Vorbereitung des Auslandsaufenthaltes
Für mich stand schon seit Beginn meines Studiums fest, dass ich gerne ein Auslandssemester im spanischsprachigen Raum machen möchte. Da meine Fakultät nur eine kleine Auswahl an Partneruniversitäten zur Auswahl bot, entschied ich mich für Madrid. Ich bin vorher zwar schon in Spanien, aber noch nie in Madrid gewesen und war deshalb sehr gespannt, was mich erwarten würde. So viel schonmal vorne weg, ich kann jedem, der mit dem Gedanken spielt nach Madrid zu gehen nur empfehlen, dies auch zu tun. Bevor es nun aber losging, stand noch einiges an organisatorischen Dingen an. Zunächst bewarb ich mich fast ein Jahr im Voraus in der Bewerbungsrunde für Erasmus-Studienplätze für einen Platz an einem der Partnerinstitute der EMW. Den genauen Zeitraum hierfür fand ich auf der Website meines Studienganges. Kurze Zeit später erhielt ich schon die positive Nachricht, dass ich von meinem Erasmuskoordinator für einen Studienplatz an der Complutense in Madrid nominiert bin, was aber noch nicht gleich bedeutet, dass man angenommen ist, da zunächst auch die spanische Uni ihr Go geben muss. Das bedeutete, ich musste mich nochmal separat an der spanischen Uni bewerben. Hierfür musste ich ein online Bewerbungsformular ausfüllen, für das ich neben einem Learning Agreement, Transkript of Records auch schon meinen Sprachnachweis auf einem B2 Niveau einreichen musste. Die anschließende Annahme gestaltete sich als gar nicht so einfach, da ich zwar an der Universität Potsdam drei Spanischkurse besucht und damit auf das Niveau B2 eingestuft wurde, die Uni jedoch einen speziellen Nachweis in Form eines DELE oder SIELE Zertifikates forderte. Nach langem Hin und Her klappte es schlussendlich doch, sodass ich wenige Wochen vor Abflug meine Zusage erhielt. Ich kann nur empfehlen vorher nicht nur zu schauen, welches Sprachniveau gefordert wird, sondern auch, ob bestimmte Zertifikate oder Sprachtest benötigt werden. Im Laufe des Bewerbungsprozesses gab es zwei Infoveranstaltungen des International Office, die ich in jedem Fall empfehlen würde. Zudem sollte man sich bei Fragen am besten direkt an seine Ansprechpartner vor Ort wenden. Auch die Gasthochschule war stets gewillt zu helfen und beantwortete meine Fragen per E-Mail. Falls man jedoch bestimmte Unterschriften wie für das Learning Agreement benötigt, kann dies eine Weile dauern, was man unbedingt berücksichtigen sollte.
Studium an der Gastuniversität
Das Studiensystem in Spanien ist viel verschulter als das in Deutschland. Hier sind die Studierenden in Klassen eingeteilt, die fast alle Kurse gemeinsam nach einem fest vorgeschriebenen Stundenplan besuchen. Neben den Pflichtkursen gibt es aber auch einige Wahlkurse, die man als spanischer Student frei wählen kann. Die Lehre erfolgt oft in Form von Frontalunterricht, bei der man von Lehrenden dazu aufgefordert wird, viel mitzuschreiben und zuzuhören und somit eher wenig Raum für Diskussionen lässt. Jeden Kurs hat man an zwei Tagen die Woche für jeweils zwei Stunden, sodass ein Kurs am Ende 6 LP bringt. Generell ist hier zu sagen, dass man für die Leistungspunkte oft viel Arbeit investieren muss, neben Zwischen- und Abschlussprüfungen müssen hier noch Gruppenarbeiten, Vorträge und Aufsätze geschrieben werden. Aufgrund des hohen Leistungspensums halte ich 30 LP hier für schwer machbar. Am Anfang hatten wir die Option, uns in alle Lehrveranstaltungen zu setzten, um so zu entscheiden, welche Kurse wir belegen wollte. Das machte die erste Woche sehr stressig, da zunächst schwer einzusehen war, wann und wo welche Kurse stattfanden. Wenn man sich für einen Kurs entschied, brauchte