Vorbereitung des Auslandsaufenthaltes
Schon zu Beginn meines Studiums wusste ich, dass ich unbedingt ein Semester im Ausland verbringen möchte. Aus diesem Grund habe ich mich schon ab dem ersten Semester umgehört und erste Informationen über Erasmus+ bei der International Week gesammelt. Ende des zweiten Semesters habe ich dann an weiteren Zoomveranstaltungen des International Office teilgenommen, geschaut, welche Gastuni für mich infrage käme, anschließend Kontakt mit den jeweiligen Koordinatoren aufgenommen und begonnen, die Idee konkreter werden zu lassen. Aufgrund der Sprache und des Studienangebots habe ich mich in Kopenhagen und Liverpool beworben und letztendlich einen Platz an der University of Liverpool bekommen. Das Study-Abroad-Team der Uni Liverpool hat schnell Kontakt aufgenommen und mir sehr hilfreiche E-Mails mit genaueren Hinweisen zum weiteren Vorgehen zukommen lassen (Ablauf der Bewerbung an der ausländischen Universität per Online-Portal etc.). Wenn ich weitere Anliegen oder Fragen hatte, waren sie auch immer gut per Mail oder Telefon zu erreichen. Im Nachhinein kann ich mich noch gut daran erinnern, dass der komplette Bewerbungsprozess und die Vorbereitung damals sehr umfangreich und zeitintensiv war, das Auslandssemester letztlich aber den ganzen Aufwand wert war.
Studium an der Gastuniversität
Das Studium an der Gastuniversität lief über den Fachbereich Musik und war ein reiner Musikstudiengang, der nichts mit dem Lehramtsstudium zu tun hatte. Für mich ist es schon immer ein großer Wunsch gewesen, noch mehr Erfahrungen im Bereich Musik zu sammeln, die über das Grundschullehramtsstudium hinausgehen sowie Kenntnisse und Fähigkeiten zu erweitern. Anhand eines Modulkatalogs für Austauschstudierende, welcher in der aktualisierten Verfassung zum Herunterladen auf der Website verfügbar ist, konnte ich mir bis zu 4 Kurse a 15 credits (= 7,5 ECTS) frei aussuchen und belegen. Empfohlen wurde mir schon relativ zeitig, dass es Sinn macht, sich für 90 credits (6 Kurse) zu bewerben, um Ausweichmöglichkeiten zu haben, falls man durch Überlappung o.ä. nicht in die gewünschten 4 Kurse reinkommt. Der Modulkatalog enthielt alle nötigen Informationen und war pro Fachrichtung in Year 1, 2 und 3 (Bachelor) eingeteilt. Womit ich mich ein bisschen schwergetan habe, war die Entscheidung, ob ich Kurse aus dem ersten, zweiten oder dritten Jahr nehmen soll, da ich schlecht einschätzen konnte, wofür meine Vorerfahrungen ausreichend waren. Schlussendlich habe ich überwiegend Kurse aus dem ersten Jahr genommen, was für mich sehr gut funktioniert hat. Jedoch sollte jeder anhand der Beschreibungen selbst für sich entscheiden, was er/sie für sich am besten einschätzt. Falls es am Ende doch nicht passt, gibt es immer noch die Möglichkeit, in den ersten zwei Wochen zu wechseln. Pro Modul hatte ich in der Woche ca. 1-2 Veranstaltungen vor Ort (Seminar, VL oder Workshop – je 1h, 90min oder 2h lang). Obwohl uns am Anfang gesagt wurde, dass der Prüfungszeitraum im Januar stattfindet, hatte ich bis auf eine schriftliche Prüfung alle Prüfungsleistungen schon vor Weihnachten. Das schien wohl auch bei vielen anderen Studiengängen so zu sein. Die ‚Vorlesungszeit‘ ging also nur 12 Wochen inklusive fast aller Prüfungen (bei mir). In jeder Veranstaltung hatte ich 2-3 Prüfungsleistungen, wobei von Vortrag, Hausarbeit, Performance, Klausur vor Ort sowie im 24h Format alles dabei war. Schnell festgestellt habe ich, dass ein paar Dinge am Musikdepartment weniger streng genommen wurden wie z.B. Pünktlichkeit oder Anwesenheit. Zu jeder Veranstaltung vor Ort sind die wenigsten Studis pünktlich