Vorbereitung des Auslandsaufenthaltes
Am International Day 2019 bin ich zum ersten Mal auf das Erasmusprogramm unserer Universität aufmerksam geworden. Danach ist in mir die Entscheidung gereift, ein Auslandssemester im fünften Semester zu absolvieren. Der gesamte Bewerbungsprozess lief online ab und war wirklich gut von der Uni Umeå organisiert. Auch an der Uni Potsdam konnte alles online erledigt werden, einzig die aktuelle Leistungsübersicht zu übersetzen war eine unnötige Aufgabe, die man abstellen könnte, wenn die Leistungsübersicht in PULS in Zukunft auch in Englisch verfügbare wäre.
Studium an der Gastuniversität
Das schwedische Semester unterteilt sich in 4 gleichlange Abschnitte, welche alle ungefähr einen Monat lang sind. Insofern belegt man 4 verschiedene Kurse während eines Semesters und nicht wie in Potsdam alle Kurse zur selben Zeit. Dieses System führt dazu, dass man sich auf den jeweiligen Kurs fokussieren kann und keine Prüfungsphase am Ende des Semesters hat, in der man mit Aufgaben zugeschüttet wird. Semesterferien können dort dann tatsächlich für Praktika oder Urlaub genutzt werden und nicht in der Bibliothek. Vom Aufbau der Seminare oder auch der Vorlesungen konnte ich wenig Unterschied zu Potsdam feststellen. Immer wieder gibt es kleine Aufgaben und eine feste Kursliteratur, die es zu lesen gilt. Die Seminare waren meist recht interaktiv gestaltet und trotz Corona war die Hälfte meiner Kurse in Präsenzlehre. Der andere Teil der Lehre wurde über die auch uns an der Uni Potsdam bekannte Plattform Zoom angeboten. Das Studienklima in Umeå habe ich durchweg als angenehm empfunden. Die Professoren werden mit ihrem Vornamen angesprochen und die Schweden sind gar nicht so zurückhaltend oder schüchtern wie manchmal behauptet wird. Genossen habe ich, dass die Stadt stark auf Studenten eingerichtet ist, weil auf 90000 Einwohner 30000 Studenten kommen. Die Verwaltungsmitarbeiter der Uni Umeå waren sehr hilfreich und haben schnell auf Anfragen per Mail reagiert. Gerade das „Infocenter“ im Hauptgebäude der Uni ist zentraler Anlaufpunkt für alle Probleme administrativer Art. So eine Einrichtung würde der Uni Potsdam auch sehr gut zu Gesicht stehen. Die technische Ausstattung der Uni ist auf einem hohen Niveau und es gibt sehr viele Sitz- und Lernecken im Vergleich zum Campus Griebnitzsee. Die Bibliothek habe ich vor allem als Lernort genutzt, da ich es genossen habe, mit anderen Studierenden zu interagieren und in der dunklen Jahreszeit viel Licht zu haben. Sonst kann die Dunkelheit ein bedrückendes Gefühl entwickeln.
Kontakt zu einheimischen und internationalen Studierenden
Obwohl ich während der Coronapandemie in Schweden war, habe ich viel Kontakt zu anderen Erasmusstudierenden gehabt. Wir haben fast jeden Tag etwas gemeinsam unternommen, egal ob gemeinsames Abendessen oder Ausflug. Nach 1,5 Jahren Pandemie war es in Schweden fast so als gäbe es kein Corona. Die schwedische Regierung arbeitet vor allem mit Empfehlungen, was bedeutet, dass es nicht zwangsweise umgesetzt wird. Zunächst war es schockierend, als Deutscher in ein Land zu kommen, in dem niemand Masken trug, aber mit der Zeit habe auch ich mich daran gewöhnt. Gegen Ende des Austauschs mit dem Aufkommen Omikrons trugen dann immer mehr Menschen Masken, aber immer noch nicht alle. Wichtig ist, die EU-Corona-App zu haben und geboostert zu sein.
Sprachkompetenz vor und nach dem Auslandsaufenthalt
Zur Wahrheit gehört, dass Umeå zunächst für mich auch deswegen in Frage kam, weil hier „nur“ Englisch als Sprache gefordert wurde. Gerade die südeuropäischen Länder forderten eher auch Kenntnisse der Landessprache, die ich so nicht bieten konnte. Einige meiner dort kennengelernten Freunde haben einen schwedischen Sprachkurs belegt, auf den ich verzichtet habe, da er nur zusätzlich zu meinen 30 LP gekommen wäre. Insofern bin ich mit keinem Wort schwedisch angereist und auch wieder abgereist. Was aber während des gesamten Semesters zu keinem Zeitpunkt auch nur im Entferntesten ein Problem war, da alle Schweden ein sehr hohes englisches Niveau beherrschen. Egal ob der Kassierer im Supermarkt oder der Typ vom Autoverleih.
