Vorbereitung des Auslandsaufenthaltes
Meine Vorbereitung auf das Erasmussemester hat mit der International Week der Uni Potsdam begonnen, wo ich mich über die Partnerunis meiner Fakultät in Spanien informieren und am Ländertisch (online) persönliche Erfahrungen erfragen konnte. Bis zum Bewerbungsschluss Ende Januar musste ich recht viel selber recherchieren und mich ins Kursangebot der Gastuniversitäten einlesen. Für die genauen Anforderungen der Bewerbungsunterlagen und um Unsicherheiten zu klären, hat mir die Sprechstunden (online) des International Office geholfen. Sobald ich dann für das Erasmus+ Programm angenommen war, wurde ich sehr gut vom International Office durch die organisatorischen Schritte geführt. Allgemein sind alle organisatorischen Informationen und alle Dokumente auf der Website vom IO zu finden.
Nach der Zusage der Uni Potsdam musste ich mich zusätzlich an der Uni Granada bewerben, was aber eher eine Formalie ist, als ein tatsächlich erneuter Bewerbungsprozess. An der Uni Granada muss (im Gegensatz zu anderen Unis) kein Sprachnachweis vorgewiesen werden, allerdings wird B1 als Sprachniveau empfohlen. Dem würde ich so zustimmen, ich kenne aber auch Menschen, die mit weniger Sprachkenntnissen zu Beginn zurechtgekommen sind. Auch die Uni Granada hat eine engagierte Erasmuskoordination, die einem rechtzeitig alle wichtigen Infos per Mail zukommen lässt.
Studium an der Gastuniversität
Während der Bewerbung an der Uni Granada kann man sich zum Buddy-Programm anmelden, über das man dann eine spanische Bezugsperson zugeteilt bekommt. An diese kann man sich bei Fragen wenden. In den ersten 2 Wochen nach Unistart konnte ich meine Kurse noch umwählen. Ich habe davon intensiv Gebrauch gemacht, weil es für mich deutlich einfacher war, vor Ort einen Kurs von der Politikfakultät zu wählen (Einführung in die Soziologie) und ich auch in der ersten Woche überprüfen konnte, welche Professor*innen ich gut verstehen kann und welche so durch ihre Maske nuscheln, dass ich keine Chance habe. Ich hatte glücklicherweise nach der ersten Woche alle Kurse in Präsenz, aber Maskenpflicht in allen Veranstaltungen. Ich muss gestehen, dass das dazu geführt hat, dass ich viele Mitstudierende bis zum Ende ohne Maske nicht erkannt habe. Alle Kurse an der Psychologiefakultät sind pro Woche aufgeteilt in 2 Stunden Theorie, die wie normale Vorlesungen gestaltet sind, und 1 Stunde „práctica“, die Anwesenheitspflicht haben und verschiedene Projektarbeiten in Laufe des Semesters beinhalten. Es gibt kein wirkliches Pausensystem außer der Siesta. Ich konnte Kurse aus allen 4 Jahren wählen. Ich hatte ausschließlich spanische Veranstaltungen, aber es gab, soweit ich weiß, einen englischen Kurs, den man wählen konnte. Die kontinuierlichen Abgaben und die dadurch weniger freie Einteilung der Arbeitszeit waren für mich am Anfang etwas stressig, im Laufe des Semesters habe ich mich aber an den Aufwand gewöhnt. Außerdem liegt durch dieses System weniger Druck auf den Abschlussprüfungen, da man schon während des Semesters bis zu 3 von 10 Punkten sammeln kann. Die Anforderungen und Bewertungen variieren meiner Erfahrung nach stark zwischen den Fächern. Das Studienklima ist angenehm und im Vergleich zu Deutschland vertrauter und interaktiver mit den Professor*innen. Auf meine Mails (in meinem Fall aufgrund von einer Quarantäne) wurde von allen zügig geantwortet. Das Unigebäude von außen ist schon ziemlich hässlich, man hat dafür aber aus der Cafeteria einen tollen Blick über die Stadt. Die Psychologiefakultät liegt auf dem Campus Cartuja, was für mich genug Berg war, als das Fahrradfahren keine Option darstellte. Ich bin eigentlich immer Bus gefahren und manchmal zurückgelaufen. Die Bibliothek ist nicht sehr modern, aber ganz kuschelig und war für mich ein guter Ort zum Lernen.