gekommen und der Rest ist erst die nächsten paar Minuten bis halbe Stunde, Stunde später erschienen. Während ich mich da doch sehr dran gewöhnen musste, schien das dort sehr normal zu sein. Bezüglich der Leistungsbewertung gibt es große Unterschiede zu dem System, welches wir kennen. Ehrlich gesagt bin ich da bis heute auch noch nicht ganz durchgestiegen. Auf die Prüfungsleistungen kann man jeweils bis zu 100 Punkte bekommen, wobei 70 Punkte, soweit ich weiß, mehr oder weniger einer 1,0 entsprechen. Alles über 70 ist also schon unglaublich gut und wird eher selten erreicht. In der gesamten Zeit habe ich mich im Musikdepartment sehr gut aufgehoben gefühlt. Generell sind an der Uni alle extrem freundlich, zuvorkommend und hilfsbereit. Fragen wurden meist schnell in Mails beantwortet oder in persönlichen Gesprächen geklärt. Auch die anderen Studierenden haben bei Fragen oder Unklarheiten immer gerne weitergeholfen. Das Musikdepartment ist top ausgestattet mit Musikstudios, Übe- und Proberäumen, Equipment und Computerräumen. Zugang mit Karte hat man bis 23 Uhr, auch am Wochenende. Die Bibliotheken dagegen haben rund um die Uhr geöffnet und ebenfalls viele Computerplätze, die ich jedoch nicht genutzt habe.
Kontakte zu einheimischen und internationalen Studierenden
Der Kontakt zu anderen Austauschstudierenden war von Anfang an gegeben. In der ersten Woche war Welcome Week, wodurch ich schon in den ersten paar Tagen sehr viele Leute kennengelernt habe. Über die Zeit haben sich dann aus einigen der flüchtigen Bekanntschaften enge Freundschaften entwickelt. Mit den einheimischen Studierenden war es dagegen nicht so einfach in Kontakt zu treten. Das ist auch ein Punkt, den ich schon von vielen Leuten gehört habe, die ein Auslandssemester absolviert haben. Die meiste Zeit verbringt man mit anderen Austauschstudierenden, da sich natürlich alle in der gleichen Situation befinden, somit direkt eine Verbindung zueinander haben und die Zeit, auch an den Wochenenden bestmöglich nutzen möchten mit verschiedene Trips etc.. Einheimischen Studierenden bin ich v.a. während des Studiums begegnet oder bei den Societies. Den meisten ist wahrscheinlich bewusst, dass die Austauschleute eben nur ein oder zwei Semester da und dann auch wieder weg sind. Die Veranstaltungen, selbst die VLs, am Musikdepartment waren sehr übersichtlich, dadurch war es zum Teil etwas einfacher, mit anderen in Kontakt zu treten. Oft war es aber auch gar nicht so einfach, da sie alle schon ihre Grüppchen hatten und die meiste Zeit habe ich dann doch mit den zwei anderen Austauschstudierenden verbracht, die auch Musikkurse belegt haben. Die beste Möglichkeit des Kennenlernens von einheimischen Studierenden sind meines Erachtens nach die Societies. Societies an Universitäten sind glaube ich in Großbritannien generell eine sehr verbreitete Sache, die man hier gar nicht so kennt. Einer oder mehreren Societies beizutreten, kann ich allen nur ans Herz legen. An der University of Liverpool gibt es 150+ verschiedene Societies von der Bake Society bis zur Taylor Swift Appreciation Society. Da ist für jeden etwas dabei. Ich habe in zwei Chören der Music Society mitgemacht und dadurch tatsächlich nach ein paar Wochen neue Kontakte mit Einheimischen geknüpft. Am Ende hab ich mir gewünscht, noch länger dort mitsingen zu können und die anderen weiterhin regelmäßig zu sehen. Gerade da, wo man wirklich angekommen war und sich sehr gut eingelebt hatte, war alles leider schon wieder vorbei. Aktivitäten außerhalb der Uni und enge Freundschaften haben sich in der kurzen Zeit also fast nur mit den Austauschstudierenden ergeben und entwickelt.