Wohn- und Lebenssituation
Die Unterkunft im Studentenwohnheim wurde schon im Voraus des Erasmussemesters durch das Housing Office der Uni Umeå bereitgestellt. Leider war bei der Abreise das Semesterende genau auf den letzten Tag des Mietvertrags gelegt worden. Somit gab es sehr viele Studenten, die ein oder zwei Tage ohne Wohnung dastanden, obwohl noch Präsenzklausuren zu schreiben waren. Ich würde jedem Studenten dazu raten, in Alidhem zu wohnen, es liegt nahe zur Uni, man hat den besten Anschluss zu vielen Internationalen Studenten und es gibt Einkaufsmöglichkeiten. Die Wohnungen sind zwar meist recht alt, aber darüber konnte ich hinwegsehen. Im Winter kann man sich, falls es im Zimmer zu kalt ist, weil die Heizung zentral betrieben wird, einen zusätzlichen elektrischen Heizer ins Zimmer stellen. Generell empfehle ich, mehrere Paar Thermounterwäsche z.B. aus Merinowolle anzuschaffen um sich gegen die Temperaturen zu wappnen. Es gibt nur falsche Kleidung und man wird trotzdem viel in der Natur unternehmen. In Umea verkehren viele Busse und diese zum Glück auch sehr häufig. Bis in die Innenstadt ist es von Alidhem ungefähr eine 15-minütige Busfahrt. Bei -20 Grad fahren immer weniger Studis Fahrrad, auch wenn es ein paar unentwegte Fahrradfahrer gibt. Eine Kreditkarte ist ein absolutes Muss in Schweden. Alle Zahlungen werden damit erledigt. Zusätzlich sollte man sich die Bezahlapp „Swish“ herunterladen und damit zahlen. Vor dem Auslandsaufenthalt sollte man sich überlegen, wie man am geschicktesten eine Auslandsüberweisung von der eigenen Bank aus macht. Manche Banken wollen dafür hohe Gebühren (15 Euro). Bei einer monatlichen Mietzahlung sollte man sich da eine günstigere Alternative suchen. Eine zusätzliche Auslandskrankenversicherung kann man abschließen und man sollte dabei darauf achten, dass auch ein Rücktransport in das Heimatland angeboten wird. Über Erasmus hat man auch schon einen kleinen Versicherungsschutz. Die Lebenshaltungskosten sind erheblich höher als in Deutschland. Gerade Essen ist teurer und häufig nicht in bester Qualität vorhanden. Noch nie habe ich so viel schlechtes Obst und Gemüse in einem Supermarkt gesehen. Es scheint einfach länger zu brauchen, gewisse Waren aus Südeuropa nach Schweden zu bringen. Die Schweden essen nur relativ weiches Brot, was erstmal ungewohnt ist. Ein Tipp um dies zu vermeiden ist, die Backwarenabteilung des Discounters, mit Hauptsitz in Neckarsulm im schönen BW, aufzusuchen. Während des gesamten Auslandssemesters habe ich keine einzige Metzgerei gesehen und es ist wirklich schwierig, gutes Fleisch zu kaufen. Wenn man mal schick essen gehen möchte (z.B. Weihnachten) kann ich das Restaurant Gotthards Krog in der Innenstadt von Umeå wärmstens empfehlen. Elchfleisch ist eine der wenigen wirklich leckeren Spezialitäten der schwedischen Küche. Typisch sind ansonsten die von IKEA bekannten Köttbullar, welche es an vielen Orten zu kaufen gibt. Ansonsten fehlen „gutbürgerliche“ schwedische Restaurants. Es gibt viele Lokale anderer Nationalitäten, was mich schon verwundert hat. Als Freizeitangebot möchte ich IKSU empfehlen. Bei IKSU handelt es sich um ein sehr großes Fitnessstudio mit einer großen Bandbreite an Angeboten. Mit der Mitgliedschaft erhält man Zugang zu allen Bereichen und kann viele Sportangebote ausprobieren oder mit Freunden spielen. Zudem organisiert IKSU Skiausfahrten, die man nutzen sollte. Ein negativ Punkt ist der relativ gesehen hohe Monatsbeitrag. Zudem kann ich den nahegelegenen See Nydala empfehlen, an dem man wunderbar grillen oder einfach die Nordlichter ansehen kann. Umeå ist eine Kleinstadt, aber für Schweden schon eine Großstadt und das Zentrum der Region Västerbotten. Nach zwei Wochen hatte ich alle 3 Clubs der Stadt durch, was dazu führt, dass man beim Feiern immer wieder dieselben Internationals trifft. Alleine ist man somit also nie. Besonders zu empfehlen ist das REX, welche die größte Diskothek in Umeå ist.
Studienfach: Politik, Verwaltung und Organisation (B.A.)
Aufenthaltsdauer: 08/2021 - 01/2022
Gastuniversität: Universität Umeå
Gastland:Schweden
Rückblick
Eine Reise zu den norwegischen Lofoten ist sehr zu empfehlen. Miete mit Freunden ein Auto und macht einen Roadtrip dorthin. Es gibt spektakuläre Landschaft und tolle Wanderwege. Generell ist Schweden toll zum Wandern und Erfahrungen in der Natur machen. Als Skigebiet würde ich Åre empfehlen, da die meisten anderen Skigebiete sehr klein sind. Als eine negative Erfahrung würde ich das schwedische Gesundheitssystem bezeichnen. Von vielen international gelobt, hat meine Freundesgruppe nur schlechte Erfahrungen damit gemacht. Eine Freundin ist vom Fahrrad gefallen und ist aufgrund der Schmerzen ins Krankenhaus, dort wurde sie nur abgetastet und nicht geröntgt. Im Nachhinein ein großer Fehler, da der Knochen gebrochen war. Auch bei anderen Krankheiten ist es schwierig einen Termin bei einem Arzt zu erhalten, da man standardmäßig erst zu einem „Health center“ gehen muss und dort von Krankenschwestern betrachtet wird. Auf jeden Fall den Reisepass einpacken, um Autos bei allen Vermietungen anmieten zu können oder gleich mit dem eigenen Auto anreisen, um mobil zu sein. Die Entfernungen in Schweden sind groß. Innerhalb Umeås ist das Fahrrad und der gut ausgebaute Nahverkehr dein stetiger Begleiter. Nimm die Buddy-Events mit, wenn es welche gibt. Die Elchfarm ist eine tolle Erfahrung.