Vorbereitung des Auslandsaufenthaltes
Die Entscheidung und Bewerbung für das Erasmussemester ging sehr schnell und einfach. Ich wusste bereits durch die aller erste Einführungsveranstaltung, dass die Universität Potsdam eine Erasmuspartnerschaft mit Madrid für Philosophie anbietet. Die zuständige Koordinatorin war leicht über eine Google-Suche zu finden und hat sehr schnell geantwortet, dass ich sogar die Voraussetzungen erfülle und schon für das übernächste Semester mich bewerben könne. Die Unterlagen hat sie geschickt und der erste Schritt war schnell getan. Nachdem alles eingereicht wurde, hatte sich – glaube ich – die Gastuniversität sogar bei mir direkt gemeldet und für die Immatrikulation an der Universität gab es einen Link, sowie diverse Erläuterungen. Es muss aber ehrlich gesagt werden, dass die Infos der Uni Madrid immer recht spät kamen und mich dies auch ein wenig verrückt gemacht hat in der Vorbereitung. Es waren aber alle nötigen Informationen gegeben. Die Unterlagen konnten dann online über ein Portal hochgeladen werden und alles war wirklich sehr einfach, die Internetseite konnte sogar auf Deutsch gestellt werden.
Studium an der Gastuniversität
Die Kurse an der Universität in Madrid waren ganz anders aufgebaut. Ich hatte vor Ort mein Learning Agreement fast komplett ändern müssen, weil ich aus Versehen nur Kurse aus dem WiSe angegeben hatte, aber das ging alles dort problemlos und ich bekam wieder einen Zettel mit Links und mir wurde erklärt, worauf ich achten muss. Anders als in Deutschland bringt jeder Kurs sechs ECTS Punkte und eine Note. Dafür ist der Kurs zweimal die Woche, immer an aufeinanderfolgenden Tagen. Die Unterrichtszeit ist jedes Mal volle 2 Stunden, wobei je nach Dozent*in auf Zeit zum Raumwechseln geachtet wird, da es keine offiziellen Pausen gibt. Zusätzlich sind zwei Stunden zur Vorbereitung eingeplant, die auch wirklich notwendig waren, da wir für jeden Kurs pro Woche 20-80 Seiten lesen mussten. Die Anforderungen habe ich in Vergleich zu Deutschland als sehr viel zeitaufwendiger empfunden und daher habe ich auch nicht alles geschafft, das ich mir vorgenommen hatte. Die Leistungsnachweise waren bei jedem Kurs anders, aber immer mehrere Prüfungen (zwei bis drei), dazu gehörten Essays, Klausuren und Präsentationen. Ich fand die Prüfungen nicht einfach, aber anhand des Unterrichts auf jeden Fall machbar. Die Uni hatte ein angenehmes Klima, das sich locker und offen zeigte. Jede Fakultät hat mindestens eine eigene Bibliothek und eine eigene Cafeteria, in der es wirklich alles gab, was man zu Essen oder Trinken brauchte und alles zu günstigen Preisen, es gab sogar Bier von Fass. Ich hatte durch das Buddy-Programm eine Studentin, die sich auch direkt gemeldet hat. Wir haben uns aber nur einmal gesehen, sie war sehr nett und hilfsbereit, allerdings hatte sie sehr viele andere Schützlinge und es verlief sich schnell. Die Dozent*innen waren alle sehr nett und hilfsbereit. Die Räume hatten genügend Platz für Abstand (Corona) und waren angemessen ausgestattet und die Bibliothek und Cafeteria waren immer offen, wenn ich da war, eine Bibliothek hat sogar zu Prüfungszeiten dauerhaft geöffnet. Generell war das Studieren vor Ort sehr einfach gestrickt. Leider hatten wir kaum Dozent*innen mit begleitenden Materialien, wie z.B. Power Point-Präsentationen, weshalb man durch die Maskenpflicht in den spanischen Kursen wirklich nahezu gar nicht folgen konnte. Netterweise bekamen wir, wenn möglich, die Texte oft auf Spanisch und Englisch und so war es möglich, in einigen Kursen trotzdem zu folgen, aber der Aufwand war sehr groß und es gab Tage, da habe ich gar nichts verstanden.
Kontakt zu einheimischen und internationalen Studierenden
Der Kontakt zu anderen Erasmus-Student*innen war schnell da und teilweise waren wir in Kursen auch nur Ausländer*innen. In dem ganzen halben Jahr habe ich nur einen Einheimischen wirklich kennengelernt, was schade ist, aber er ist ein cooler Typ, deswegen kann ich damit leben. Wir waren viele Erasmus-Studenten und generell gab es viele Leute aus dem Ausland in Madrid und daher hat es sich ein wenig wie eine Blase angefühlt, in der man stetig war. Am allerletzten Tag hatte ich mit einem weiteren Spanier aus einem Kurs gesprochen und wir hatten dann gemeinsam mit anderen aus Deutschland und Spanien nochmal ein Bier getrunken und geredet, aber leider hatte es scheinbar ein halbes Jahr gebraucht dafür und dann ging ich auch schon weg ein paar Tage danach.
