Vorbereitung des Auslandsaufenthaltes
Eigentlich sind die bürokratischen Vorbereitungen nicht so aufwendig hinsichtlich der Zeit, die man hat, um sich auf den Auslandsaufenthalt vorzubereiten nach der Zusage vom International Office. Es ist nur ein bisschen schwierig den Überblick zu behalten, jede Behörde/Universität hat ihr eigenes Tempo, deshalb ist es sinnvoll, sich frühzeitig um alles zu kümmern, auch wenn man oft auf Rückmeldung warten muss. Gerade in Spanien, bzw. an meiner Gastuniversität ist das Timing wesentlich knapper, das hat mich manchmal gestresst. Doch die UAM ist gut organisiert und scheint viel Erfahrung mit Studierendenaustausch zu haben und erklärt dir in den E-Mails Schritt für Schritt was zu tun ist.
Es wird nicht nach deinem Sprachniveau gefragt, da die Gastuniversität davon ausgeht, dass du ausreichende Sprachkenntnisse hast, um an den Veranstaltungen teilzunehmen. Da es an der UAM beinahe ausschließlich spanischsprachige Veranstaltungen gibt, ist mind. ein B1 in Spanisch zu empfehlen. Die UAM verlangt keine weiteren Bewerbungsunterlagen als zur bürokratischen Organisation nötig. Als international studierende Person muss man Recht bald, ich glaube es war Juni/Juli, eine sogenannte „Prematrícula“ durchführen, sich also schon für die Fächer einschreiben, die man belegen möchte. WICHTIG: Wer zuerst kommt, malt zuerst. Es gibt ein Zeitfenster von circa 5 Tagen, um die Prematrícula zu absolvieren. Um alle Wunschfächer belegen zu können ist es ratsam, sich direkt nach Freischaltung der Plattform einzuwählen. Für das Auslandssemester habe ich mich beurlauben lassen, die erlangten ECTs können trotzdem angerechnet werden. Das Semestergebühren in Deutschland musste ich so nicht bezahlen. Aber das International Office der Universität Potsdam klärt dich diesbezüglich in den Infoveranstaltungen auf. Du solltest unbedingt alle besuchen, oder sie zumindest nacharbeiten bzw. jemanden bitten, dir zu berichten. Alles in allem: Setz dich nicht unnötig unter Druck, in der Regel klappt alles und es gibt viel Unterstützung. Allerdings ist ein wenig Engagement gefragt, um die Fäden nicht aus der Hand zu verlieren.
Studium an der Gastuniversität
Mir hat das Studieren an der Autónoma sehr viel Spaß gemacht. Durch Gespräche mit anderen Erasmusstudierenden weiß ich aber, dass die Erfahrungen differieren. Ich war an der Facultad Filosofía y Letrasund habe Veranstaltungen im Fachbereich Anthropologie und Internationale Beziehungen belegt. Abgesehen vom Fachbereich kommt es sicherlich auch auf das Studienjahr an, dem das Fach angehört. Zwei von drei Fächern waren aus dem 4. Studienjahr laut Lehrplan, das legt natürlich nahe, dass die Inhalte spezifischer und häufig interessanter sind, wie bei uns im Vertiefungsstudium. Es handelte sich um Wahlpflichtfächer. Folglich würde ich raten, auf den Lehrplänen nach „asignaturas optativas“ Ausschau zu halten. Ich wurde ausschließlich von Frauen mittleren Alters unterrichtet. Die Dozentinnen hatten eine außerordentliche Expertise und schienen für ihr Fach zu brennen. Die Anforderungen empfand ich als hoch, nicht zuletzt durch das Prinzip der kontinuierlichen Bewertung, welches an den meisten Universitäten in Spanien Anwendung findet. Das Lesen der Texte wurde immer mit einem Test oder obligatorischen Kommentar überprüft. In einem Fach wurden 3 Lektürekontrollen während des Semesters geschrieben, eine bezog sich jeweils auf 4 Texte. In einem anderen mussten 3 Reseñas, zu Deutsch: eine Art Revue, Kritik, Zusammenfassung im Umfang von ca. 2000 Wörtern, zu der Pflichtlektüre geschrieben werden. Im dritten Fach mussten wir wöchentlich in Gruppenarbeit eine Präsentation oder ähnliches vorbereiten, welche im Seminar vorgestellt und bewertet wurde. Außerdem herrscht Anwesenheitspflicht. Um ein Fach zu bestehen, muss man mindestens bei 75% der Veranstaltungen präsent gewesen sein. Es wird deutlich, dass das Studiensystem mehr an Schule erinnert als an deutschen Universitäten üblich ist. Wenn mich nicht alles täuscht, fließt sogar die Mitarbeit in den Seminaren in