Vorbereitung des Auslandsaufenthaltes
Ich wusste schon zu Schulzeiten, dass ich im Laufe meines Studiums unbedingt für zwei Semester mit dem Erasmus+-Programm ins Ausland gehen wollte. Ursprünglich hatte ich die Stadt Montpellier in Südfrankreich als Zielort im Kopf und gleich zu Beginn meines Studiums habe ich mich dort für ein Auslandsjahr im zweiten Studienjahr beworben. Leider war dies 2020 und fiel somit in die Anfangsphase der Corona-Pandemie. Kurzerhand wurde der Aufenthalt gecancelt, meine Pläne aber nur aufgeschoben. In der Zwischenzeit fing ich an Italienisch zu lernen und dementsprechend lag es auf der Hand, mein Erasmus in Italien zu absolvieren. Und – ohne etwas vorweg nehmen zu wollen – was bin ich froh über diese Entscheidung!
Ich wusste also schon von meinem ersten Anlauf (auch wenn die Bewerbung nun schon drei Jahre zurück lag), wie der Prozess in etwa ablief. Ich muss dazu sagen, dass unser International Office wirklich tolle Informationsangebote (-veranstaltungen, -webseiten, Checklisten etc.) zur Verfügung stellt, denen man Schritt für Schritt folgen kann. Auf der Erasmus-Seite der Romanistik konnte ich die Kooperationen des Instituts mit Italien einsehen. Ich wollte definitiv in eine kleinere Stadt, da ich aus Berlin komme und dort lebe. Ich erinnere mich, dass ich mir die Städte, die in Frage kamen, auf Google angeschaut habe und die Entscheidung zu einem großen Teil von den Fotos abhängig machte, denn viele der Namen sagten mit nichts. Für mich hat das sehr gut geklappt: Meine Wahl fiel auf Perugia, ein kleines Städtchen im Herzen Umbriens, umringt von Bergen. Selbst 493m über dem Meeresspiegel gelegen, ziehen sich etruskische und mittelalterliche Mauern durch die Stadt, überall gibt es kleine versteckte Gassen und im historischen Stadtzentrum finden sehr häufig kulturelle Veranstaltungen statt. International bekannt ist sie vor allem für das jährlich im Juli stattfindende Umbria Jazz, ein Musikfestival, und Eurochocolate, ein großes Schokoladenfest. Generell ist die Stadt sehr international und jung, es gibt tausende Studis, die vor allem abends das Stadtzentrum bevölkern und durchgängig für eine sehr lebhafte Atmosphäre sorgen. Außerdem ist sie eine Partnerstadt von Potsdam. Die Università per Stranieri, die neben der Università degli Studi di Perugia jährlich viele (internationale) Studis anzieht, informiert auf ihrer Website über den Bewerbungsprozess und alle einzureichenden Unterlagen. Leider konnte ich von dort nicht auf das Vorlesungsverzeichnis zugreifen, bekam aber nach Anfrage per Mail schnell den richtigen Zugang zugeschickt. Da ich in meinem Studium schon so weit fortgeschritten war (durch Corona nämlich schon im 9. Semester), hatte ich bereits fast alle Kurse abgeschlossen und eine Anrechnung der im Ausland erbrachten Leistungen war nicht mehr möglich. Das erlaubte mir aber auf der anderen Seite, wirklich für mich ansprechende Kurse auszuwählen, ohne auf eine eventuelle Anrechnungsmöglichkeit Rücksicht nehmen zu müssen. Die Tabelle B im Learning Agreement, das ich online über die OLA-Plattform ausfüllen konnte, habe ich also einfach freigelassen. Das wurde so genehmigt und zeitnah von beiden Universitäten unterschrieben. Soweit ich mich erinnere, war damit alles Nötige eingereicht. Zuvor erzählte mir jedoch noch eine Kommilitonin, die zufällig dort Urlaub gemacht hatte, dass es möglich sei, schon einen Monat vor Beginn der Mobilitätsphase einen kostenfreien Sprachkurs an meiner Uni zu machen. Also war klar, dass ich bereits einen Monat früher (zu September) anreisen würde. Die Anmeldung ging ganz einfach über ein Online-Portal, Mitte August wurde ich per Videochat einem Sprachniveau zugeteilt und konnte dann im September am Kurs B1.3 teilnehmen.
