Vorbereitung des Auslandsaufenthaltes
Vor ungefähr einem Jahr habe ich angefangen mein Erasmussemester vorzubereiten. Jetzt bin ich schon zurück im verschneiten Deutschland und eine aufregende Zeit mit neuen Erfahrungen und Freunden in einer wunderschönen Stadt liegen hinter mir.
Als ich mich damit zu beschäftigen begann, wohin die Reise gehen soll, war schnell klar, dass mich besonders die italienischen Unis interessieren, weil ich zuvor schon einige Zeit im Land gelebt hatte und meine Erfahrungen intensivieren wollte. Ich war mir auch schnell sicher, dass ich einen der Restplätze anderer Studiengänge nutzen wollte, da meiner nur einen einzigen Platz in Modena anbot und ich das Studienangebot nicht so spannend fand. Ich recherchierte zuerst, welche Studiengänge der UP Plätze in Italien anbieten und nahm anschließend Kontakt mit dem jeweiligen Erasmuskoordinatoren auf um zu fragen, wie meine Chancen liegen. Die Chancen lagen meist sehr gut, außer bei der Romanistik, die ihre Plätze meist voll besetzt bzw. erst relativ spät sagen kann, welcher Platz noch frei ist. Ich erkundigte mich immer auch, ob ich, wenn ich einen Restplatz nutze, einen bestimmten Teil meiner Credits fachspezifisch machen muss. Das kommt auf die Vereinbarungen zwischen Gastuni und dem jeweiligen Studiengang der UP an und auch auf den Erasmuskoordinator. Letztendlich konnte ich mich sehr früh und ganz nach eigener Vorliebe zwischen einem Platz an der Uni in Turin und an der Uni von Bologna entscheiden und war auch in der Wahl meiner Kurse frei, insofern, dass sie nur zu meinem eigenen Studiengang passen mussten.
Das System aus Schulen/Studiengängen/Fakultäten/Kursen usw. auf der Website der Unibo zu durchschauen war zunächst nicht einfach und ich war mir auch unsicher, ob ich von Seiten der Gastuni wirklich wählen kann, was ich möchte. Ich schrieb eine Mail an das dortige Erasmusbüro und bekam schnell eine Antwort, die mir half, mein Learning Agreement auszufüllen. Schwierig war, dass zu diesem Zeitpunkt das Vorlesungsverzeichnis für das neue Semester noch nicht da war. Letztendlich habe ich meinen Stundenplan erst vor Ort in den ersten Tagen des Semesterbeginns fertig gemacht und einige Sachen im Vergleich zu meinem Learning Agreement before mobility geändert. Allerdings war das sehr unkompliziert, so wie wider Erwarten auch schon meine Vorbereitung auf den Aufenthalt verlaufen war.
Zur Vorbereitung abseits der Uni: Ich hatte vor meiner Erasmusbewerbung nebenbei verschiedene Italienischkurse gemacht. Von den jungen Italienern sprechen die meisten ein sehr gutes Englisch, aber es gibt auch viele Leute, junge und besonders auch ältere, die kaum oder gar kein Englisch sprechen. Und selbst wenn, kommt es zumindest immer sehr gut an, wenn man ein paar Brocken Italienisch kann. Von Deutschland aus habe ich ein Wg-Zimmer für die ersten drei Wochen gefunden. Durch die vielen Studenten herrscht in Bologna absolute Wohnungsnot, viele italienische Studenten pendeln.- Einige sogar aus Florenz! Von anderen habe ich gehört, dass sie ihr Studium nicht aufnehmen konnten, weil sie keinen Wohnplatz gefunden haben. Also früh anfangen zu suchen, vielleicht erst einmal etwas für den Anfang und dann vor Ort nochmal gucken, das funktioniert sowieso besser. Übrigens ist es sehr gebräuchlich sich zu zweit ein Zimmer zu teilen. Auf Facebook gibt es viele Gruppen zur Zimmervermietung, damit habe ich viel bessere Erfahrungen gemacht, als mit den Websites wie Kijiji, EasyStanza, Bakeca usw. In den Facebookgruppen gibt es ein viel größeres Angebot und die Kommunikation ist unkomplizierter- allerdings ist auch hier ein bisschen Italienischkenntnis von Vorteil. Sowieso ist man als Erasmusstudent leider meist nicht der Traummitbewohner. Es gibt auch Studentenwohnheime in denen Plätze für Erasmusstudenten reserviert sind. Kurz nachdem ich den Platz angenommen hatte, habe ich dazu eine Infomail von der Unibo bekommen, man muss sich bis Anfang Juni dort beworben haben. Da ich das aber nicht versucht habe, weiß ich leider nicht wie es dann weitergeht.
