Vorbereitung des Auslandsaufenthaltes
Als erstes sollte man sich auf den Seiten seiner jeweiligen Fakultät/en über die Partneruniversitäten informieren. Da ich gerne nach Toulouse gehen wollte und über die Romanistik eine Partnerschaft mit der Université Mirail (Jean Jaurès) besteht, habe ich mich für eine Bewerbung über die Romanistik entschieden. Die Bewerbung und Nominierung erfolgt über den*die jeweilige*n Erasmuskoordinator*in und nicht über das International Office. Wer noch gar keine Idee hat, wohin es gehen soll, kann sich entweder im International Office von Pia Kettmann beraten lassen (Wartezeit einplanen!! Sprechzeiten: Mo:10:00-12:00 Uhr, Di: 10:00 -12:00 & 13:00 – 17:00 Uhr) oder im November den International Day besuchen und sich direkt mit den Studierenden der verschiedenen Gastländer und ehemaligen Erasmusstudierenden austauschen. Ausserdem ist es empfehlenswert, Erfahrungsberichte von ehemaligen Erasmusstudierenden zu lesen, die man nach Ländern und Universitäten sortiert, auf der Seite des International Office findet. Auf den Seiten der Fakultäten findet man normalerweise alle notwendigen Informationen zu den Bewerbungsunterlagen und Bewerbungsfristen. Generell ist es wichtig zu wissen, dass es nur eine Bewerbungsfrist im Jahr gibt (meistens im Januar), um sich sowohl für das Winter- als auch das Sommersemester zu bewerben. In meinem Fall musste ich nur ein Worddokument mit ein paar Angaben ausfüllen und bei meiner Erasmuskoordinatorin abgeben. Da meist die Regel gilt, „Wer zuerst kommt, malt zuerst“, ist es sinnvoll, sich bereits frühzeitig zu bewerben. Wer spontan und flexibel ist, was die Länderwahl und Wahl der Universität betrifft, kann sich auch kurzfristig einen Platz über die Restplatzbörse sichern. Dazu erhält man zu gegebenem Zeitpunkt eine E-Mail vom International Office und kann sich dann über die noch offenen Plätze informieren. Ich erhielt als erstes eine Antwort meiner Koordinatorin mit der Liste der nominierten Kandidat*innen. Anschließend muss man sich etwas gedulden, normalerweise ist die Nominierung aber eher Formsache und alle Nominierten erhalten einen Platz. Irgendwann erhält man eine E-Mail der Partneruniversität (oder des Koodinators*torin), dass man angenommen wurde. Es ist wichtig, den Erasmusplatz auch offiziell bei der Heimatuni zu bestätigen und die Annahmeerklärung unterschrieben vom*n der Korrdinator*in in Papierform im International Office einzureichen, damit anschließend das Erasmusstipendium berechnet werden kann. Das Formular findet man unter www.uni-potsdam.de/international/outgoing/studium/erasmus/downloads.html. Daraufhin wird man vom International Office per E-Mail zu zwei Infoveranstaltungen eingeladen, wo man auf jeden Fall hingehen sollte. Hier erhält man alle Infos zum Thema Beurlaubung, Semesterbeitrag, Learning Agreement und zu weiteren Dokumenten und Themen, die entscheidend sind. Wichtig ist außerdem, sich offiziell bei der Gastuniversität anzumelden. Dazu erhält man teilweise eine E-Mail mit den nötigen Infos, teilweise muss man selbst auf den Seiten nachforschen. In meinem Fall war dies nicht ganz einfach, da die Deadlines auf der englischen Version der Seite nicht aktualisiert worden waren und ich erst kurz vor Einschreibeschluss mibekommen habe, welche Dokumente an der Gastuni einzureichen sind. Hier ist es sinnvoll, entweder im International Office der Partnerhochschule direkt nachzufragen (in meinem Fall habe ich leider keine Antwort erhalten) oder sich mit einem*er Muttersprachler*in an den Rechner zu setzen und gemeinsam nach Deadlines und angeforderten Unterlagen zu suchen. An der Heimatuni sind vor Reiseantritt noch das Grand Agreement und Learning Agreement before abzugeben (Meistens sind die Kursangebote der Gastuni noch nicht aktualisiert und das Learning Agreement ist provisorisch. Es ist aber kein Problem, nach Ankunft im Gastland und Beginn des Semesters ein Learning Agreement during the mobility auszufüllen und die Kurse zu ändern.). Über die im International Office einzureichenden Unterlagen, den Online-Sprachtest etc., wird man aber bei den Infoveranstaltungen genauestens informiert.