Studium an der Gastuniversität
Meine Ankunft in Perugia war sehr angenehm; durch die frühere Anreise konnte ich mich entspannt an Sprache und Kultur gewöhnen, die Stadt erkunden und bereits erste Bekanntschaften machen. Anfang September wurden dann auch die Kurszeiten hochgeladen und mein Stundenplan stand, bis auf einen Kurs, der nicht angeboten wurde, wie ich ihn geplant hatte. Bei einer Stadt- und Campustour Anfang Oktober erfuhr ich allerdings, dass es auch möglich sei, nur Sprachkurse zu belegen, für die ich ebenfalls ECTS Punkte erhalten könnte. Ein sehr attraktives Angebot für mich, denn die Sprache war ja wie gesagt eine große Motivation für die Ortswahl gewesen und anrechnen lassen konnte ich mir sowieso nichts. Also passte ich mein OLA an, strich die geplanten Kurse und ersetze sie durch die Sprachkurse B2, C1 und C2. Mit einer Dauer von jeweils drei Monaten waren sie in Abschnitte unterteilt (d.h. jeweils einen Monat z.B. B2.1, B2.2, B2.3) und brachten mir insgesamt 80 (!!!!) ECTS ein. Ich hatte nun jeden Tag von 9 Uhr bis 12/13 Uhr Unterricht, es gab verschiedene Unterrichtseinheiten, wobei mir der Unterschied bis heute nicht ganz klar ist. Abgesehen von Phonetik glichen sich Struktur und Inhalte doch sehr, aber das war okay. 70% der Zeit muss man anwesend sein, das entspricht 3 von 4 Wochen in einem Sprachkursabschnitt. Am Ende jeden Monats gab es zwei Abschlussklausuren, die circa 1-2 Stunden schriftlich und 15 Minuten mündlich dauerten. Alle drei Monate gab es ein größeres Examen, das das jeweilige Sprachniveau besiegelte. Ab dem C1-Level müssen zusätzlich zwei Kulturkurse belegt werden, die nach drei Monaten mit einer mündlichen Prüfung (Präsentation) abgeschlossen werden. Ich entschied mich für die Kurse „Cinema italiano nel mondo“ und „Arte fuori sede“, bei dem wir wöchentlich drei Stunden die (Kunst in der) Stadt erkundeten. Leider haben mich Inhalt, Umsetzung und die Dozierenden dieser beiden Kurse nicht ganz überzeugen können, sodass ich sie für den C2- Kurs nicht erneut belegte. Dadurch bekam ich weniger ECTS, aber immer noch mehr als ausreichend. Die „normalen“ Sprachkurse hingegen haben mir eigentlich immer Spaß gemacht. Allerdings richten sich diese Kurse nicht nach den normalen Semesterzeiten: Ich hatte durchgängig Unterricht und keine Semesterferien wie die anderen, dafür aber jeden Monat zwischen den Kursen ein paar Tage frei und keine stressige Prüfungsphase am Ende der Semester. Alles in allem bin ich also sehr froh über diese Wahl und kann sie jedem empfehlen, der wie ich keine Kurse zur Anrechnung offen hat oder dem keine zur Belegung zur Verfügung stehen. Ich hatte morgendliche Unterrichtszeiten und nachmittags immer frei, und komme mit einem zertifizierten C2-Niveau aus meinem Erasmus zurück.
Kontakt zu einheimischen und internationalen Studierenden
Der erste Kontakt zu ausländischen Studierenden erfolgte sehr leicht über meinen Unterricht (schließlich befanden sich dort keine Muttersprachler*innen). Darüber hinaus gibt es in der Stadt aber eine ausgezeichnete Erasmus Student Network Ortsgruppe. ESN ist ein Netzwerk, dass sich europaweit, mindestens in allen „wichtigen“ Erasmus-Städten, für internationale Studierende einsetzt. Regelmäßig organisieren sie Veranstaltungen, stehen mit Rat und Tat zur Seite, egal ob bei Fragen zur Wohnungssuche oder Problemen an der Uni. In Perugia bieten sie auch ein Buddy-System an. Über diese Veranstaltungen habe ich sehr schnell viele Studis kennenlernen können, einheimisch und aus der ganzen Welt. Um teilnehmen zu können, ist eine einmalige Registrierung notwendig, über die sie auf ihrem Instagram-Profil (@esnperugia in den Story-Highlights) informieren. Anschließend kann man sich eine ESN-Karte abholen, die auch viele Rabatte für die Stadt, aber auch für große Unternehmen wie FlixBus beinhaltet! Ich rate also jedem, sich schnellstmöglich zu registrieren, denn dann wird man auch in eine WhatsApp- Gruppe hinzugefügt und kann schon aus der Ferne hilfreiche Tipps und Antworten erhalten, nicht nur von Locals, sondern auch von anderen Internationals, die z.B. nach Mitbewohner*innen für eine Wohnung suchen. Die ESN-Gruppe in Perugia war wirklich sehr engagiert, wöchentlich gab es mehrere Events für uns: von gemeinsamen Restaurant-Besuchen, zweiwöchentlichem Karaoke und Sportangeboten über Partys (wöchentlich mindestens eine) bis hin zu Reisen (Florenz, Rom, Siena, etc. aber auch nationale Kooperationen mit anderen ESN-Gruppen). Auf den Veranstaltungen habe ich nicht nur andere Erasmus Studis kennengelernt, sondern bin auch in Kontakt mit den Italiener*innen gekommen. Viele von ihnen sind zu meinen engsten Freund*innen während des Erasmus geworden und es ist toll, nun immer noch Leute vor Ort zu haben. So kann ich noch einfacher jederzeit zurück kommen.
