Vorbereitung des Auslandsaufenthaltes
Als ich mich für meinen Master bewarb, wusste ich schon, dass ich auf jeden Fall einen Auslandsaufenthalt machen möchte. Ungefähr zwei Monate vor der Bewerbungsfrist für Eramus+ an der Uni Potsdam hatten wir eine Erasmus-Infoveranstaltung meines Studiengangs CLEWS und eine des International Office. Weil wir uns bei CLEWS über die Physik und die Umweltwissenschaften bewerben können, schaute ich mir die Websites aller in Frage kommenden Unis an und informierte mich über die Städte und angebotenen Kurse. Die Webseite der Uni Bergen mit der Kursübersicht ist https://www.uib.no/en/exchange-courses. Für die Bewerbung an der Uni Potsdam brauchte ich ein Motivationsschreiben, einen Lebenslauf, einen Englisch-Sprachnachweis, das Bewerbungsformular des International Office und die PULS-Leistungsübersicht. Nachdem ich einen Platz angeboten bekommen und die Nominierung angenommen hatte, musste ich mich noch bei der Uni Bergen bewerben. Dafür brauchte ich mein Bachelorzeugnis, eine Liste der aktuell besuchten Kurse und das Transcript of Records. Die Informationen dazu, welcher Schritt bis wann anstand, bekamen wir immer rechtzeitig per Mail.
Einen Erasmus-Aufenthalt am University Centre in Svalbard (UNIS) kann man über die norwegischen Partnerunis machen, deswegen stellte ich beim International Office der Uni Potsdam und bei der Uni Bergen einen Antrag auf Verlängerung des Erasmus-Aufenthalts und bewarb mich über UiB und UNIS auf Kurse in Spitzbergen (https://www.uib.no/en/education/96643/how-apply-unis#how-to-apply). Bei der Bewerbung am UNIS brauchte ich Transcript of Records, Bachelorzeugnis, Studienbescheinigung, Liste aktueller Kurse und Scan des Reisepasses. Wenn man sich auf sehr beliebte Kurse bewirbt, kann es sich lohnen, zusätzlich noch ein Motivationsschreiben oder sogar ein Empfehlungsschreiben einer Professorin/eines Professors hochzuladen. Es ist auf jeden Fall wichtig, rechtzeitig zu schauen, wann die Frist für die Verlängerung und die Bewerbungsfrist am UNIS sind (bei mir war es der 15. Oktober).
Studium an der Gastuniversität
Ich fand das Studienklima in Bergen insgesamt sehr angenehm. In meinen Modulen waren zwischen sechs und circa 20 Teilnehmenden und man hatte einen guten Kontakt zu den Dozierenden. Dass sich alle duzen, trägt vielleicht auch dazu bei, dass es entspannter ist, weil man sich keine Gedanken über die Anrede machen muss und es sich etwas persönlicher anfühlt. Die Dozierenden und Tutor:innen waren sehr hilfsbereit und offen für Fragen – in einem Modul wurden beispielsweise mehrere Q&A-Sessions vor der Prüfung angeboten. Es gibt mehrere Bibliotheken und Lernräume. Fragt am besten eure Kommiliton:innen, wo sie normalerweise lernen, um euch untereinander auszutauschen. Die Studienorganisation in Bergen war sehr ähnlich zu der an der Uni Potsdam. Das Pendant zu Moodle, bei dem alle Kursinhalte hochgeladen werden, heißt MittUiB/Canvas (https://mitt.uib.no/login/canvas), und das zu PULS, bei dem man sich für Kurse einschreibt und seine Leistungsübersicht sieht, heißt Studentweb (https://fsweb.no/studentweb/login.jsf?inst=FSUIB). Die meisten Kurse gingen über das ganze Semester, nur mein Norwegisch-Kurs war schon Ende Oktober abgeschlossen. Die schriftlichen Klausuren laufen etwas anders ab als für mich gewohnt. Sie finden nämlich in einem Extra-Gebäude statt und man bringt seinen eigenen Laptop mit. Über einen speziellen Browser, bei dem man keine anderen Fenster offen haben kann, sieht man seine Klausur und kann entweder direkt dort seine Lösungen eingeben oder sie auf Papier schreiben, welches dann eingescannt wird. Die Klausuren werden anschließend anonymisiert bewertet.
