Vorbereitung des Auslandsaufenthaltes
Es gibt viele Ansprechpartner*innen, die mit ihren Erfahrungen helfen können. Das Netzwerk des International Office ist sehr groß und man kann leicht Personen kontaktieren, die bereits Erfahrungen gesammelt haben. Vor dem Start ins Auslandssemester muss einiges organisiert werden. Das lange Warten auf eine Antwort meiner Partneruniversität in Bogotá hat mich sehr nervös gemacht. Erst einen Monat vorher habe ich die Bestätigung der Universität erhalten und musste mich dann schnell um Flug, Unterkunft, Visum, Versicherungen, Antrag auf ein Urlaubssemester und restliche Hausarbeiten in Potsdam kümmern. Niemand konnte mir so wirklich sagen, wann ich eine Antwort der Universität erhalten würde. Auf meine Mails an die Gastuniversität habe ich auch keine feste Antwort erhalten. Ich war sehr froh, als es dann doch geklappt hat. In Anbetracht dessen, dass ich mich ein Jahr vorher auf das Auslandssemester in Bogotá bewerben musste, war die wirkliche Vorbereitungszeit sehr kurz (ein Monat). Es scheint aber normal zu sein, dass man lange auf die Antwort der Gastuniversität wartet.
Studium an der Gastuniversität
Mein Semester, das ich in Bogotá verbrachte, ist nicht repräsentativ für ein Auslandssemester in Kolumbien. Ich habe nur fünf Wochen Unterricht gehabt, da von Okober bis Januar der nationale Studierendenstreik aller öffentlichen Universitäten in Kolumbien begann. Streiks kommen an den öffentlichen Universitäten häufig vor, jedoch war dieses Semester eine Ausnahmesituation.
Vor dem Streik hat mir die Uni viel Spaß gemacht. Die Art des Studierens ist sehr anders. Der Unterricht erinntert eher an Schulunterricht. Es besteht Anwesenheitspflicht und es gibt viele Hausaufgaben, Gruppenarbeiten und Präsentationen. In meinen Kursen (aus der künstlerischen und sozialwissenschaftlichen Fakultät) musste ich viele Texte lesen. Anfangs war es ungewohnt, 50-seitige Texte teilweise über rein philosophische Themen zu lesen, aber ich gewöhnte mich schnell daran.
Das Verhältnis zwischen Studierenden und Dozierenden ist sehr angenehm. Während ich in Potsdam oft eine („wissenschaftliche“) Distanz zwischen Studierenden und Dozierenden spüre, ist das Verhältnis an einer kolumbianischen Universität fast freundschaftlich, aber trotzdem profesionell. Unter den Studierenden hatte ich manchmal das Gefühl, dass jede*r für sich ist. Das ist aber auch von Fakultät zu Fakultät unterschiedlich. Die ORI (International Office der Universidad Nacional de Colombia) hilft den Studierenden wo sie kann, egal ob es sich um Personalausweisanträge, Kursbelegung oder allgemeine Beratungsgespräche in Bezug auf Ankommen in einem fremden Land handelt.
Da ich nur kurze Zeit studierte, kann ich nicht einschätzen, wie die Anforderungen und Bewertungen an der Universität sind. Während des Streiks musste eine Lösung für die ausländischen Studierenden gefunden werden. Sowohl die ORI als auch Dozierende waren bemüht, schnell eine Lösung zu finden. Da der Streik eine Ausnahmesituation war, war die Lösungsfindung anfangs sehr chaotisch. Letztendlich konnte ich aber alle meiner Kurse durch Extraunterricht und Aufgaben abschließen.
Die öffentlichen Universitäten in Kolumbien haben teilweise große finanzielle Schwierigkeiten. Das war auch einer der Gründe des Streiks. An der Universidad Nacional de Colombia in Bogotá bekommt man diese Mängel im Alltag mit. Einige Gebäude sind einsturzgefährdet. Der Studiengang Architektur hat ironischerweise gar kein Gebäude mehr. Auffallend ist, dass die naturwissenschaftlichen und Ingenierstudiengänge eine gute Ausstattung haben und Geld vor allem im sozialwissenschaftlichen und künstlerischen Bereich fehlt.