man von jedem einzelnen Dozenten eine Unterschrift. Ich entschied mich recht schnell für meine Kurse, weil ich das Ganze gerne hinter mir haben wollte, um so entspannt ins Semester starten zu können. Im Nachhinein wünschte ich mir, dass ich mir bei der Kurswahl noch etwas mehr Zeit gegeben hätte und mich vorher in noch mehr Kurse hineingesetzt hätte. Trotzdem war ich am Ende zufrieden mit meiner Wahl. So entschied ich mich zunächst für diese fünf Kurse, von denen ich im weiteren Verlauf 3 regelmäßig besuchte und dort auch die Prüfungen und Aufgaben absolvierte:
Sociología : Die zu behandelten Themengebiete fand ich sehr interessant und der Dozent wirkte sehr freundlich, weshalb ich mich zu Beginn für diesen Kurs entschied. Da ich jedoch aufgrund anderer Kurse die ersten zwei Sitzungen verpasst hatte, hatten sich bereits Gruppen für kommende Vorträge gebildet. Auch die Art und Weise der Wissensvermittlung in Form eines langen monoton vorgetragenen Vortages des Dozenten konnte mich nicht überzeugen, weshalb ich mich dafür entschied, den Kurs nach wenigen Wochen abzubrechen.
Narrativa audiovisual: Auch hier sprachen mich die Kursinhalte sehr an, da es um das audiovisuelle Erzählen und den Aufbau von guten Storys ging. Ziel war es neben einigen schriftlichen Arbeiten und einer Abschlussprüfung einen Kurzfilm zu drehen. Der Dozent war ein ehemaliger Filmproduzent und machte schon zu Beginn deutlich, dass er einen Wettkampf und Konkurrenz unter den Studierenden sehr willkommen hieß, sodass er dem besten Filmprojekt, egal wie gut oder schlecht es war, die volle Punktzahl geben wollte. Da ich kein Fan von solchen Konkurrenz und Drucksituationen bin und der Dozent nicht sonderlich begeistert schien, Erasmusstudenten in seinem Kurs zu haben, entschied ich mich gegen diesen Kurs.
Creación y diseño digital multimedia: Wie der Name schon andeutet, erlernt man in diesem Kurs die Grundlagen des Grafikdesigns. Dafür ist der Kurs in einen praktischen und einen theoretischen Teil geteilt. In der Theorie lernt man alles über
die Geschichte des Multimedia Designs, Grundlagen von Gestaltung, Typografie, Farbe und Projektarbeit. Der praktische Kurs erfolgte einmal die Woche in einem Computerraum, hier wurden vor allem die Programme der Adobe Creative Cloud erlernt. Zum Abschluss muss man in Gruppenarbeit ein Multimedia Projekt für eine bereits vorhandene Marke erstellen und dieses am Ende in Form einer Präsentation vorstellen. Zudem gibt es eine Abschlussprüfung in Form von multiple Choice Fragen. Die Dozentin war sehr freundlich und hatte kein Problem, Dinge auch mal zweimal zu erklären, wenn man sie nicht sofort verstanden hat. Auch wenn ich den Theorieunterricht nicht sonderlich spannend fand, hat mir der praktische Teil umso mehr Spaß gemacht.
Marketing aplicado a la publicidad: In diesem Kurs werden die Grundlagen des Marketings behandelt. Der Dozent war zwar streng, hat den Unterricht jedoch sehr abwechslungsreich und interessant gestaltet, sodass ich gut folgen konnte. Hätte ich jedoch gewusst, was für Anforderungen er stellt, weiß ich nicht, ob ich diesen Kurs nochmal gewählt hätte. Neben kleineren Aufgaben sollten wir innerhalb von 9 Tagen eine komplette Marketinganalyse schreiben (ca. 20–40 Seiten), obwohl wir dies vorher noch nie getan hatten. Auch die Abschlussprüfung erschien mir sehr schwer, da so gut wie keine Dinge abgefragt wurden, die wir vorher konkret behandelt haben. Zudem durfte ich kein Wörterbuch verwenden, sodass ich Probleme hatte, einige Fragestellungen überhaupt zu verstehen. Dennoch konnte ich einiges aus diesem Kurs für mich mitnehmen und fand ihn sehr interessant.