Studium an der Gastuniversität
Ich habe mich in den Studiengang DAMS eingeschrieben, das steht für „discipline delle arti, della musica e dello spettacolo“, die Kurse werden nach Studienjahren geordnet angeboten, wobei meine Kurse von September bis Mitte Dezember liefen, dann war Prüfungsphase und ab Ende Januar begannen neue Kurse. Die, die ich gewählt hatte, hatten jeweils 4 bis 6 Wochenstunden, manche fingen auch erst viel später an oder dauerten nur einen Monat. All das machte die Kurswahl ein wenig kompliziert. All meine Prüfungen waren mündliche. Das ist an den italienischen Unis sehr gebräuchlich. Man schreibt sich online für die Prüfung ein und bekommt dabei eine Nummer. Am Tag der Prüfung gibt es morgens einen Appell, bei dem überprüft wird, wer auch wirklich da ist und dann wird man der Reihe nach aufgerufen und vom Professor befragt, während alle anderen mit im Raum sitzen und warten. Am Ende wird man gefragt, ob man die Note annimmt oder nochmal wiederkommen möchte, um sie zu verbessern. Das kann man so lange tun, bis man mit der Note einverstanden ist. Übrigens waren meine Kurse sowie Prüfungen alle auf Italienisch, es gibt auch ab und zu welche auf Englisch, das hängt sicher auch vom Studienfach ab.
Insgesamt würde ich sagen, dass das Studienklima lockerer und offener ist. Beispielsweise haben fast alle meiner Dozenten wiederholt betont, dass man seine Fragen jederzeit per Mail oder telefonisch stellen kann, sie waren nach den Vorlesungen und Seminaren für Fragen und Diskussionen offen und haben während der Lehrveranstaltungen darauf geachtet, Fragen und Anmerkungen der Studierenden mit einzubeziehen. Allerdings hatte ich auch das Gefühl, dass diese Lockerheit dazu führt, dass Vereinbarungen unverbindlicher sind. Wenn man sich bspw. letzte Woche für einen bestimmten Tag und Uhrzeit verabredet hat, beginnt man in der neuen Woche garantiert nochmal all das zu diskutieren, auch wenn man sich schon einig war. Das habe ich nicht nur zwischen Freunden so erlebt, sondern auch im „professionellen“ Rahmen der Uni. Ich hatte auch das Gefühl, dass sich die Studierenden aktiver an Vorlesungen und Seminaren beteiligen. Ich habe Kurse mit dem Schwerpunkt Theater und Kino gewählt, wir haben unter anderem Exkursionen gemacht und Film- und Theaterausschnitte analysiert. Auch für die Prüfungen hatten wir die Aufgabe, mehrere Theaterstücke und Filme gesehen zu haben um sie analysieren zu können. Ansonsten geben die Dozenten immer mehrere Bücher und von ihnen zusammengestellte Reader zur Prüfungsvorbereitung an. Neben den Notizen aus den Vorlesungen bildete das selbst angeeignete Wissen aus den Büchern einen großen Teil der Prüfung.
Bologna hat ein sehr großes Altstadtzentrum und meine Lehrveranstaltungen haben auch tatsächlich alle in den alten Gebäuden stattgefunden, das ist teilweise sehr beeindruckend, führt aber auch dazu, dass es keinen Platz für Anbauten gibt und die Unibibliotheken auch viele einzelne kleine Standorte in der Stadt verteilt sind. Freie Lernplätze findet man dort nur selten, schon gar nicht wenn man mit einer Lerngruppe aus mehreren Leuten ankommt. In den extra eingerichteten Lernräumen ist es auch oft stickig und recht unruhig. Da hilft dann nur, die weniger frequentierten Bibliotheken zu kennen und früh genug da zu sein.
Lebenssituation in Bologna
Das Angebot für Erasmusstudierende in Bologna ist riesig! Es gibt zwei Organisationen „ESN Bologna“ und „Erasmusland“, bei denen man sich jeweils für 10 Euro registrieren kann und damit an allen Angeboten teilnehmen kann. Stadtführungen, Sprachcafé, Ausflüge nach Neapel, Rom und zum Skifahren in die Berge, Sportangebot und eine Menge Partys werden jede Woche neu geplant. Da sich das Leben doch auf dem überschaubaren Raum der Altstadt abspielt, ist es leicht Kontakte zu knüpfen und sich schnell auch zufällig über den Weg zu laufen, was wie ich finde, immer ein „Zuhause-Gefühl“ gibt. Obwohl ich mich bei Erasmusland und ESN angemeldet habe, habe ich letztendlich wenige der Veranstaltungen genutzt und mehr nach italienischen Kontakten gesucht. An sich kommt man sehr schnell ins Gespräch, kann die italienischen Kommilitonen immer um Hilfe fragen und wird meist auf Hilfsbereitschaft und Offenheit treffen. Am Ende ist es, auch wenn es der Stereotyp anders erzählt, genau wie in Deutschland: Freundschaften brauchen Zeit und Gelegenheit (und auch hier ist wieder eine gemeinsame Sprache ob Italienisch oder Englisch von Vorteil). Ich finde es sehr schade, dass ich letztendlich nur ein Semester geblieben bin, denn ich habe viele tolle Menschen kennengelernt, die ich gern noch besser kennengelernt hätte. Ich habe das Gefühl, dass ich nach einem halben Jahr gerade an dem Punkt angekommen bin, dass ich mich richtig wohl fühle, weil ich meine Freundeskreise, Hobbys, Lieblingsorte etc. gefunden habe und es jetzt mit dem Frühling alles so richtig losgehen könnte.