Das Thema des nationalen Streiks in Kolumbien ist sehr komplex. Ich habe mich ausführlich damit beschäftigt, auf meinem Blog über die Situation geschrieben und Artikel in Deutschland dazu veröffentlicht. Für alle, die sich dafür interessieren und die Struktur besser verstehen wollen:
https://lowerclassmag.com/2018/12/22/kolumbien-der-kampf-um-freie-bildung-studenten-protest-streik/
Kontakt zu einheimischen und internationalen Studierenden
Ich habe Kolumbien als ein Land wahrgenommen, deren Bewohner*innen ausländische Personen sehr offen und herzlich begegnen. Die Universidad Nacional de Colombia bietet viele Veranstaltungen in der Einführungswoche an, bei denen man andere Austauschstudierenden kennenlernen kann.
Die kolumbianischen Studierenden in meinen Kursen wirkten anfangs ein wenig reserviert. Ich wurde nicht viel angesprochen von Mitstudierenden. Das muss man eher selbst in die Hand nehmen! Mit der Zeit habe ich viele, sehr gute Freundschaften mit Kolumbianer*innen geschlossen. Von vielen ausländischen Studierenden erlebte ich jedoch, dass sie in ihrer „Ausländer*innenblase“ stecken. Kolumbien entwickelt sich immer mehr zu einem beliebten Reiseziel, doch der Tourismus baut sich gerade erst so richtig auf. Nach meiner Erfahrung sprechen nicht viele Kolumbianer*innen gutes Englisch. Da ich schon vorher fließend Spanisch sprach, habe ich mich schnell mit Kolumbianer*innen anfreunden können. Ich denke, dass die Sprache ein wichtiger Faktor bei der Freundschaftsentwicklung ist.
Sprachkompetenz vor und nach dem Auslandsaufenthalt
Bevor ich nach Bogotá kam, sprach ich schon fließend Spanisch, da ich ein Freiwilliges Soziales Jahr in Tunja, Kolumbien absolvierte. Ich wollte die Zeit nutzen, um mein Spanisch zu verbessern und vor allem auch meinen fachlich-akademischen Wortschatz auszubauen. Während des Auslandsaufenthaltes habe ich nochmal sehr viel gelernt und mich verbessert.
Wohn- und Lebenssituation
Meine Wohnung habe ich über die Facebookgruppe „Bogotá Short Term Rentals“ gefunden. Es gibt noch viele weitere, ähnliche Gruppen, wo täglich neue Angebote reingestellt werden. Während man sich in Berlin schon Monate vorher kümmern muss, klappt das in Bogotá (wie so vieles) sehr spontan. Ich bin die ersten Tage bei Freunden untergekommen, mit denen ich durch die Viertel rund um die Universität gelaufen bin und Wohnungen besichtigt habe. In den Sektoren gibt es viele Zettel mit Telefonnummern, die Zimmer anbieten. Egal, für welchen Weg man sich entscheidet: auf jeden Fall vorher persönlich angucken!
In Kolumbien ist es sehr typisch, bis ins hohe Alter (auch mal bis Mitte 30) noch zuhause zu wohnen, unter anderem auch um Kosten zu sparen.
Viele Studierende wohnen in einem der vielen Studierendenhäuser rund um die Universität. Meine Erfahrung war, dass dort viele, teilweise auch ausländische Studierende (bis 15, variiert aber) zusammenleben. In den Kosten sind meist drei Mahlzeiten enthalten (schwierig für vegane, vegetarische Ernährung). Die Idee ist, dass sich die Studierenden voll und ganz auf das Studium konzentrieren können und nicht noch nebenbei kochen müssen. Ich habe mich dagegen entschieden, weil man in seiner Selbstständigkeit stark eingeschränkt wird (kein Kochen, Besucherzeiten) und es eher ein Hostelfeeling mit so vielen Menschen und zu wenig Badezimmern ist. Einige meiner Freunde haben sich aber wohl gefühlt.
WGs in Kolumbien funktionieren ein wenig anders. Viele WG-Leute wollen in Ruhe studieren oder arbeiten und wollen sich dann zuhause zurückgezogen ausruhen. Nach meiner Erfahrung wird in kolumbianischen WGs nicht viel miteinander gemacht, was ich sehr schade fand. In Bogotá findet man aber jede Art von WG. Viele Ausländer*innen tun sich auch zusammen und leben in einer offenen, unterlebensfreudigen WG.
