Vorbereitung des Auslandsaufenthaltes
Als ich mir die Austauschmöglichkeiten angesehen habe, wurde mir schnell klar, dass Malta für mich mit Abstand die beste Option war. Auf Nachfrage wurde mir vom International Office der Uni Potsdam mitgeteilt, dass die beiden Austauschplätze für Malta sehr begehrt sind, sodass ich mir die Zeit genommen habe, ein ausführliches Motivationsschreiben zu verfassen. Abgesehen davon war die Organisation recht unkompliziert. Etwas verwirrend war nur, dass die auf der Webseite der Uni Malta angegebenen Kurse für Erasmus-Studenten ausschließlich Bachelor-Kurse sind. Ich habe mich dann selbstständig durch die angebotenen Module aller für mich in Frage kommenden Masterstudiengänge geklickt und bin so auf mögliche Masterkurse gekommen, zu denen ich seitens der Uni Malta auch problemlos zugelassen wurde.
Studium an der Gastuniversität
Bezüglich des Studiensystems ist zwischen Bachelor- und Masterkursen zu unterscheiden. In den BWL-Bachelorkursen befindet sich in der Regel eine recht hohe Anzahl an Studierenden, entsprechend sind die Vorlesungen klassische Powerpoint-Monologe der Dozenten. Die Masterkurse sind dagegen deutlich kleiner, interaktiver und die Dozenten kennen die Studierenden beim Namen. Auch wenn die Vielzahl an angebotenen Kursen erst einmal sehr interessant erscheint, ist die Qualität der Lehre an der Uni Malta in meinen Augen eher gering. Im von mir gewählten Bachelorkurs (Corporate Strategy) wurden zwar inhaltlich wichtige Konzepte gelehrt, aber in den Vorlesungen auf simplen Slides seitens der Dozentin in monotoner Weise durchgedroschen, während die Hälfte des Kurses sich im überfüllten Raum mit privaten Unterhaltungen die Zeit vertrieben hat. Dafür gab es am Ende eine fair bewertete und sinnvolle Open-Book Klausur, in der man die gelehrten Konzepte mit eigenen Beispielen erläutern musste. Die Masterkurse (am Edward de Bono Institute und dem Centre for Entrepreneurship) erinnerten mich dagegen stark an meine Schulzeit. Es herrschte in der Regel Anwesenheitspflicht und die Atmosphäre war recht locker. Das Lehrtempo war ziemlich langsam und einige der Dozenten sind oft abgeschweift und haben dann minutenlang Anekdoten aus ihrem Privatleben oder anderen Projekten erzählt, die mit dem tatsächlichen Vorlesungsinhalt nichts zu tun hatten. Leider war die Benotung der Assignments in meinen Augen sehr unprofessionell. Mein Eindruck war, dass man, wie in der Schule, sich hier in den Vorlesungen ein „Image“ bezüglich der eigenen Kompetenz und Sympathie aufgebaut hat, welches die Dozenten dann bei der Bewertung der Assignments im Hinterkopf hatten. So kam es vor, dass ich Präsentationen/Assignments eingereicht habe, bei denen ich mir sehr sicher war, dass sie in Deutschland im 1,0er- bzw, 1,3er-Bereich gelandet wären, für die ich in Malta aber nur durchschnittliche Noten bekommen habe. Im Nachhinein bereue ich es, dass ich vorranging Masterkurse gewählt habe und hätte stattdessen lieber Bachelorkurse gewählt, die inhaltlich auf einem ähnlichen Level waren, aber aufgrund der Anonymität in den finalen Klausuren fair bewertet wurden. Der dicht bebaute Campus der Universität erscheint zunächst etwas wie eine große Festung, wenn man aber erstmal die vielen kleinen Wege kennt, ist er ziemlich schön und man kann schöne Rückzugsorte finden. Auch in der Bibliothek habe ich mich sehr wohl gefühlt (leider ist sie am Wochenende größtenteils geschlossen).
Kontakt zu einheimischen und internationalen Studierenden
Die einheimischen Studierenden waren sehr gastfreundlich und hilfsbereit. Zwar bleiben sie in der Regel in ihren Gruppen, doch ich habe problemlos ein paar Kontakte zu ihnen knüpfen können, indem ich proaktiv auf die Leute zugegangen bin. Darüber hinaus gibt es an der Uni Malta eine große Anzahl an internationalen Studierenden, mit denen man sich schnell anfreunden kann. Es gab auch ein paar weitere deutsche Erasmus-Studenten, doch die Anzahl war erstaunlich gering. Stattdessen sind unter den Erasmus-Studenten Italiener am stärksten vertreten, mit denen ich mich sehr gut verstanden habe.