Kontakt zu einheimischen und internationalen Studierenden
Ich bin trotz guter vorheriger Spanischkenntnisse nicht so weit aus meinen Erasmuskreisen herausgekommen, wie ich es mir vorher gewünscht hätte. Da es an der Uni wirklich viele ausländische Studierende gab, war ich fast in keinem Kurs nur unter Spanier*innen und es passiert dann doch recht schnell, dass man sich mit den Erasmusstudis befreundet. Im Prinzip hat man aber durch die Gruppenarbeiten in den prácticas eine gute Möglichkeit, Menschen kennenzulernen. Ich glaube, dass man über Sportkurse oder Hobbys außerhalb der Uni vielleicht noch einen besseren Zugang zu spanischen Studis hat. Von der Uni gibt es ein breites Angebot an Aktivitäten. Der Salsakurs, den ich machen wollte, war aber leider schon voll und ich habe mir deswegen außerhalb der Uni eine Tanzschule gesucht.
Sprachkompetenz vor und nach dem Auslandsaufenthalt
Ich hatte tatsächlich schon recht gute Spanischkenntnisse bevor ich nach Granada gegangen bin, weil ich ein Auslandsjahr in der 11. Klasse gemacht hatte und kam dementsprechend in der Uni gut mit. Ich habe vor Ort aber trotzdem noch den von der Uni angebotenen Spanischkurs gemacht und mit B2 abgeschlossen. Der Kurs ist relativ teuer und mit 6 Stunden pro Woche zeitaufwendig, aber ich fand ihn schon sehr hilfreich. Man kann sich den Kurs auch mit 6 ECTS auf seinem Transcript of Records anrechnen lassen. Zu Beginn des Semesters gibt es einen Einstiegstest, um das Spanischniveau und den passenden Kurs zu bestimmen. https://clm-granada.com/espanol-para-extranjeros/
Wohn- und Lebenssituation
Ich habe eine Wohnung, eine Woche bevor ich nach Granada gekommen bin, über eine Facebookgruppe gefunden. Unsere Verträge waren jeweils für ein Jahr angesetzt (was ich auch von vielen anderen gehört habe), mit der Bedingung, dass man eine Nachmiete für das Zimmer findet. Das war in unserem Fall kein Problem, weil im Februar schon das nächste Semester anfängt und neue internationale Studierende kommen. Ich habe ohne Nebenkosten 300€ Miete gezahlt, was für Granada schon recht viel ist. Dafür hatten wir aber eine schöne Wohnung mit einer großen Terrasse. In Granada werden viele Wohnungen von Zwischenmieter*innen an Erasmusstudis weitervermietet. Das hat zur Folge, dass die Mitbewohner*innen meistens von den Vermieter*innen und nicht von WGs selber ausgesucht werden. Viele Studis haben ihre Zimmer über die Plattform Idealista gefunden. Der Wohnungsmarkt in Granada, würde ich sagen, ist eigentlich noch recht entspannt, sodass viele erst vor Ort aus dem Hostel gesucht haben. Ich habe sehr gemischte Geschichten von Vermieter*innen gehört und wenig Gutes von Agenturen, die bei der Wohnungssuche helfen. Es ist auf jeden Fall ratsam, sich die Wohnung anzugucken, bevor man einen Vertag unterschreibt. Zudem ist wichtig auf die Heizung der Wohnung zu achten. Wir haben z.B. alle für unsere Zimmer Elektroradiatoren für den Winter bekommen, was wichtig war, denn Zentralheizungen gibt es eher selten und die Häuser sind allgemein nicht wintergeeignet, daraus folgen aber höhere Stromkosten. Die allgemeinen Lebenshaltungskosten sind günstiger als in Deutschland. Wenn man ein preiswertes Zimmer findet und bei Mercadona und den Fruterías einkaufen geht, kommt man recht gut durch. Mit der Unikarte kann man für 60 cent mit den Bussen fahren. Da ich im Viertel Realejo (kann ich empfehlen) sehr zentral gewohnt habe, bin ich eigentlich nur zur Uni mit dem Bus gefahren und ansonsten immer gelaufen. Es gibt auch eine Metrolinie, die man aber extra zahlen muss und die in meinem Alltag nicht praktisch war. Ich konnte mit meiner DKB Karte bei der Caja rural, die überall ATMs hat, für 1,50€ Gebühr bis zu 300€ abheben. Da ich meine Miete in bar