Movimientos artísticos contemporáneos: Dieser Kurs gehörte eindeutig zu meinen Favoriten. Man hat der Dozentin ihre Leidenschaft für Kunst förmlich angemerkt, sodass es Spaß gemacht hat ihr zuzuhören. Zudem gab es immer wieder gemeinsame Besuche in verschiedene Ausstellungen. So war zum Beispiel eine Aufgabe einen Bericht über eine selbst ausgewählte temporäre Ausstellung in Madrid zu schreiben, was viel Spaß gemacht hat, da man sein erlerntes Wissen direkt praktisch anwenden konnte. Die Prüfung bestand daraus, 8 Kunstwerke zu kommentieren und dabei auf ihren Autor, die Kunstepoche und Stil einzugehen. Da man hier in kürzester Zeit etwas längere Texte schreiben musste und neben allen Kunstströmungen und Künstlern auch den Namen der Werke kennen musste, hatte ich vor dieser Prüfung am meisten Respekt.
Da ich nebenbei auch noch einen von der Uni angebotenen Spanischsprachkurs belegte, der dreimal die Woche stattfand, merkte ich schnell, dass fünf Kurse viel zu viel waren. Deshalb entschied ich mich, die Zahl auf drei zu reduzieren und denke dass, auch wenn die Kurse in Spanien einen großen Arbeitsaufwand haben, sie zeittechnisch gut machbar waren.
Kontakt zu einheimischen und internationalen Studierenden
Der Kontakt zu einheimischen Studenten gestaltete sich schwieriger als gedacht, da die Spanier oft schon ihre Grüppchen haben. Während ich mich in einem Kurs nicht sonderlich willkommen gefühlt habe, gab es andere Kurse, wo Studenten auch auf mich zugekommen sind und gefragt haben, ob ich Teil ihrer Gruppe sein will. Auch bei Nachfragen zum Unterricht oder anderen Dingen waren sie immer hilfsbereit und freundlich, auch wenn es letztendlich nicht wirklich über den Unikontext hinausgegangen ist. Der Kontakt zu ausländischen Studierenden hingegen ist sehr schnell geknüpft, so lernt man während der Einführungsveranstaltungen schon viele Leute kennen und auch mit meinen WG-Mitbewohnern habe ich mich sehr gut verstanden. Generell kann ich empfehlen, besonders zu Beginn an den vielen Events des ESN teilzunehmen, um schnell neue Leute kennenzulernen.
