USA
Rückblick
Im Sommer vor meinem Aufenthalt war ich tatsächlich etwas skeptisch, ob es sich für mich überhaupt noch lohnen würde, da sich seit meiner Bewerbung einige Karriereziele bereits verändert hatten. Letztendlich war es allerdings die beste Zeit meines Studiums bisher! Ich wäre gern länger dort geblieben und kann euch auch nur empfehlen, direkt zwei Semester zu machen, v.a., wenn ihr auch Kurse anerkannt bekommen könnt! Selbst wenn nicht, kann man dort viele interessante Kontakte knüpfen, viele Angebote zum Kompetenzerwerb und einfach zum Spaß mitmachen, Kurse einfach mal aus Interesse und nicht zum Leistungserwerb belegen und mit dem gesamten Umfeld einfach persönlich weiterkommen. Ich bereue es ziemlich, dass ich mich für keinen Aufenthalt über das gesamte Jahr entschieden habe und später auch nicht verlängern konnte. (Achso, kleiner Tipp, das J-Term darf man nicht mitmachen, wenn man nur für das Herbstsemester eingeschrieben ist. Also entweder nur Herbstsemester oder das ganze akademische Jahr sind meines Wissens nach möglich!) Persönlich werde ich die Spiele- und Karaokeabende mit meinen Freunden, die Trips nach New York, Washington und Chicago, das Thanksgiving bei einer amerikanischen Freundin, meine spannenden Kurse, die vielen interessanten Personen sowie Gespräche und so viel mehr nie vergessen! (Ich weiß, etwas kitschig, aber besonders nach vier „Coronasemestern“ hier in Deutschland war mein Aufenthalt dort für mich das ideale Studentenleben…) All das stellt aber eher einen Ausschnitt aus meinen Erfahrungen dar, also falls ihr weiteres Interesse habt: gern beim International Office nach meinen Kontaktdaten fragen!