bezahlen musste (der Vermieter kam dafür monatlich vorbei), musste ich davon öfter Gebrauch machen, ansonsten ist Kartenzahlung aber nur in Ausnahmefällen nicht möglich. Ich habe mir die 3. Impfung in Granada geholt, was problemlos und super schnell ging. Die Krankenversorgung ist über sogenannte „centros de salud“ geregelt, bei denen man sich zunächst einmal registrieren muss (was ich aber erst gemacht habe, als ich es gebraucht habe) und dann dort Termine bei Ärzt*innen machen kann. Ich bin davor aber auch einmal direkt zu einer Gynäkologin gegangen und reiche die Rechnung jetzt bei meiner Auslandskrankenversicherung (Envivas) ein. Was das Freizeitangebot betrifft, gibt es eine Überdosis an Möglichkeiten. Zunächst innerhalb von Granada: Es soll wohl die Stadt mit der höchsten Bardichte pro Einwohner*in sein. Das kann ich so unterschreiben. Die Straßen sind ab nachmittags belebt und voll mit jungen Menschen. Man kann fast jeden Tag zwischen unzähligen Bars und Clubs wählen, wo für alle etwas dabei ist. Von Flamenco über Reggaeton bis Techno wird jede*r glücklich. Und in Spanien einzigartig ist die noch erhaltene Tapaskultur in Granada. Zu jedem Getränk bekommt man normalerweise gratis (!) eine Tapa dazu. Es gibt auch immer eine vegetarische Option. Außerhalb von Granada kommt man schnell mit dem Bus oder BlablaCar in die Berge, an den Strand, in viele schöne Städte wie z. B. Sevilla und Ronda oder auch in schöne Bergdörfer wie die Alpujarras. In der Sierra Nevada kann man zudem Klettern oder auch Ski fahren gehen. Im Unialltag gibt es immer wieder Brückentage, die es einem ermöglichen, Ausflüge zu machen. Es ist aber auch wirklich schön, die Wochenenden in Granada zu verbringen, durchs Albaicín (das älteste Viertel Granadas) zu schlendern, in der Sonne zu sitzen oder Tapas essen und tanzen zu gehen. Es gibt von der Uni, aber auch sonst ein breites Kulturangebot in Granada, man muss sich nur die Mühe machen, dass passende zu den eigenen Interessen herauszusuchen. Zum Beispiel ist Flamenco ein großer Bestandteil von Granadas Identität und ich kenne einige Leute, die in der Zeit z.B. das Töpfern für sich entdeckt haben.
Studienfach: Psychologie
Aufenthaltsdauer: 09/2021 - 02/2022
Gastuniversität:Universidad de Granada
Gastland:Spanien
Rückblick
Es gibt Organisationen wie z.B. Bestlife und Emycet, die darauf spezialisiert sind, Programm für Eramusstudis anzubieten. Für den Anfang ist das auch toll, um Menschen (ausländische Studierende) und Orte in Granada kennen zu lernen. ESN ist eine ähnliche Organisation, aber im Kontrast eine ehrenamtliche und nicht profitorientierte Organisation und war mir deswegen sympathischer. Ich würde allerdings empfehlen, sich recht schnell um eigene Interessen und Orte zu bemühen, man kann sich sonst zu einfach voll umsorgen lassen. Woran ich mich wirklich gewöhnen musste war die Siesta, die auch im Winter bestehen bleibt. Die meisten Läden sind von ca. 14-17 Uhr geschlossen. Man sollte seinen gewohnten Tagesalltag dem also anpassen, sonst steht man zum Einkaufen um 15 Uhr vor verschlossenen Türen. In meiner persönlichen Erfahrung habe mich als Frau in der Stadt immer wohl und sicher gefühlt. Als Berlinerin war Granada eher eine Kleinstadt. Mir hat aber nichts gefehlt und ich war ganz begeistert, schon nach kurzer Zeit immer wieder Leute auf der Straße zu treffen und sich so schnell vertraut und zuhause in der Stadt zu fühlen. Alles in allem kann ich Granada für ein Erasmus wärmstens empfehlen, weil es eine sehr lebenswerte und studentische Stadt ist. Ich denke, man muss sich nur ein bisschen Mühe geben, um nicht in die vorgefertigten „gemütlichen“ Strukturen zu rutschen, sondern sich den eigenen Weg und seine eigenen Orte und Freund*innen suchen.