Wohn- und Lebenssituation
Meine Unterkunft habe ich bereits 6 Monate vor Anreise einfach über AirBnB gebucht. Auf diese Idee brachte mich eine Freundin, die bereits viel Auslandserfahrung gesammelt hatte und diese Lösung mit Supportteam bevorzugte. Es kann immer etwas riskant sein, aus der Ferne eine Unterkunft zu buchen, ohne diese vorher gesehen zu haben und mit eventueller Kautionsanzahlung quasi auf Vertrauensbasis. Ich folgte ihrem Rat und fand eine süße kleine Unterkunft ca. 15min vom historischen Zentrum entfernt. Mein Aufenthalt dort war toll, aber inzwischen weiß ich, eine Unterkunft noch direkter im Zentrum wäre noch besser gewesen, denn dort spielt sich das gesamte Leben ab. Nicht zuletzt durch die ESN-Gruppe habe ich von vielen Wohnungsmöglichkeiten gehört, kann dazu aber leider keine Hinweise geben, da sie für mich nie relevant waren. Es ist aber auf jeden Fall möglich. Da die Stadt sehr hügelig ist, ging es für mich also 10 Monate mehrfach täglich bergauf und - ab, aber das war mein tägliches Cardio-Training. Zur Uni bin ich eigentlich immer gelaufen, aber es gibt auch ein gutes Busnetz. Mit dem Semesterticket für 60€ (!) kann man 1 Jahr (!) mit allen Bussen und der MiniMetro fahren, einer unglaublich süßen kleinen Bahn, die mich stark an einen Freizeitpark erinnert und das Stadtzentrum mit der Neustadt verbindet. Außerdem kann man mit dem Ticket per Bus auch andere Städte besuchen wie das nahegelegene Assisi. Über die Beantragung informiert das ESN ebenfalls. Perugia ist ein kleines Städtchen auf einem Berg mitten im grünen Umbrien. Berge, soweit das Auge reicht, umringen die Stadt, Wein und Oliven werden angebaut und schon hinter der nächsten Ecke könnte sich überraschend der nächste schöne Aussichtspunkt verbergen. Umbrien ist sehr zentral gelegen, aber die einzige Region der Halbinsel, die nicht direkt am Meer liegt. Dennoch sind Mittelmeer- und Adriaküste beide schnell zu erreichen. Abgesehen davon, gibt es viel in der Region zu entdecken, ich empfehle unbedingt folgende Orte:
- Kleinere Städte: Assisi, Gubbio, Orvieto, Spello, Spoleto
- Die Cascata delle Marmore: Wasserfälle in Terni
- Die Gole di Narni / del Nera / Stifone: Schluchten mit türkisenem Wasser
- Den Lago Trasimeno mit der Isola Maggiore
Die Lebenshaltungskosten in Perugia sind nicht hoch. Einen Cappuccino erhält man im Schnitt für 1,50€, eine Pizza für 10€ ist teuer. Das ist natürlich eine ausgezeichnete Voraussetzung für uns Studis, und Cafés, Bars und Restaurants laden an jeder Ecke und in jeder Gasse zum Verweilen ein. Das Leben spielt sich hauptsächlich draußen ab, was sehr schön ist. Allerdings gibt es eben auch nicht viel drinnen zu tun: Hat man alle Museen und Galerien durch, gibt es neben Kinos nicht viele Optionen bei schlechtem Wetter. Natürlich gibt es das ganze Jahr über tolle Veranstaltungsangebote von ESN, aber sollte die Entscheidung anstehen, würde ich eher zu einem Aufenthalt im Sommer raten, wenn Aussichten auf schlechtes Wetter kleiner und die Straßen belebter sind.
Studienfach: Kulturwissenschaft / Französische Philologie
Aufenthaltsdauer: 09/2023 - 07/2024
Gastuniversität: Università per Stranieri Perugia
Gastland: Italien
Rückblick
Ich bin jetzt seit zwei Tagen zurück und im Kopf noch ganz vor Ort. Es war eine wirklich schöne Zeit dort und die Stadt und die Menschen werden mir fehlen. Ich bin froh, zwei Semester gewählt zu haben, da sich meine Vorahnung bestätigt hat: Es braucht eine gewisse Zeit, auch mental anzukommen und dann ist es schön, wenn noch ein paar Monate in Aussicht stehen. In meinem Fall hat es beinahe das ganze erste Semester gebraucht, bis ich *wirklich* angekommen war. Aber auch abgesehen davon ist es schön, einen ganzen „Zyklus“ dieser Stadt mitzunehmen, mit all den Events, der Weihnachtszeit und dem Kommen und Gehen der anderen Studis. Vor allem das Stadtzentrum wird mir fehlen, wenn es abends von Studis überflutet wird und sich das Stimmengewirr mit dem Zirpen der Zikaden mischt. Ich rate allen zu einem Erasmus-Aufenthalt, egal ob in Perugia oder in einer anderen Stadt. Es ist das Eine, eine fremde Sprache und Kultur kennenzulernen und schöne Erlebnisse und Erfahrungen im internationalen und interkulturellen Kontext zu machen. Aber dann sind es die Freundschaften mit Menschen aus aller Welt, die bleiben. Mir fehlt die Stadt schon sehr, sie wird für immer einen Platz in meinem Herzen haben, aber ich weiß, dass ich zurückkomme.