Vorbereitung des Auslandsaufenthaltes
Ich wollte während meines Studiums eine zweite Fremdsprache lernen und habe mich schon immer für italienische Geschichte interessiert, daher war ein Auslandssemester in Italien die logische Konsequenz. Bologna war mein Erstwunsch, der Erasmusplatz wurde jedoch an eine andere Person vergeben, meine Zweitwahl fiel auf Viterbo, eine Kleinstadt, mit dem Zug ca. zwei Stunden von Rom entfernt. Die für die Vorbereitung zu treffenden Schritte im Voraus stellten sich nicht als besonders schwierig dar. Anders sah es allerdings mit dem Kontakt mit dem International Office in Viterbo aus, insbesondere mit der für die Erstellung des Learning Agreements wichtigen Vorauswahl der Kurse. Die für ankommende Studierende verantwortliche Person sprach nicht wirklich gut Englisch, die Emails waren oftmals voller Informationen und Tabellen, dabei aber wenig verständlich, wenn einem die dortigen Unistrukturen und Abläufe nicht vertraut waren. So ergaben sich mehrmals Missverständnisse sowie fehlerhafte Informationen, die unter anderem dazu führten, dass ich drei Wochen vor dem eigentlichen Semesterbeginn in Italien ankam. Der zähe und anstrengende schriftliche Kontakt stand im Kontrast zur Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit der Mitarbeiter*innen vor Ort. Mein Tipp an dieser Stelle: Sollte sich der Kontakt am Anfang als schwierig gestalten und euch möglicherweise verunsichern, versucht das Ganze dennoch nicht so eng zu sehen. Abgesehen von der Kurswahl sind die einzureichenden Dokumente verständlich und die Abgabe nicht kompliziert. Es ist sowieso sehr wahrscheinlich, dass ihr euch, bezüglich der Kurswahl, noch umentscheidet, wenn ihr vor Ort seid. Ich habe meine endgültige Kurswahl erst vor Ort und mit Hilfe der Menschen dort getroffen und es hat funktioniert.
Angekommen
Die Universität bietet euch schon vor eurer Ankunft an, ein Zimmer im Studierendenwohnheim zu mieten. Diese Zimmer kosten ungefähr 180 Euro, sind einzeln bewohnt und verfügen über ein eigenes Badezimmer mit Dusche und Toilette. Obwohl die Zimmer in ihrer Qualität variieren, würde ich euch empfehlen eins zu nehmen. Es ist natürlich kein Luxusapartment, aber es ist absolut ausreichend. Ich habe mich allerdings gegen einen Wohnheimplatz entschieden, da ich lieber mit einer WG, am liebsten mit ItalienerInnen, und damit einem festen Bezugspunkt in das Erasmus starten wollte. Zwei Dinge haben sich dabei aber als maßgeblich falsch erwiesen. Da diese Planung vor meiner Ankunft in Viterbo stattfand, konnte ich die Lage vor Ort nicht richtig einschätzen und es stellte sich als Fehler heraus, nicht in das Wohnheim zu ziehen, sondern in eine WG. Ich habe mich in meinen WGs nicht sonderlich wohlgefühlt und da die Stadt nicht sonderlich groß, sowie das studentische Leben überschaubar ist, gestaltete sich die Suche nach einer alternativen WG als schwierig. Deshalb lege ich es euch wirklich ans Herz, euch für ein Zimmer von der Uni zu entscheiden. Eine günstigere Art zu wohnen gibt es nicht und der direkte Kontakt zu anderen Studierenden ist durch das Zusammenleben auch automatisch vorhanden. Abgesehen davon sind auch sehr viele italienisch sprechende Leute vor Ort, die euch bei Fragen und Problemen helfen können. Solltet ihr euch trotzdem für eine WG entscheiden wollen, könnt ihr schon in Deutschland Kontakt mit den Leuten von ASES aufnehmen. Das ist eine Organisation, die sich sehr bemüht, Kontakte unter den Erasmus-Leuten herzustellen, und ihnen sowohl durch anfänglich geplante Veranstaltungen zum Kennenlernen der Stadt und Menschen als auch durch regelmäßige bestehende Veranstaltungen unter dem Semester eine gute Zeit zu ermöglichen. Solltet ihr euch vor Ort etwas suchen wollen oder ein bestehendes Zimmer wechseln, helfen euch die MitarbeiterInnen im International Office weiter, genau wie ein Blick ans schwarze Brett der Universität. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es dort immer Angebote gab.
