Vorbereitung des Auslandsaufenthaltes
Auf die Idee, im Ausland zu studieren, bin ich ziemlich spontan und auch erst relativ spät gekommen. Ich hatte die beiden Unicert-Italienischkurse I/1 und I/2 aus Interesse gemacht und als der zweite fast vorbei war, fragte uns unsere Lehrerin, wer denn schon plante, ins Ausland zu gehen. Das taten zu meiner Überraschung viele, obwohl ich mir noch nie Gedanken darüber gemacht hatte. Als ich dies dann getan und entschieden hatte, es zu versuchen, war ich schon über die Bewerbungsdeadline hinaus. Ich dachte also, ich müsste als Informatiker versuchen, über die Romanistik einen Restplatz zu bekommen. Wie sich herausstellte, waren aber auch noch an der Informatikfakultät genug für Italien vorhanden – allerdings waren hier wegen mangelnder englischer Module in den Bachelorstudiengängen alle Austauschmöglichkeiten erst für den Master vorgesehen. Ich bat daher um eine Ausnahme und bekam diese auch, aber ich würde die Kurse auf italienisch besuchen müssen – wovon ich ehrlich gesagt am Anfang ausgegangen war und was mich also wenig störte. Ich entschied mich also für die Kleinstadt Perugia mitten in Italien und nachdem ich bei fast allen organisatorischen Deadlines zu spät war und mit der Wohnungssuche begonnen hatte, reiste ich Mitte September, ca. 2 Wochen vor Beginn der Vorlesungen, in die neue Heimat.
Studium an der Gastuniversität
Das Studieren in Italien unterscheidet sich (zumindest in meinem Fall) stark von dem in Deutschland. Es gibt zwar eine ähnliche Anzahl Vorlesungen pro Woche, aber nur in den allerwenigsten Modulen Übungen, geschweige denn Übungszettel. Die Prüfung ist meist mündlich, manchmal allerdings auch mit einem Projekt inkl. Präsentation verbunden, und in den wenigsten Kursen gab es stattdessen eine schriftliche Klausur (tw. mit Zwischenprüfung während des Semesters). In den mündlichen sitzt man auch oft mit allen Studenten während der Prüfung in einem Raum. Da man für mündliche Prüfungen anders lernt, musste ich mich erst einmal darauf einstellen, aber dafür waren die Projektvorstellungen und schriftlichen Prüfungen nicht übermäßig kompliziert. Vom Inhalt her würde ich die Vorlesungen als Durchschnitt bezeichnen, allerdings waren einige auch nicht auf dem neuesten Stand oder auf hohem Niveau, weswegen sie mir teilweise nicht angerechnet wurden. Dadurch war der Uni-Alltag allerdings ziemlich stressfrei, auch durch die Italienischkurse, die nicht das ganze Semester lang gingen. Die Informatikfakultät in Perugia ist im Gegensatz zu den anderen, meist schönen Gebäuden der Uni in einem schrecklichen 60er-Jahre-Bau, und die Technik ist dort gefühlt auf einem ähnlichen Stand. Zum Glück ist man als Informatiker selbst gut ausgestattet und daher nicht darauf angewiesen. Es war aber auch manchmal schwierig, den Professor ohne Mikro zu hören oder die Folien auf dem zu kleinen Beamer zu lesen. Trotz allem konnte ich ganz gut mit dem Stoff mitkommen. Das Lernen für die Prüfungen habe ich mit italienischen Studenten zusammen gemacht, wodurch wir uns Arbeit (Vorlesungen zusammenfassen) sparen und uns gegenseitig abfragen konnten. In den mündlichen Prüfungen selber sind die Profs oft gnädiger zu mir gewesen als zu den Italienern (bzw. besonders großzügig mit den Noten, wenn man gut im Thema war) und bei den Projekten wurden soweit ich weiß fast ausschließlich gute Noten vergeben.
Kontakt zu einheimischen und internationalen Studierenden
Da ich als Erasmusstudent in einem italienischen Studiengang ziemlich alleine war, hatte ich kaum Kontakt zu anderen ausländischen Studenten, dafür umso mehr zu italienischen. Die erste Woche haben wir noch englisch miteinander gesprochen, sind dann aber schnell zu italienisch gewechselt – woraufhin ich anfing, ständig nach Wörtern zu fragen und diese dann hoffentlich auch zu lernen. Im ersten Vorlesungszeitraum (ca. 2 Monate) war ich zwar noch eher einzelgängerisch unterwegs, aber ab der Lernphase und im folgenden Semester sind wir dann regelmäßig essen gegangen, haben gemeinsam gelernt, Sport gemacht und ich war auf vielen Geburtstagen und Abschlussfeiern eingeladen. Nur in den Italienischkursen habe ich andere Ausländer getroffen, gelegentlich getroffen habe ich mich außerhalb der Kurse aber nur mit den deutschen.
Sprachkompetenz vor und nach dem Auslandsaufenthalt
Wie gesagt, hatte ich vor meinem Aufenthalt schon Kurse bis zu B2 abgeschlossen. In Italien habe ich dann pro Semester noch einen weiteren gemacht, sodass ich am Ende ein C1- Zertifikat in den Händen hielt (allerdings fühle ich mich noch nicht wie ein C1-Sprecher). Alle Kurse, die ich gemacht habe, waren super und ich würde alle nochmal machen – wie bei den meisten Fremdsprachen hat man aber mit steigendem Niveau auch immer mehr Leute in den Kursen, die eher aus Zwang teilnehmen als aus Interesse, und dementsprechend war die Stimmung manchmal gedämpft, aber alles in allem trotzdem gut. Vor allem durch den Kontakt zu Italienern habe ich dann auch nicht nur Grammatik gelernt, sondern auch Redewendungen, ein bisschen Dialekt und viele Beleidigungen (anscheinend ein Nationalsport). Und in den Vorlesungen kam auch einiges an Fachsprache vor, die ich aber in den meisten Fällen als einfacher empfunden habe als so manche Alltagskonversation.