Sprachkompetenz vor und nach dem Auslandsaufenthalt
Meine Sprachkompetenz hat sich in den vier Monaten definitiv nochmal um Längen verbessert und weiterentwickelt. Ich hab schon vor ein paar Jahren mehrere Monate in England verbracht, daher hat es mit dem Verständigen und Verstehen der englischen Sprache schon vor dem Auslandssemester sehr gut geklappt. Da man ja aber nie auslernt, waren die vier Monate eine willkommene Gelegenheit und gute Übung, um mein Englisch wieder aufzufrischen, weiter zu vertiefen und zu verbessern. Was meine Sprachkompetenz im Hinblick auf einen anderen Aspekt auf jeden Fall auch nochmal deutlich weiter vorangebracht hat, war die Konfrontation und der Versuch des Verstehens verschiedenster Akzente. Allein an der Uni kamen die Studierenden und Dozierenden aus allen Ecken Großbritanniens und somit war es ein echt gutes Training, über die Zeit mit so vielen verschiedenen Leuten kommuniziert zu haben.
Wohn- und Lebenssituation
Die Wohnungssuche stellte sich als weniger einfach und teils sehr frustrierend heraus. Ich wollte ganz gerne schon vor meiner Anreise eine Unterkunft finden und nicht erst vor Ort noch suchen müssen. Am schwierigsten war es, ein Zimmer für nur 4 Monate zu finden. Natürlich ist es aber auch immer ein Risiko, vom Ausland aus ein Zimmer zu mieten, ohne es vorher einmal in echt gesehen zu haben. Glücklicherweise hat sich dann ca. einen Monat vor Beginn des Auslandssemesters doch etwas ergeben und ich habe über die Website ‚Liverpool Student Homes‘ ein Zimmer gefunden. Kleiner Hinweis: Da das Zimmer bei einem Auslandssemester nur Kurzzeit vermietet wird, soll häufig schon die Miete für den gesamten Zeitraum vorab überwiesen werden. Mir war wichtig, dass das Zimmer möglichst zentral gelegen und alles gut zu erreichen ist. Meine Unterkunft war sowohl nah am Zentrum als auch am Unicampus und in den ganzen vier Monaten bin ich vielleicht ein bis zweimal Bus gefahren, ansonsten konnte ich alles zu Fuß erreichen. Soweit ich das mitbekommen habe, haben die meisten Austauschstudierenden relativ zentral gewohnt. In meiner Unterkunft habe ich mich sehr wohl gefühlt und war froh, dort gelandet zu sein. Jedoch musste ich mir, wie wahrscheinlich in den meisten Unterkünften, noch einiges für das Zimmer anschaffen, wie Bettwäsche, Kissen und Decke, Schreibtischlampe und einige Küchenutensilien. Wenn wir am Wochenende etwas unternehmen und irgendwo hinfahren wollten, haben wir meistens den Zug genommen. Nach einiger Zeit war das oft z.T. aber auch sehr frustrierend, da ständig Züge ausgefallen sind, sich verspätet haben, sodass man Anschlüsse nicht mehr bekommen hat oder an manchen Tagen die Zuggesellschaften eben komplett gestreikt haben. Es war leider nicht so sehr viel Verlass darauf und man musste immer mit einer Planänderung rechnen. Wer aber vorhat, öfter mal mit dem Zug irgendwohin zu fahren, dem empfehle ich, sich eine Railcard zu kaufen. Die ist ähnlich wie eine Bahncard, ein Jahr gültig und man spart pro Ticket ein Drittel des Preises. Bei mir hat sich das über die Zeit auf jeden Fall gelohnt. Wenn man ein bisschen mehr Zeit mitbringt und nicht so weit wegfahren möchte, dem würde ich empfehlen, auch mal nach Busverbindungen (Nationalexpress) zu schauen, da diese meist sehr günstig und meiner Erfahrung nach auch verlässlicher sind. Eine Sache, die sich als sehr praktisch herausgestellt hat, ist die geografische Lage Liverpools. Die Stadt ist sehr zentral gelegen und man kann Gegenden in alle Himmelsrichtungen