Absolute Anlaufpunkte, die mir die meisten Studenten in Bologna sofort empfohlen haben, sind das Labàs und das xm24, das sind alternative Kulturzentren in denen immer viel los ist (Workshops, Konzerte, Aperitivo usw.)- wer das Studentenleben in Bologna abseits der Erasmuspfade erleben will, sollte unbedingt dort vorbeischauen. Denn das ist mir aufgefallen: Es gibt sehr viele Erasmusstudenten, die die ganze Zeit nur die Erasmusangebote wahrnehmen, aber dabei kaum in Kontakt mit italienischen Kommilitonen kommen und auch die Stadt sehr einseitig kennenlernen, was sich auch wieder spürbar auf die Sprachkenntnisse auswirkt.
Sportkurse oder andere Workshops sind viel teurer als in Deutschland- auch der Unisport. Das habe ich in meiner Zeit in Bologna sehr an dem Uniangebot hier in Deutschland schätzen gelernt. Außerdem braucht man ein total nerviges ärztliches Gutachten, um überhaupt einen Sportkurs machen zu können, was auch wieder extra kostet. Dafür gibt es aber direkt im Süden an die Stadt grenzend Hügel mit wunderbaren Parks und Routen zum Wandern, zum Beispiel nach San Luca.
Zur Lebensqualität hat auch mein Fahrrad beigetragen, was ich mir in einer Werkstadt gebraucht gekauft habe, leider waren dann aber trotzdem noch viele Sachen zu reparieren, sodass es am Ende trotzdem teuer war. Ich habe gehört, dass man sich bei Coop neue Fahrräder für 40 Euro kaufen kann, auch auf dem Facebook Marketplace oder in Gruppen werden gebrauchte Räder angeboten und ein sehr gutes Mobike-Netz gibt es auch. Bei einem eigenen Fahrrad sollte man definitiv in ein sehr gutes Schloss investieren, denn die werden sehr, sehr schnell geklaut. Deshalb habe ich auch von einem Fahrradkauf für 5 Euro abgesehen, denn damit unterstützt man das Ganze nur. Ansonsten bekommt man als Erasmusstudent ein Ticket für die Öffis für spektakuläre 10€ und es ist ein ganzes Jahr lang gültig.
Studienfach: Europäische Medienwissenschaft
Aufenthaltsdauer: 09/18-01/19
Gastuniversität: Università de Bologna
Gastland: Italien
Außerdem...
Für jeden, der es nicht kennt, muss ich abschließend noch ein Wort zum Aperitivo und überhaupt zum Essen in Bologna verlieren- wenn es ums Kulinarische geht, ist man in Bologna besonders gut aufgehoben- und das lässt sich von Italien generell ja auch schon sagen! Es lohnt sich, sich einfach mal in einem der zahlreichen Wurst- und Käseläden beraten zu lassen und sich für einen Schlemmerabend mit Spezialitäten aus der Emilia Romagna einzudecken. Einfach sagen, ihr wollt euch mal durch die Klassiker probieren und was sie euch empfehlen würden, meistens freuen sich die Verkäufer sehr und nehmen sich Zeit euch alles zu erklären. Legt man am Ende mit ein paar Leuten zusammen, ist es auch nicht besonders teuer. – Ein absoluter Spartipp und Studententraum ist der Aperitivo, den viele Bars ab ca. 7 Uhr am Abend anbieten. Vor dem eigentlichen Abendbrot trifft man sich mit Freunden auf einen Aperol Spritz und die Bar bietet dazu ein Buffet. Manchmal sind es kleine Häppchen aus den vom Tag übriggebliebenen Pizzen oder Panini, manchmal ist es ein wechselndes Angebot aus Salaten, Pasta, Panini, Antipasti und weiteren Snacks an dem man sich auch richtig satt essen kann. Zwischen 1€ Aufpreis oder 10€ für Getränk und Buffett ist alles dabei- Zeit, dass das hier bei uns auch mal ankommt!