In Longyearbyen in Spitzbergen war das Studium sehr anders als an der Uni Potsdam – allein schon, weil das Leben in der Arktis einfach anders ist und man mittendrin in der Klimazone ist, mit dessen Besonderheiten man sich in den Kursen beschäftigt. Das UNIS ist deutlich kleiner als die Uni Potsdam: Über ein ganzes Jahr verteilt kommen mehrere Hundert Studierende, aber zeitgleich sind es noch einmal deutlich weniger. Die Masterkurse dauern jeweils ca. sechs bis sieben Wochen. Wenn man ein ganzes Semester dort ist, könnte man also drei Kurse besuchen. Ich habe zwei Blockkurse absolviert. Die Masterkurse finden zusammen mit PhD-Studierenden statt. Am Anfang des Semesters gibt es einen sechstätigen Kurs zu „Arctic Survival and Safety“, in dem man ganz praktisch lernt, wie man in der Arktis auf sich und andere aufpasst. Man hat einen Erste-Hilfe-Kurs, lernt, wie man jemanden aus einer Gletscherspalte retten kann, wie man ein Notfallcamp baut, wie man Menschen in einer Lawine sucht, wie man sich und andere rettet, die im Meereis eingebrochen sind, wie man sich verhält, wenn man Eisbären begegnet, und wie man mit Signalpistole und Gewehr umgeht – für den Notfall, dass ein Eisbär der Gruppe zu nahe kommt. Später im Semester hatten wir außerdem einen Schneemobilkurs, denn bei einigen Exkursionen fuhren wir mit Schneemobilen zu Gletschern oder besonderen Permafrost- Landformen in der Region. Um selber Schneemobil zu fahren, braucht man einen Autoführerschein, aber falls man keinen Führerschein hat, kann man natürlich trotzdem als Passagier mitfahren. Den Ort Longyearbyen darf man aus Sicherheitsgründen nur mit Signalpistole und Gewehr verlassen. Für einen Kurs gibt es deshalb normalerweise zwei „course rifles“, die jeweils fünf Studierende zusammen ausleihen. Wenn man ein Gewehr ausleihen möchte, sollte man am besten möglichst früh ein Führungszeugnis in Deutschland beantragen, um das hochladen zu können, wenn man die Erlaubnis zum Ausleihen eines Gewehrs in Spitzbergen beantragt.
Meine Kurse
Im Herbstsemester in Bergen besuchte ich vier Kurse aus meinem Fachbereich und einen Norwegisch-Kurs. Der Kurs GEOF212 „Physical Climatology“ ist an der UiB Teil eines Bachelorprogramm, deswegen war ein Teil des Lernstoffs nicht neu für mich. Aber für einen guten Überblick über das Klimasystem ist der Kurs auf jeden Fall zu empfehlen. In GEOV324 „Polar Palaeoclimate“ lasen wir jede Woche ein Paper und eine Kleingruppe stellte das Paper vor und leitete eine Gruppendiskussion, bevor wir dann einen Vortrag – meist von einer Autorin/einem Autoren des Papers – hörten. Am interessantesten fand ich die Module GEOF339 „Advanced Ocean Dynamics“ und GEOF 352 „Advanced Atmospheric Dynamics“, weil sie auf das CLEWS Modul „Atmospheric and Oceanic Fluid Dynamics“ aufbauten. Nach dem Sicherheitskurs am Anfang des Semesters in Longyearbyen, besuchte ich die Blockkurse AG 325 „Glaciology“ und AG330 „Permafrost and Periglacial Environments“. Die Kurse gefielen mir beide gut, besonders die Feldarbeit, bei der wir z.B. Radarmessungen auf Gletschern machten und einen Bohrkern im Permafrost entnahmen. Spannend war auch, dass es in beiden Kursen mehrere Dozierende und zusätzlich noch Gastdozierende gab. Außerdem besuchte ich einen Kurs über Polarlichter, AGF216 „The Stormy Sun and the Northern Lights“, der mir auch sehr gut gefiel und in dem wir zwei Observatorien (Kjell Henriksen Observatory und EISCAT) und die Satellitenstation SvalSat besuchten.
Kontakt zu einheimischen und internationalen Studierenden
Dadurch, dass ich in Bergen in dem großen Wohnheimskomplex Fantoft wohnte, hatte ich automatisch viele Kontakte zu ausländischen Studierenden, denn ich teilte mir die Küche mit fünfzehn anderen Austauschstudierenden. Einheimische Studierende lernte ich vor allem durch meine Kurse und das Orchester (https://www.uso-bergen.no/intEng.htm), in dem ich Geige spielte, kennen. Es gibt in Bergen sehr viele deutsche Erasmus-Studierende, deswegen lernte ich auch viele deutsche Studierende kennen und auch die engste Freundin, die ich in Bergen kennenlernte, kommt aus Deutschland. In Longyearbyen war die Verteilung relativ ähnlich, natürlich viele Studierende aus Norwegen, aber auch viele aus Deutschland und anderen Ländern. Auch in Longyearbyen lernte ich vor allem über meine Küche im Wohnheim, meine Kurse und einen Chor (https://www.facebook.com/people/Kullstrupene-Longyearbyen-blandakor/100088193187525/) neue Menschen kennen. Die Kommunikation mit Studierenden in Norwegen läuft oft über Facebook, es lohnt sich also, einen Facebook-Account zu erstellen, wenn man noch keinen hat.