Wohn- und Lebenssituation
Eine Wohnung zu finden, war für mich die schwierigste Aufgabe. Ich habe ca. 2 Monate vor der Anreise mit der Suche begonnen, allerdings ohne Erfolg, sodass ich „erstmal“ eine Jugendherberge gebucht habe. In der sollte ich dann aber insgesamt ca. 2 Monate lang bleiben – so schwierig war die Wohnungssuche. Ich war auch nicht der einzige: In der Unterkunft waren auch noch einige andere ausländische Studenten in der gleichen Situation. Ständig haben wir auf Immobiliare, in der Facebookgruppe oder auf Telegram nach Angeboten geschaut, die meisten waren aber nicht erreichbar, wollten keine WG (und mehr wollte ich mir nicht leisten) oder haben nach der Besichtigung doch einen anderen Kandidaten gewählt. Als ausländischer Mann hat man es da einfach etwas schwieriger (Frauen-WGs gibt es genug und viele Vermieter wollen lieber Verträge für längere Zeiträume machen). Nach 2 Monaten sollte es dann aber über Telegram klappen, sodass ich noch ca. 8 von meinen 10 Monaten in einer Wohnung nahe am Zentrum und nur 5 Minuten zu Fuß von meiner Uni verbringen konnte. In Perugia selbst ist man gut zu Fuß oder mit dem Bus unterwegs – es gibt ein Jahresabo (September-September) für nur 60€. Für Freizeitfahrten in viele schöne umliegende Städte (Florenz, Assisi, Foligno oder auch Rom) kann man relativ günstig Zugtickets bekommen, oder auch z.B. Regionaltickets für 3 aufeinanderfolgende Tage für 30€. Ansonsten kommt man auch gut mit dem Flixbus umher (das ist oft noch etwas günstiger, aber auch weniger flexibel). Auf keinen Fall nimmt man jemals das Fahrrad, dafür ist Perugia viel zu hügelig. Die Lebenshaltungskosten fand ich relativ ähnlich zu Deutschland, wenn nicht etwas höher. Wir hatten in der WG im Winter teils horrende Gasrechnungen, dafür im Sommer nur einen Bruchteil davon. Lebensmittel sind ähnlich, aber bei einigen (Milchprodukten, Nudeln und anderen typisch italienischen Produkten) sind die Preise geringer, dafür bei anderen etwas höher. Es gibt verschiedene Supermärkte in Perugia (die auch fast alle sonntags geöffnet haben) und auch einen Wochenmarkt immer samstags, wo man aber nicht nur günstiges Gemüse, sondern auch Second-Hand Klamotten, Haushaltswaren und sogar Hühner kaufen kann. Freizeitmäßig gibt es auch ähnliche Angebote wie in Deutschland. Zum Beispiel gibt es so etwas ähnliches wie den Hochschulsport (CUS), da habe ich aber nur an einzelnen Erasmus-Volleyballevents teilgenommen und nicht regelmäßig. Stattdessen konnte ich mein bestehendes Abo im Fitnessstudio dort einfach weiter nutzen. Außerdem kann man in der Altstadt super essen gehen, dort gibt es unzählige und auch günstige Angebote. Auch in der Mittagpause sind meine Freunde und ich oft nicht in die Mensa gegangen (u.a., weil die auch mehrere Monate lang geschlossen war), sondern haben uns Pizza auf die Hand für 4€ oder Ähnliches geholt. Der Neapolitaner hat dann leider im Dezember zugemacht… aber Alternativen gibt es trotzdem genug.
Studienfach: Informatik
Aufenthaltsdauer: 09/2023 - 07/2024
Gastuniversität: Università degli Studi di Perugia
Gastland: Italien
Rückblick
Ich kann einen Auslandsaufenthalt nur jedem empfehlen, auch wenn er wahrscheinlich die Studiendauer verlängert. Ich würde jederzeit wieder einen machen, und auch immer ein ganzes Jahr anpeilen. Mein zweites Semester dort war trotz unerträglicher Sommerhitze nochmal besser als das erste, weil ich einfach viel mehr mit den Italienern unternommen habe. Außerdem würde ich empfehlen, ihn in einem Land zu machen, in dem man die Sprache schon spricht, aber auch noch viel lernen kann. Macht also schonmal einige Sprachkurse in der Heimat und dann aber auch noch fortgeschrittene im Ausland. So könnt ihr nämlich viel natürlicher mit den Einheimischen ins Gespräch (und in die Freundesgruppe) kommen und auch Vorlesungen auf nicht-Englisch besuchen. Das fand ich deutlich weniger anspruchsvoll als erwartet und hätte rückblickend auch keine Lust auf Vorlesungen in (teils gebrochenem) Englisch und mit mehr internationalen Studenten gehabt – schließlich wollte ich dort vor allem die Italiener kennenlernen und so konnte ich auch noch an der Uni meine Sprachskills verbessern.
Sichert euch aber vor allem schon deutlich vor der Anreise eine Wohnung oder zumindest Besichtigungstermine, fangt also am besten schon 4-6 Monate vorher mit der Suche an (d.h. ab dem Zeitpunkt, an dem ihr euch für eine Stadt entscheidet). Das habe ich versäumt und dafür den Preis von 2 Monaten in der Herberge gezahlt – und das kann ich nun wirklich keinem empfehlen.