Leben in der Stadt
Viterbo ist zwar im Vergleich zu Großstädten wie Berlin, Leipzig oder Hamburg sehr beschaulich, verfügt aber dennoch über alle wichtigen Einrichtungen. Das Zentrum als historischer Stadtkern ist die am besten erhaltene Altstadt in ganz Mittelitalien. Die Architektur, die kleinen Gässchen, Hügel, Läden und Cafes sind absolut verzaubernd und erzeugen eine romantische und entschleunigte Atmosphäre. Es gibt eine Vielzahl von Kleidungsläden, Lebensmittelgeschäften und was es sonst noch so bedarf. Außerhalb der Altstadt gibt es zusätzlich dazu auch noch größere Geschäfte, wenn es mal etwas bestimmtes oder günstigeres sein soll. Viterbo verfügt darüber hinaus auch über ein Kulturleben mit mehreren kleinen Museen, einem kleinen Kino und zwei Theatern , von denen ich euch insbesondere das „Caffeina“ empfehlen kann. Es ist sowohl Theater als auch Bücherei und Cafe und unter den Studierenden eine kleine Institution. Das Nachtleben in Viterbo hat verschiedene Bars und kleine Restaurants zu bieten, in denen ihr, für deutsche Verhältnisse, günstig essen könnt. Empfehlenswert sind außerdem die sogenannten Aperitivos, die abends in vielen Bars und Cafes angeboten werden. Dort habt ihr die Möglichkeit, euch nach einem ersten Getränk an einem Buffet mit italienischen Snacks und Vorspeisen zu bedienen. Meist ersetzt dies auch die Notwendigkeit eines Abendbrotes und ist zudem super lecker. Alles in allem muss an dieser Stelle aber erwähnt werden, dass ein vielfältiges studentisches Leben in Viterbo nur begrenzt möglich ist. Die meisten Bars müssen um spätestens 1 Uhr schließen und auch die Clubs sind in ihrer Musikauswahl relativ limitiert. Ich bin in Viterbo nur zu Fuß unterwegs gewesen, denn auch wenn es Busse gibt, ist eigentlich das meiste fußläufig erreichbar. Von Viterbo aus könnt ihr mit dem Bus oder Zug verschiedenste Unternehmungen machen. Die Region ist historisch sehr spannend und vor allem die antike etruskische Kultur hat ihre Spuren hinterlassen, die man an vielen Orten in der Umgebung von Viterbo aus besuchen kann. Eigentlich könnt ihr in jeder Stadt im Umkreis etwas Interessantes finden und seit entweder relativ flink am Meer oder in den Bergen. Solltet ihr die Möglichkeit haben euch ein Auto auszuleihen oder mitgenommen zu werden, fahrt unbedingt zum Vico- oder auch zum Bolsenasee. Die Natur ist einmalig. Solltet ihr euch sportlich betätigen wollen, gibt es verschiedene Fitnessstudios und auch die Uni bietet gegen ein wenig Entgelt verschiedene Dinge an. Aber vor allem lädt die Umgebung um die Stadt herum dazu ein, wandern zu gehen oder zum Schwimmen an einen See oder ans Meer zu fahren.
Studium, Sprache und Kontaktaufnahme
Das Studieren an sich hat mir in Viterbo sehr gut gefallen. Es gibt mehrere kleine Fakuläten in und außerhalb der Altstadt. Ich hatte das Gefühl, aufgrund der geringen Größe sehr gut betreut worden zu sein und auch die DozentInnen, die ich hatte, waren überaus freundlich, hilfsbereit und entgegenkommend. Praktisch ist außerdem, dass bei Prüfungen zwischen drei möglichen Terminen gewählt werden kann. Das Angebot an englischen Kursen war wiederum für meinen Themenbereich in den Geisteswissenschaften relativ spärlich. Ich hatte all meine Kurse auf Italienisch, was für mich eine sehr große Herausforderung war. Unter italienischen Studierenden und auch dem Lehrpersonal ist die Bereitschaft und Fähigkeit Englisch zu sprechen weniger stark ausgeprägt als bei uns in Potsdam oder Berlin. Der Vorteil bestand für mich dadurch darin, dass ich mit meinem kaum vorhandenem Italienisch am Anfang nun relativ gut im alltäglichen Leben zurechtkomme und meine Angst vor dem Sprechen und Fehler machen abgelegt habe. Trotzdem hat es auch Mut gebraucht, offen und auf sprachlich wackligen Beinen auf die anderen zuzugehen. Am Ende habe ich meist nur auf Italienisch kommuniziert, sowohl mit den Leuten aus Viterbo als auch mit den meist spanischen Erasmusstudierenden.
Studienfach: Geschichte, Politik und Gesellschaft
Aufenthaltsdauer: 09/2019 - 02/2020
Gastuniversität: Università degli Studi della Tuscia
Gastland: Italien
Rückblick
Ein Auslandssemester in Viterbo ist in der Hinsicht empfehlenswert, dass die Betreuung der Universität aufgrund der geringen Größe sehr gut ist. Gerade wenn ihr Italienisch lernen wollt, bietet sich Viterbo als Kleinstadt, in der Englisch nicht zum selbstverständlichem Alltagsvokabular gehört, an. Zudem bin ich mit den von mir absolvierten Kursen sehr zufrieden gewesen. Allerdings solltet ihr euch auch darüber bewusst sein, dass es abseits vom universitären Kontext auch langweilig sein kann. Man muss die Abwechslung schon bewusst suchen gehen und je nach Bedarf auch mal eine Fahrt nach Rom in Kauf nehmen. Hat man sein festes soziales Umfeld allerdings gefunden, kann man gerade im Sommer eine tolle Zeit dort haben. Ein Auto zu haben oder auf eines zugreifen zu können, ist jedoch sinnvoll, da viele Orte ohne Auto schwer oder nicht erreichbar sind. Um schnell einen guten sozialen Ausgangspunkt zu haben, lege ich es euch wirklich nahe, euch einen Platz im Studierendenwohnheim zu organisieren. [...] Über die begrenzten Möglichkeiten und Rahmenbedingungen solltet ihr euch im Klaren sein. Wenn ihr das aber tut, offen und selbstbewusst auf Menschen zugehen könnt und schnell die Sprache lernen wollt, könnt ihr auf jeden Fall eine gute Zeit in Viterbo haben.