Sprachkompetenz vor und nach dem Auslandsaufenthalt
Meine Kurse in Norwegen waren auf Englisch – wie in Potsdam, das war also nicht neu, aber im Alltag bin ich jetzt besser daran gewöhnt Englisch zu sprechen als vorher. Ich wollte gerne etwas Norwegisch lernen und hatte vor der Zeit in Bergen ein bisschen mit Duolingo geübt und in meinem Bachelor hatte ich schonmal einen Schwedisch-Kurs gemacht, was beim Norwegisch Verstehen auch half. In Bergen nahm ich dann an einem Norwegisch-Kurs der Uni teil: NOR-Intro. Der Kurs war in Ordnung, es war weniger Arbeit als man bei 7.5 credits erwarten würde und er ging nur bis Ende Oktober. Um etwas in die Sprache reinzukommen, war der Kurs gut, aber ich konnte mein Norwegisch trotzdem nicht so gut in Alltagssituationen verwenden. Wenn ihr Norwegisch lernen wollt, ist es sicherlich gut, sich häufiger zu trauen, seine Norwegisch Kenntnisse zu benutzen, und noch mehr mit Norweger:innen zu machen. Im Orchester hatte ich zum Beispiel mehr Gelegenheiten, mein Norwegisch zu testen. In Spitzbergen war es ähnlich, dort habe ich im Chor am meisten Norwegisch gehört, aber ansonsten war doch Englisch die Alltagssprache für mich. Wer besser Norwegisch kann, kann aber natürlich auch in Spitzbergen mehr Norwegisch sprechen.
Wohn- und Lebenssituation
Bei der Uni Bergen gibt es eine „housing guarantee“, das heißt, alle, die sich rechtzeitig beim Studierendenwerk sammen bewerben (https://sammen.no/en/bolig), bekommen ein Zimmer. Man kann bei der Bewerbung zwar angeben, welche Art von Zimmer man gerne hätte, aber im Herbstsemester kann es sein, dass man trotzdem ein anderes Zimmer bekommt bzw. sich ein Zimmer teilen muss, weil dann besonders viele Studierende gleichzeitig da sind. Ich hatte ein geteiltes Zimmer in Fantoft in einer 16er-WG. Meine Zimmernachbarin war eine Studentin aus Irland. Wir haben uns gut verstanden und für die begrenzte Zeit fand ich es in Ordnung ein Zimmer zu teilen, auch wenn es ungewohnt war, so wenig allein zu sein. Der ÖPNV in Bergen ist super, es gibt zwei Byban-Linien (Tram), von denen eine direkt in Fantoft hält, viele Busse und sogar Personenfähren zu den Inseln. Für mich waren die Monatsticket für Studierende am sinnvollsten (Apps skyss und skyss billet). Zum Bezahlen braucht man quasi nie Bargeld und kann immer mit Karte oder dem Handy bezahlen. Am besten hat man eine Kreditkarte (wie Mastercard oder Visa), denn darüber muss man in Apps wie skyss bezahlen und auch die Miete kann man bei sammen mit der Kreditkarte bezahlen. Für die Krankenversicherung fragt ihr am besten bei eurer Versicherung, ich musste keine zusätzliche abschließen. Die Lebenshaltungskosten in Bergen sind etwas höher als in Potsdam. Durch das 2er-Zimmer war meine Miete aber nur ein bisschen höher. Lebensmittel einzukaufen ist etwas teurer als in Deutschland, im Restaurant essen zu gehen und Alkohol sind deutlich teurer. Ein bisschen vermisst habe ich die Mensen der Uni Potsdam, weil es sowohl in Bergen als auch in Longyearbyen zwar eine Mensa gab, aber die Auswahl relativ begrenzt und das Essen teuer war. In Bergen gibt es sehr viele Freizeitangebote. Ich war vor allem gerne wandern und im Orchester, aber man kann ganz verschiedene Sportarten ausüben und es gibt viele Hochschulgruppen. In Longyearbyen kann man normalerweise auch immer im Wohnheim wohnen. Man sollte sich auf jeden Fall möglichst früh beim Studierendenwerk samskipnaden bewerben (https://samskipnaden.no/en), damit man nicht zwischendurch von einem Zimmer in ein anderes umziehen