die Endbewertung ein. Auch die Studierenden gehen nicht selten als geschlossene Gruppe durchs Studium, ähnlich wie Klassen in der Schule. Nicht alle Dozierenden nehmen Rücksicht auf die Sprachbarriere und bewerten dich wie jede andere studierende Person. In jedem Fall musst du das gleiche leisten wie die einheimischen Studierenden. Ich finde, dass es durch den Mehraufwand, verursacht durch die Sprachbarriere, nicht möglich ist, 30 ECT zu erreichen. Ich war mit 3 Fächern (18 ECT) ausgelastet. Der Campus der UAM erinnert an ein amerikanisches College. Es ist wie ein kleines Dorf und jede Fakultät samt Cafeteria hat ihren eigenen Ruf. In der Cafeteria des Polideportivo (Sportfakultät)gibt es billig Burger und Pommes und am Freitagnachmittag wird Bier in Eimern mit Eis verkauft. In der großen Mensa am Plaza Mayor ist das Essen teurer und schmeckt auch nicht so gut. Meine Lieblingscafeteria war die der Facultad Filosofía y Letras. Dort gibt es mittags für 8€ ein leckeres 3-Gänge Menü. Das kann man sich leider nicht jeden Tag leisten. Viele Studis bringen sich ihr Mittagessen in einer Tupperdose mit. Gerade als vegan essende Person ist es schwierig etwas zu finden, was der Lebensweise entspricht. Insgesamt lädt der Campus zum Verweilen ein, gerade in den warmen Jahreszeiten. Er ist sehr grün und es gibt viele Bänke, die zu einer Pause einladen. Die Gebäude, in denen ich mich aufgehalten habe, sind nicht besonders ansehnlich, sie gleichen Containerbauten. Ich habe jedoch gehört, dass die Juristische Fakultät recht eindrucksvoll sein soll. Der Campus liegt etwas außerhalb der Stadt, ist aber mit den Cercanías (Regionalbahn) gut zu erreichen. Die Bahnen fahren alle 10 Minuten. Rund um die Universität befinden sich Wanderwege, die ich selbst leider nie ausprobiert habe, da es mir erst zum Schluss aufgefallen ist. Einfach auf Google Maps einmal „senderismo“ in diesem Bereich suchen und sie werden dir angezeigt. Die Biblioteca de Humanidadesist zu meinem Zweitwohnsitz geworden. Hier habe ich die Nachmittage mit Lernen verbracht und meine Essays geschrieben. Im Sommer ist es etwas warm im Gebäude, da es nicht klimatisiert ist, aber im Winter wird geheizt und die offene Architektur mit großen Fenstern erschuf eine angenehme Lernatmosphäre. Die Bibliothek ist leider nur bis 20.30 Uhr geöffnet und am Wochenende geschlossen. Allerdings hat jedes Viertel eine öffentliche Bibliothek, in der sich am Wochenende die Studierenden sammeln. Diese sind meistens recht voll und nicht immer besonders einladend.
Kontakt zu einheimischen und internationalen Studierenden
Ich hatte eigentlich nur Kontakt zu anderen internationalen oder Austauschstudierenden und eher wenig Initiative seitens der einheimischen Studierenden empfunden, Kontakt zu mir aufzunehmen. Ich finde es nachvollziehbar, da diese meistens schon feste soziale Gruppen haben, gerade im vierten Studienjahr und wie ich bereits erwähnte, geht jeder Jahrgang meistens gemeinsam durch das ganze Studium. Erst am Ende des Semesters hatte ich das Gefühl, dass es eine gewisse Offenheit mir gegenüber gab. Ich wurde in bestehende WhatsApp-Gruppen eingeladen etc. Habe ich nach Hilfe gefragt, wurde mir diese aber nie ausgeschlagen. Wir Austauschstudierenden haben uns schnell in Gruppen organisiert. Bereits am Willkommenstag der internationalen Studierenden bildeten sich diese aus. Ich hatte das Gefühl, die meisten Erasmus-Studierenden kamen aus Italien oder Deutschland, außerdem kamen einige der Internationalen aus Lateinamerika. Ich lernte Menschen aus Chile und Argentinien kennen. Die dominante Sprache am Mensatisch war also meist trotzdem Spanisch, da man davon ausgehen konnte, dass jeder es zumindest ein wenig beherrscht oder den Willen hatte, es zu lernen. Die Organisation ESN (Erasmus Student Network) Madrid vernetzt alle Erasmusstudierenden der Stadt miteinander und organisiert Partys und sonstige Veranstaltungen. Es gibt außerdem viele Discounts. Es lohnt sich, am Willkommenstag eine ESN-Card für 10€ ausstellen zu lassen und der Gruppe auf Instagram zu folgen.