Sprachkompetenz vor und nach dem Auslandsaufenthalt
Ich habe auf Malta durchgehend Englisch und kaum Deutsch gesprochen. Abgesehen von den neu angekommenen Sprachschülern aus Südamerika spricht hier nahezu jeder gutes Englisch. Ich war daran bereits gewohnt und habe nicht den Eindruck, dass sich meine Sprachkompetenz stark verbessert hat, kann mir aber vorstellen, dass Studierende mit weniger internationaler Erfahrung insbesondere ihr Alltagsenglisch auf Malta sehr gut erweitern können.
Wohn- und Lebenssituation
Anders als in Deutschland läuft der Wohnungsmarkt auf Malta vor allem über Immobilienmakler und Facebook Marketplace. Ich habe mir für die erste Woche ein AirBnB gebucht und dann eine kleine Erkundungstour gemacht, um herauszufinden, in welcher Gegend es mir am besten gefällt. Die Unterschiede in den verschiedenen Gegenden sind zum Teil recht groß und ich würde, wenn man viel in Kontakt mit anderen Studierenden sein möchte, auf jeden Fall empfehlen, im Bereich Msida/Gzira/Sliema/Valletta/St.Julian‘s zu wohnen, weil die Busverbindungen oft eher schlecht und unzuverlässig sind. Ich habe mich für Paceville in St. Julian’s entschieden. Hier kann man nochmal eine ganz andere Zeit als im universitären Umfeld verbringen. In der dortigen Gegend findet man einen bunten Mix an Menschen aus der ganzen Welt, vor allem aber viele Südamerikaner (insbes. aus Kolumbien), die an den dort zahlreichen Sprachschulen Englisch lernen oder in den dortigen Online-Casinos oder der Gastronomie arbeiten. Der Altersdurchschnitt ist dort ca. Ende 20 und es herrscht eine erlebnisfreudige Stimmung, wodurch man dort definitiv seinen Spaß haben kann. Besonders gefällt mir an Malta die Sonne, die auch im Winter nahezu jeden Tag intensiv scheint. Bis Mitte Dezember war es sommerlich, erst dann wurde es ab Sonnenuntergang kühl. Auf der anderen Seite ist Malta in meinen Augen ein starker Kandidat für das ungesündeste Land Europas. Die Insel ist sehr stark bebaut und dicht besiedelt, voller Autoverkehr, und die Luft- und Wasserqualität ist spürbar schlechter, als man es aus Westeuropa gewohnt ist. In den ersten Wochen wurde nahezu jeder Neuankömmling erstmal krank. Von Mitte Dezember bis Mitte Februar wurde es in den schlecht isolierten Wohnungen Abends ziemlich kalt und die Klimaanlagen-Heizungen sorgten für stickige Luft und trockene Haut. Dennoch gefiel mir das Leben auf Malta, insbesondere wegen der schönen Sonne und der internationalen Kultur, sehr gut und insgesamt sogar besser als in Berlin.
Studienfach: Betriebswirtschaftslehre (M.Sc.)
Aufenthaltsdauer: 09/2022 - 02/2023
Gastuniversität: University of Malta
Gastland: Malta
Rückblick
Insgesamt war es eine sehr schöne Zeit und ich kann ein Auslandssemester auf Malta, insbesondere während des kalten deutschen Winters, wärmstens empfehlen. Wer Menschen aus der ganzen Welt kennenlernen will, sich zwischenmenschlich weiterentwickeln möchte, oder einfach eine schöne Zeit verbringen will, findet auf Malta sehr gute Rahmenbedingungen dafür. Meine persönliche Empfehlung ist es, in der Zeit bis Mitte Dezember alles zu machen, was man auf Malta machen möchte. Ab den Weihnachtsferien kann man sich dann voll auf die Arbeit konzentrieren, weil dann an der Uni eher Klausurenphasen-Stimmung herrscht und die Kälte auch in Paceville Abends die Stimmung drückt. Wer fair für seine tatsächliche Leistung und nicht nach Sympathiepunkten benotet werden möchte, sollte zudem eher anonymere Bachelorkurse wählen und das Edward de Bono Institute und das Centre of Entrepreneurship nach Möglichkeit meiden.