Sprachkompetenz vor und nach dem Auslandsaufenthalt
Ich würde schon sagen, dass mein Spanisch sich verbessert hat im Ausland. Ich hatte zeitgleich noch einen Online-Spanischkurs an der Uni Potsdam beendet und es reichte aus für meinen Aufenthalt. Leider kam die Information zum Sprachkurs an der Uni in Madrid viel zu spät und nach der Kurswahl, daher war dafür keine Zeit mehr. Es blieben aber Alltagsfloskeln schnell hängen. Für den Unterricht würde ich aber mehr als nur B1 empfehlen, da die Spanier doch sehr schnell reden. Heute bin ich stolz, dass ich überhaupt bei dem Tempo mitkomme, aber für die Uni war mein Spanisch denke ich eigentlich schon zu schlecht.
Wohn- und Lebenssituation
Meine Wohnung habe ich ca. einen Monat vor meinem Aufenthalt gebucht. Ich hatte durch eine Agentur gesucht, die ich erst selbst gefunden hatte, aber dann auch durch eine Mail der Uni in Madrid genannt bekam. Es war teuer, aber dafür eine sichere Sache. Ich musste für den Vertrag allein schon 120€ zahlen. Es war unkompliziert, allerdings habe ich sehr viel Miete gezahlt (pro 30 Tage 580€ warm) dafür, dass alles in sehr günstiger Ausstattung war und ich schlussendlich meine Kaution nicht wiederbekam, weil ich früher rauswollte (trotz Ankündigung drei Monate vorher). Meine Mitbewohnerinnen waren dafür fantastisch und kamen aus Japan, Kolumbien und Griechenland. Mit einer habe ich ganz sicher auch eine Freundin fürs Leben gefunden. Die Öffi’s in Madrid sind tagsüber der Hammer, weil man überall mit der U-Bahn hinkommt. Der innere Stadtteil und die Zone drumherum kosten für unter 26-jährige nur 20 Euro im Monat, wenn man sich eine Abo-Karte machen lässt. Man zahlt monatlich am Automaten, also ist auch kein Vertrag oder sonstiges nötig. Nachts fahren leider nur Busse, was für mich als Berlinerin ein Drama war, allerdings sind die Getränke so günstig, dass man auch um eins schon „müde“ genug ist, um die letzte Bahn zu nehmen. Ich habe mir kein Bankkonto in Spanien gemacht. Die Miete habe ich immer selbst überwiesen, um Gebühren zu umgehen und zum Geldabheben gab es zum einen meine eine Bank vor Ort und zum anderen auch die Deutsche Bank, wo man immer mit einer Deutschen Bankkarte kostenlos abheben konnte. Es war also alles gar kein Problem. Lebensmittel und Co. waren tendenziell ein bisschen teurer, vor allem Marken-Produkte und Kosmetikartikel. Durch das Geld von Erasmus und BAföG war es allerdings kein großes Ding. Essen und Trinken in Bars ist dafür supergünstig in Spanien und vor allem in Madrid gibt es immer kostenlos Tapas zu Drinks. Es gab viele Freizeitangebote von der Uni, vom Erasmus-Student-Network und sogar von meiner Hausverwaltung. Es ist halt eine Großstadt. Rückblickend war es wirklich eine Erfahrung, die ich nicht bereue. Ein halbes Jahr mal woanders zu leben und einen Alltag neu zu entwickeln, eine andere Stadt kennenzulernen als Heimat, sind wirklich schöne Erfahrungen. Ich werde mich immer in Madrid zu Hause fühlen. Ich würde es vielleicht eher im Rahmen eines Praktikums oder Praxissemesters empfehlen, weil ich mit meinen Sprachkenntnissen leider viel weniger verstanden habe, als mir lieb gewesen wäre. Und auch der Moment, in dem ich erfahren habe, dass meine Prüfungen und Noten von dort nicht in Potsdam anerkannt werden, sondern nur das Bestehen der Kurse, war ein Schlag. Ich würde allen direkt mit dem ersten Schritt empfehlen sich zu informieren, was passiert, wenn die Prüfungsformen anders sind als sie in Potsdam wären und es sich bescheinigen zu lassen, wenn dies kein Problem sein soll. Es ist kein schönes Gefühl, Prüfungen in einer Fremdsprache zu absolvieren, in dem Wissen, dass man sie zwar fürs Erasmus braucht, aber sie nicht ins Studium zählen. Ich weiß heute nicht, ob ich bei dem Wissen darüber nicht anders entschieden hätte, auch wenn ich froh bin, dass ich in Madrid war. Zum Thema Kulturschock ist es wirklich wahr, dass einen das nach der Anfangszeit total aus der Bahn werfen kann. Mir hat es in dieser Zeit sehr geholfen, meine Ansprüche ans Erasmus herunterzuschrauben und einen Rückflug zu buchen. Ich habe in der Zeit rückblickend trotzdem viele gute Erfahrung gemacht und Freunde gewonnen und die Zeit verflog. Am Ende war’s nicht leicht zu gehen.
Studienfach: Philosophie
Aufenthaltsdauer: 01/2022 - 06/2022
Gastuniversität: Universidad Complutense de Madrid
Gastland:Spanien
Rückblick
Es lohnt sich sehr, einmal in Spanien ins Stadion zu gehen oder ein Spiel in einer Bar zu sehen, selbst als Nicht-Fußballfan war es ein großartiges Erlebnis. Ansonsten kann man von Madrid aus fabelhaft reisen mit der Bahn (Renfe). Es ist im Vergleich zu Deutschland sehr günstig und es gibt viele Züge zu schönen Orten. Meine persönliche Empfehlung wäre einmal nach Cádiz zu fahren und generell auch mal allein Urlaub zu machen.