muss. Die Lebenshaltungskosten in Longyearbyen sind nochmal etwas höher als die in Bergen. Falls man Ausflüge über die Tourismusunternehmen buchen möchte, ist das auch ziemlich teuer. Aber über das studentisch organisierte „student equipment“ kann man mit etwas Glück kostenlos Material ausleihen (wie zum Beispiel Microspikes, ein Lawinenset, Langlaufski etc.) und, wenn man die „course rifles“ hat, kann man natürlich gut mit den Kommiliton:innen aus seinen Kursen selbst Ausflüge organisieren. Weil in Spitzbergen minus zehn bis minus fünfzehn Grad Celsius normal sind und es sogar noch kälter sein kann, braucht man warme Winterkleidung für seine Freizeit. Für die Uni-Exkursionen bekommt man den Schneemobilanzug, Stiefel, Helm und Fäustlinge vom UNIS gestellt. Für die Polarnacht und zum Eishöhlen Erkunden lohnt es sich, eine Stirnlampe mitzubringen. Eine Thermoskanne und eventuell ein Thermosbehälter für Essen sind auch praktisch. In Spitzbergen kann man sehr viel draußen unternehmen: Wintersport wie langlaufen und Skitouren machen, Wanderungen, Schneemobiltouren usw. Ich fand es sehr cool, in der „student cabin“ zu übernachten, weil wir dort Polarfüchse und Walrosse beobachten konnten. Ansonsten sieht man vor allem oft Rentiere, auch mitten im Ort, Schneehühner und, wenn es wieder hell wird, auch andere Vogelarten. Eisbären habe ich leider keine gesehen, aber manche Kommiliton:innen haben auf Bootsfahrten welche gesehen. Auch wenn Longyearbyen nur ca. 2500 Einwohner:innen hat, gibt es einige Angebote im Ort wie Museen, ein Kino, Cafés, eine Bibliothek, Quizabende etc. Ich fand es toll, dass regelmäßig Aktivitäten von samskipnaden angeboten wurden, darunter eine Wanderung zu einer Eishöhle im Gletscher Larsbreen, Strickabende, Bilder Malen, Spieleabende etc. Stricken ist insgesamt eine sehr beliebte Freizeitbeschäftigung und auch im Café Fruene gibt es jede Woche einen Strickabend.
Studienfach: Climate, Earth, Water, Sustainability
Aufenthaltsdauer: 08/2023 - 04/2024
Gastuniversität: Universitetet i Bergen
Gastland: Norwegen
Rückblick
Bergen ist eine sehr schöne Stadt zum Studieren und Leben. Am besten hat mir gefallen, dass man so gut wandern gehen kann. Die Kurse, die ich in Bergen belegt habe, haben mir insgesamt gut gefallen und ich war froh noch mehr über Geophysical Fluid Dynamics lernen zu können. Der erste Teil des Semesters in Bergen war sehr stressig für mich, weil das Potsdamer Sommersemester (bis Ende September) und das Bergener Herbstsemester (ab Mitte August) überlappen und ich noch Einiges für die Module in Potsdam zu tun hatte. Das solltet ihr also auf jeden Fall im Hinterkopf haben, wenn ihr eure Kurse wählt, und euch gegebenenfalls weniger Kurse vornehmen. Falls ihr Zeit habt, würde ich empfehlen, in Norwegen noch zu anderen Orten zu reisen und, falls ihr mit Bus und/oder Bahn nach Bergen anreist, eine oder mehrere Zwischenübernachtungen einzuplanen, um z.B. Oslo anzuschauen.
Die Zeit in Spitzbergen war sehr aufregend und toll, weil die Umwelt so anders ist. Im Januar war es mittags wegen der Polarnacht noch ganz dunkel – dafür konnten wir manchmal mitten am Tag Polarlichter sehen - und im April war es nachts durchgehend hell, auch wenn die Sonne da mitten in der Nacht noch knapp unter dem Horizont stand. Mir haben besonders die Schneemobilausflüge, die Wanderungen zu den Eishöhlen und eine Bootsfahrt nach Barentsburg sehr gut gefallen. Ich fand es sehr beeindruckend, die arktisch Landschaft, vor allem die Gletscher und das Meereis, zu sehen und zu erleben.