Lebenshaltungskosten
Kolumbien ist (gerade wenn man mit dem Euro kommt) ein sehr günstiges Land!
Für die monatliche Miete habe ich je nach Wechselkurs ca. 180€ gezahlt (650.000 Pesos). Es sind aber auch viel günstigere Unterkünfte zu finden! Je nach Sektor steigen die Mieten dann auch. Im beliebten Viertel Chapinero kostet die Miete ab 240€.
Lebensmittel sind in Kolumbien im Vergleich zu Deutschland sehr günstig! Vor der Haustür hatte ich einen lokalen Obst- und Gemüseladen, in dem ich mich für eine Woche mit Frischem eindeckte uns zahlte in Schnitt 4-7€. Der Vorteil der kleinen Märkte: die Produkte kommen alle vom Land und wurden nicht durch die große Lebensmittelindustrie gezogen. Der gesamte Wocheneinkauf hat ca. 10€ gekostet (vegetarische Ernährung, ich kenne die Fleischpreise nicht).
Auch Restaurants sind sehr günstig, gerade in der Unigegend. Mittagsangebote bieten für 6.000 – 8.000 Pesos (unter 2 bis 3€) einen frischen Saft, eine Suppe, den Hauptgang (immer eine große Portion Reis mit verschiedenen Beilagen und Fleisch, bzw. vegetarisch) und manchmal einen kleinen Nachtisch an. Wenn man sich nach internationaler Küche (und einer Reispause) sehnt, dann wird es ein wenig teurer, ist aber immer noch weit entfernt von deutschen Preisen!
Straßenfood ist auch sehr typisch und günstig in Kolumbien. Überall werden Empanadas, Arepas und Säfte für Eineuropreise verkauft (oder weniger).
Das Verkehrssystem in Bogotá wird immer wieder stark kritisert. Die Achtmillionenstadt hat keine Metro, sondern nur TransMileniosystem. Durch die ganze Stadt fährt die TransMilenio, die eine extra Straßenspur hat und somit dem Berufsverkehr entkommt. Eine Fahrt kostet 2.400 Pesos (ca. 68 Cent). Dabei ist es egal, ob ich nur eine Station fahren möchte oder vom Süden Bogotás bis in den Norden. Die SITP-Busse fahren auf den normalen Straßen und kosten ca. 2.200 Pesos (ca. 62 Cent). Offizielle Busfahrpläne und Routen habe ich nie entdeckt, weshalb ich mich eher in TransMilenio fortbewegt habe.
Die Universität bietet viele kostenlose und günstige Aktivitäten an, wie Yoga- und Sportkurse oder Studierendengruppen, die sich engagieren. Kolumbien ist die Gelegenheit, ein Hobby auszuprobieren, das man sich vorher nie getraut hat (vielleicht auch weil es in Deutschland zu teuer ist).
Innerhalb von Kolumbien kann man sehr günstig reisen, wenn man mit Bus unterwegs ist und in Hostels unterkommt. Es gibt viele interessante Orte rund um Bogotá, die einen (Wochenend-)Ausflug wert sind.
In Kolumbien zu leben war für mich viel günstiger als in Deutschland. Ich gewöhnte mich schnell an die niedrigen Preise. Während des Semesters ist mir aber auch aufgefallen, dass ich sehr „privilegiert“ gelebt habe. Ich musste nicht so auf den Geldbeutel achten, während für einige Kolumbianer*innen jeder Peso zählt. Während uns das Leben günstig erscheint, ist es das für Kolumbianer*innen nicht.
Studienfach: Europäische Medienwissenschaften
Aufenthaltsdauer: 08/2018 - 01/2019
Gastuniversität:Universidad Nacional de Colombia
Gastland: Kolumbien
Rückblick
Kolumbien ist ein wunderschönes Land mit einer großen Vielfalt! An der Uni hatte ich die Gelegenheit, weg vom eurozentrischen Weltbild, das in deutschen Universitäten vermittelt wird, zu kommen. Das Kursangebot an der Uni ist sehr breit gefächtert. Die Universidad Nacional de Colombia ist eine moderne Uni mit einer sehr tollen Atmosphäre, die mit ihren offenen Studierenden kommt. Ich würde sofort noch ein Semester dort verbringen.