Sprachkompetenz vor und nach dem Auslandsaufenthalt
Meine Sprachkompetenz hat sich auf jeden Fall deutlich gebessert. Als ich zu Beginn des Auslandssemesters einen Einstufungstest für einen Spanischkurs gemacht habe, wurde mir ein B2-Kurs vorgeschlagen. Im Nachhinein wurde mir beim OLS-Kurs C1 vorgeschlagen, also habe ich jetzt ungefähr ein B2-Niveau und ich habe den Sprachkurs während des Erasmus gar nicht belegen können. Es hat ein paar Wochen gedauert, sich an die neue Sprache zu gewöhnen und auch heute habe ich gute und schlechte Tage, trotzdem würde ich behaupten, ich spreche deutlich fließender und kann mich auch umgangssprachlich besser ausdrücken. Das Studium komplett auf Spanisch zu absolvieren war eine Herausforderung, insofern, dass es Mehrarbeit bedeutet. Wie bereits erwähnt dauert alles etwas länger. Aber ich habe alles Wichtige verstanden und am Ende sogar ganz gute Noten geschrieben. Ich würde es auf jeden Fall empfehlen, denn meiner Erfahrung nach lernt man Sprachen so am besten. Man muss sich einfach trauen.
Wohn- und Lebenssituation
Ich habe vor dem Auslandsemester überidealista.com, dem spanischen WG-gesucht, ein Zimmer in guter Lage in einer 7er-WG gefunden. Die Erfahrungen, die ich da gemacht habe, waren jedoch schrecklich und haben mir beinahe das gesamte Erasmus versaut. Leider ist es nicht einfach in Madrid etwas zu finden, aber heute würde ich sagen: 1. Nimm nicht das erstbeste Angebot, wenn du nicht überzeugt bist. 2. Kommt dir die vermietende Person komisch vor, dann nimm deine Bedenken ernst. 3. Das Prinzip der Wohngemeinschaft, wie wir es in Deutschland kennen, ist in Spanien eher selten. Die Einheimischen leben meist im Elternhaus, bis sie ihr eigenes Geld verdienen. Deshalb gibt es viele private Vermieter*innen, die internationale Studierende und Arbeitende als Zielgruppe haben und wo die Untermieter*innen oft wechseln. Es herrscht eine Atmosphäre wie im Hostel und nicht selten sind die Wohnungen ungepflegt und überteuert. 4. Damals war es mir wichtig, mit spanischsprechenden Leuten zusammen zu wohnen. Heute denke ich, es ist eine gute Idee mit anderen Erasmusstudierenden zusammenzuziehen, dann hat man schon einmal etwas gemeinsam. Vielleicht ist es auch schlau, sich gleich mit den Studierenden der Heimatuniversität zusammenzutun und gemeinsam etwas zu suchen. Ich war zunächst die einzige Flinta*-Person in der Wohnung, nach zwei Wochen kam eine weitere Frau dazu. Einer meiner Mitbewohner*innen war ebenfalls Student an der Universität Potsdam und wir haben uns für die Wohnungssuche zusammengetan. Wir drei verstanden uns sehr gut und am liebsten hätte ich nur mit ihnen zusammengewohnt. Die anderen 4 Mitbewohner waren Männer zwischen 27-40 Jahren. Am besten ist es natürlich, wenn man die Mitbewohner*innen vor Einzug kennenlernen kann, durch ein Gespräch auf Zoom oder so, damit man merkt, ob man auf der gleichen Wellenlänge ist. Letztendlich wünsche ich dir einfach Glück bei der Wohnungssuche, es ist der schwierigste Teil der Vorbereitung. Viele nehmen sich die ersten Tage/Wochen ein Airbnb und suchen vor Ort. So hat man die Möglichkeit, die Wohnung vorher zu besichtigen und ggf. Mitbewohner*innen zu beschnuppern. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Spanier*innen spontan sind und oft Leute suchen, die in den nächsten Wochen einziehen können, deshalb gestaltet sich eine Suche weit im Voraus als schwierig. Die Zimmer, die vermietet werden, sind meistens sehr klein im Gegensatz zu dem, was wir in Berlin/Potsdam gewöhnt sind. Es werden sogar Zimmer ohne Fenster vermietet. Ich habe für ein Zimmer von ca. 7 m² insg. 430€ Miete gezahlt und eine Monatsmiete Kaution, um die ich leider betrogen wurde. Die meisten zahlen mehr. Wohnenswerte Bezirke sind: Lavapiés, Malasaña, Chueca, Chamberí, La Latina (barrio de las Austrias), La Guindalera, Salamanca, Retiro, Argüelles, Atocha. Ich würde sagen, es ist gut, in dem Gebiet zu leben, was im Westen an den Manzanares grenzt, im Süden und Osten an die Stadtautobahn und im Norden an die Ringbahn (la círcular, línea 6).Ich bin riesiger Fan der öffentlichen Verkehrsmittel in Madrid, die Stadt ist sehr gut verbunden und sie sind wirklich verlässlich. Außerdem zahlt man unter 26 nur 20€ monatlich (bei mir waren es sogar nur 10, weil es zu dem Zeitpunkt eine Sonderaktion ähnlich des 9-Euro-Ticket gab) und kann sich mit diesem abono jovennicht nur in der Stadt, sondern in der ganzen Comunidad de Madrid bewegen. Die Karte kann man schon von Deutschland aus beantragen, das spart Geld und das lästige Warten auf einen Termin im Büro für öffentlichen Transport. Bezüglich der Bankgeschäfte braucht man sich keine Gedanken machen, ich konnte alles mit meiner deutschen EC-Karte oder Visa-Karte bezahlen. Geld abzuheben kostet allerdings 2,50€ Gebühren (zumindest für Sparkassen-Kund*innen). Glücklicherweise kann man in Madrid alles mit Karte bezahlen. Ich würde unbedingt dazu raten, eine zusätzliche Auslandsreiseversicherung abzuschließen. Achtung! Die meisten Reiseversicherungen sind nur für Urlaube einer bestimmten Dauer gedacht und nicht für längere Auslandsaufenthalte. Falls du also denkst, du hast schon eine, überprüfe das besser noch einmal. Ich habe bei Envivas (Versicherung, die mit der TK kooperiert) 180€ für 6 Monate bezahlt. Ich war während meines Erasmus so oft beim Arzt, dass es sich 100% gelohnt hat. Ich musste zwar die Kosten vorschießen, habe aber alles erstattet bekommen. Alleinig mit der europäischen Krankenkassenkarte kommt man nicht weit. Damit kannst du nur im Krankenhaus und in den staatlichen Gesundheitszentren (centros de salud) behandelt werden, welche unglaublich schlecht ausgestattet sind. Ich habe mir außerdem meinen Wohnsitz registrieren lassen (mich gemeldet, empadronarse), um dort behandelt zu werden, bin mir letztendlich aber nicht sicher, ob das notwendig war.
Studienfach: Soziologie
Aufenthaltsdauer: 09/2022 - 01/2023
Gastuniversität: Universidad Autónoma de Madrid
Gastland:Spanien
Rückblick
Es ist evtl. auch empfehlenswert, eine NIE zu beantragen, eine Identifikationsnummer für Ausländer*innen. Ich bin allerdings auch ohne durchgekommen. Die Lebenshaltungskosten sind ansonsten ähnlich wie in Deutschland. Die Preise sind etwas geringer. Nimm dir ruhig einen Reiseführer mit. Meine Schwester hatte sich einen von DuMont gekauft und mir nach ihrem Besuch überlassen. Der war ganz gut. Meine Lieblingsviertel waren Lavapiés und Malasaña. Hier gibt es leckeres Essen, jede Menge Bars, Second Hand-Läden und alternative Kulturstätten. Dazu gehört auch das Conde Duque in Malasaña. Hier kannst du günstig Filme schauen, Ausstellungen und Konzerte besuchen.