bis hoch nach Schottland sehr gut mit dem Zug oder Bus erreichen. Für mich war es eines der Highlights, dass man in kürzester Zeit so viel von dem Land kennengelernt und gesehen hat. Man will alles mitnehmen was geht und die Zeit bestmöglich nutzen. V.a. auch an den Wochenenden. So viel, wie wir herumgereist sind und in den vier Monaten unterwegs waren, kann ich es mit dem normalen Studileben in Potsdam nicht vergleichen. Da war eine ganz andere Motivation da. Ich habe in der Zeit u.a. Trips nach Schottland, York, London, Manchester, Wales und zum Lake District unternommen. Freizeittechnisch hat aber auch Liverpool viel zu bieten und langweilig wird einem dort definitiv nicht. Mit zwei Kathedralen, vielen Museen, einer Philharmonie, Theater, Hafen ist alles dabei. Was ich etwas vermisst habe waren Grünflächen, etwas mehr Natur. Um in den nächstgelegenen Park zu kommen, war ich von meiner Unterkunft aus ca. 30-40 min unterwegs. Bekannt ist Liverpool bei vielen auch als Partystadt. Feiern kann man, wenn man will, jeden Tag. Pubkultur wird dort auch bekanntlich ganz großgeschrieben. In der Innenstadt reiht sich ein Club, Bar oder Pub an den nächsten. Auch unter der Woche haben viele davon immer geöffnet. Da im Zentrum alles fußläufig voneinander entfernt ist, ballt sich abends alles in ein paar Straßen. In Bezug auf Preise und verschiedenste Kosten ist das Leben in England generell schon etwas teurer. Die Miete war höher, die Lebensmittel und Zugtickets ebenso. Überall kann man mit Karte bezahlen, manchmal auch nur noch mit Karte. Daher sollte man sich unbedingt vor dem Auslandssemester darum kümmern, eine dort funktionierende Kreditkarte zu besitzen. Ich habe eigentlich fast die ganze Zeit nur mit meiner VISA-Karte bezahlt. Zum Thema Krankenversicherung: Ich habe eine zusätzliche Auslandskrankenversicherung für Studierende abgeschlossen, die direkt für Programme wie Erasmus+ gedacht war. Zum Einsatz gekommen ist diese letztendlich aber nicht.
Studienfach: Lehramt für die Primarstufe (Mathe & Musik)
Aufenthaltsdauer: 09/2022 - 01/2023
Gastuniversität: University of Liverpool
Gastland: Großbritannien
Rückblick
Die Zeit in Liverpool war definitiv eine der besten meines Lebens. Ich habe in den vier Monaten so viel erlebt, Neues gesehen und vor allem viele tolle Menschen kennengelernt. Ich glaube, es sind besonders die neuen Kontakte, Freundschaften, Bekanntschaften, die es am Ende so besonders und unvergesslich gemacht haben. Allen, die überlegen ein Auslandssemester zu machen, kann ich nur wärmstens empfehlen, es zu versuchen. Ich hatte am Anfang auch meine Zweifel, aber die haben sich schnell in Luft aufgelöst. Es braucht in den ersten Wochen immer Zeit, um sich einzugewöhnen und wohlzufühlen, aber das ist ja ganz normal. Nachdem ich mich einmal eingelebt hatte, wollte ich gar nicht mehr weg und der Abschied fiel sehr schwer. Rückblickend gibt es natürlich ein paar kleine Sachen, die ich als weniger schön, nervig oder frustrierend empfunden habe, wie die vielen Zugstreiks, das fehlende Grün in der Stadt, die Wohnungssuche oder ein durchgängig schwieriges Problem mit einer anderen Studentin bei einem Performance-Modul. Das sind aber alles Dinge, die am Ende, wenn man das große Ganze betrachtet, in den Hintergrund rücken und durch die positive Gesamterfahrung fast vergessen werden.
Hilfreiche Links:
https://www.liverpool.ac.uk/global-opportunities/inbound/study-in-liverpool/academic/
https://www.liverpoolstudenthomes.org/Accommodation