Wohn- und Lebenssituation
Meine Unterkunft habe ich durch die Empfehlung eines Bekannten, der ein Semester vor mir in Madrid war, über die Agentur Aluni.net gefunden. Hier zahlt man in Vergleich zu anderen Agenturen nur eine Reservierungsgebühr von 153 € und eine Kaution in Höhe einer Miete. Auf der Website konnte man neben Fotos auch Videos der Wohnungen sehen und so nochmal einen viel besseren Eindruck der Wohnung gewinnen. Da ich nur wenige Tage vor Unibeginn anreiste, wollte ich meine Wohnung gerne schon von Deutschland aus sicher haben, deswegen war die Agentur eine gute Wahl. Ich denke aber, wenn man etwas mehr Zeit hat, kann man auch auf Seiten wie Idealista und Facebook nach WG-Zimmern schauen und sich diese dann vor Ort ansehen. Generell sollte man sich auf ähnlich hohe Mietpreise wie in Potsdam und Berlin einstellen. So sind 500 € für ein kleines Zimmer keine Seltenheit. Auch die Wohnungsstandards sind etwas geringer als in Deutschland, sodass die vermieteten Wohnungen oft schon sehr alt und runtergewohnt sind. Ich habe mich schlussendlich für eine 4er WG im Stadtteil La Latina entschieden und war damit sehr zufrieden. Für mein kleines Zimmer zahlte ich 375 € kalt. La Latina liegt auf der anderen Seite des Flusses und gehört so nicht mehr zum Altstadtkern, sondern dient als Wohnviertel für Familien und ältere Menschen. Mit der Metro bis in die Altstadt und zu Uni waren es circa 20 min. In der Nähe des Viertels gibt es den größten Erholungspark in Madrid, den Casa del Campo. Besonders als die Temperaturen stiegen war es schön hier spazieren zu gehen und sich ans Wasser zu setzten. Generell sind aber die Stadtteile Lavapies, La Latina, Chueca und Malasaña die beliebtesten Wohnviertel für Studierende. Hier befindet sich eigentlich alles in Laufnähe – ob Geschäfte, Supermärkte, Bars, Clubs und Restaurants. Wer aber nicht so ein hohes Wohnbudget hat, sollte sich ruhig ein bisschen abseits des Altstadtkerns umschauen. Wichtig ist hier nur auf eine gute Anbindung zu achten. Für öffentliche Verkehrsmittel empfiehlt sich generell die trajeta transporte público für junge Leute bis 25. Diese am besten schon vorher online beantragen oder frühzeitig in einem der Büros einen Termin machen, um die längeren Wartezeiten zu Beginn zu umgehen. Die Karte kostet einmalig 20 € und dann zahlt man jeden Monat 8 € und kann das gesamte Bus- und Metronetz nutzen. Die Lebenshaltungskosten sind in Madrid ähnlich wie Deutschland. Lebensmittel kosten ähnlich viel und auch wenn man essen geht, unterscheidet sich der Preis nicht großartig. Das besondere in Madrid waren viele kleine Obst- und Gemüseläden, in denen man Obst und Gemüse deutlich günstiger als in Supermärkten erwerben konnte. Die Stadt bietet zudem ein großes Freizeitangebot. Es gibt viele schöne Parks und Grünanlagen und auch die Kunst- und Kulturszene ist sehr vielfältig. Die Museen bieten oft vergünstigte Preise oder sind sogar kostenlos für Studenten. Wenn man mal genug vom Stadttrubel hat, kann man sich einfach in die Bahn setzten und in die Sierra de Madrid fahren, um dort eine runde die Natur zu genießen und wandern zu gehen. Generell ist Madrid der perfekte Ausgangspunkt für verschiedene Trips in andere spanische Städte, die man oft günstig erreichen kann. So gibt es eine direkte Zugverbindung nach Barcelona, Valencia und Sevilla. Auch in weiterer Umgebung liegende Orte wie Toledo und Alcalá de Henares sind sehr zu empfehlen.
Studienfach: Europäische Medienwissenschaft
Aufenthaltsdauer: 01/2023 - 06/2023
Gastuniversität:Universidad Complutense de Madrid
Gastland:Spanien
Rückblick
Rückblickend muss ich sagen, dass ich froh bin, mich für ein Auslandssemester in Madrid entschieden zu haben. Neben neuem spanischen Vokabular kehre ich mit vielen schönen Erinnerungen und neugewonnenen Freunden nach Hause zurück. Nachfolgenden Studenten würde ich empfehlen, sich unitechnisch nicht zu viel vorzunehmen und sich lieber auf ein paar Kurse zu fokussieren als am Ende in Stress zu versinken. Auch wenn das Studium im Ausland der Hauptfokus ist, sollte man nicht vergessen, dass man auch hier ist, um Madrid und die spanische Kultur kennenzulernen. Auch wenn man am Anfang denkt, man hat noch so viel Zeit, sollte man nicht unterschätzen, wie schnell diese dann doch vorbei ist und deshalb möglichst viele Erlebnisse und spontane Ausflüge mitnehmen.