Studium an der Gastuniversität
Die Universität Mirail gilt als die linkeste Universität Frankreichs. Nicht umsonst finden hier regelmäßig Vollversammlungen aller Studierenden, Streiks und Blockierungen statt, es gibt zahlreiche Studierendensyndikate, linksautonome, anarchistische und auch feministische selbstorganisierte Gruppierungen und eines der Gebäude ist beispielsweise nach der Revolutionärin und Frauenrechtlerin Olympe de Gouges benannt. Für Politikinteressierte, Geisteswissenschaftler*innen und Kuenstler*innen ist diese Universität ein Traum. Alle Studierenden sind sehr offen und freundlich. Es gibt zahlreiche Studierendeninis und Gruppen, bei denen man mitmachen und sich engagieren kann. Fast jedes Bâtiment hat sein eigenes von Studierenden verwaltetes Café mit Sofas, Sesseln, Kaffee für 30 Cent, Freeboxes, Jamsessions in der Mittagspause etc. Hier kann man mit den französischen Kommiliton*innen in Kontakt kommen und alle sind sehr entspannt und aufgeschlossen. Außerdem finden fast täglich zur Mittagspause und auch abends gratis Konzerte, Tanz- und Theateraufführungen im Saal der Fabrique (Kunstgebäude) statt. Teilweise von renommierten Orchestern und Companies, teilweise, wie zur Fête d'Atelier, führen die Studierenden selbst ihre Arbeiten auf. In der Fabrique finden außerdem in verschiedenen Etagen kostenlose Ausstellungen statt.
Studienorganisation, Einschreibung
Kurz vor Semesterbeginn erhielt ich eine E-Mail der Mirail mit einer Einladung zur Welcomeweek und einem Programm aller Veranstaltungen. Es ist sehr empfehlenswert, bei allen obligatorischen Veranstaltungen teilzunehmen, um Unterstützung bei der administrativen Einschreibung zu erhalten und alle Infos über Sprachkurse (DEFLE-Kurse) und Anmeldungen mitzubekommen. Während der Woche ist auch immer ein Welcome-Desk geöffnet, wo von Studierenden alle Fragen beantwortet werden. Nach der administrativen Einschreibung erfolgt die pädagogische Einschreibung. Hier muss man selbstständig zu allen Fakultäten gehen, bei denen man Kurse belegen will, und nach Räumen und Zeiten suchen. Denn für Erasmusstudierende ist bislang die Kurssuche online noch nicht möglich. Da ich Kurse drei verschiedener Fachbereiche belegen wollte, war dies nicht ganz einfach. Die Kurstitel ließen teilweise nicht erkennen, worin sich die Kurse genau unterschieden oder worin der eigentliche Kursinhalt bestand. Ich habe daher einige Kurse in der ersten Studienwoche ausprobiert, um meine endgültige Auswahl zu treffen. Keine Sorge, alle Studierenden schaffen das irgendwie, auch wenn es anfangs sehr chaotisch ist und man vor irgendwelchen Tabellen an irgendwelchen schwarzen Brättern steht und einfach nichts versteht. Bloß nicht an sich selbst zweifeln - es geht fast allen so.
Das Studien- und Kurssystem wird einem auch während der Welcomeweek bei einem Seminar des IO erklärt. Generell sind die CM (cours magistraux) mit Vorlesungen gleichzusetzen, die meist in einem der Grand amphi (amphithéâtre) gehalten werden und die TD (travaux dirigés) werden aehnlich wie Seminare in kleineren Gruppen gehalten.
Außerdem ist es generell empfehlenswert, nicht zu viele Kurse zu belegen, da die Prüfungsleistungen meist sehr umfangreich sind. In fast allen Kursen sind Gruppenarbeiten zu absolvieren, was oft eine organisatorische Herausforderung darstellt, vor allem, wenn verschiedene Mentalitäten aufeinandertreffen, was das Einhalten von Terminen und Arbeitsaufteilung betrifft. Für meinen Danse-Contemporaine-Kurs musste ich beispielsweise eine schriftliche Klausur absolvieren, die praktische Prüfung bestand darin, in einer 5er-Gruppe eine Choreographie zu entwickeln und zu verschiedenen Gelegenheiten vorzutanzen, außerdem mussten mindestens drei Tanzaufführungen und zwei Konferenzen besucht werden und es waren zusätzliche schrifliche Arbeiten während des Semesters abzugeben. In einigen Kursen sind Dossiers in Gruppenarbeit zu verfassen und zusätzlich finden die abschließenden Klausuren statt.
Tipp für die Kurswahl (mein Erasmuskoordinator der Gastuni wollte, dass ich Übersetzungskurse belege): Thème bedeutet Übersetzung vom Französischen ins Deutsche und Version umgekehrt.
Sport- und Sprachkurse
Sehr empfehlenswert sind die Unisportkurse vom SUAPS. Auch wenn die fristgerechte Einschreibung für Erasmusstudierende praktisch unmöglich ist (da man sich erst anmelden kann, wenn man seinen Studierendenausweis hat und dann natürlich schon alle Plätze vergeben sind), sollte man immer zum ersten Termin gehen und einfach nachfragen. Das Zauberwort lautet ERASMUS. So bin ich in alle Kurse gekommen, obwohl diese offiziell bereits ausgebucht waren. Man kann zwei Kurse gratis belegen und sich sogar für einen (allerdings ist dieser dann meistens mit einer Aufführung und praktischen und theoretischen Prüfungen verbunden) drei Leistungspunkte anrechnen lassen. Auch kann man drei Sprachkurse des DEFLE-Programms umsonst belegen und sich die Leistungspunkte auch für das Transcript of Records anrechnen lassen. Die Einstufung in die Sprachkurse erfolgt über das Ergebnis des OLS-Tests, den man bereits vor der Anreise online absolviert hat. Die „Umstufung“ ist prinzipiell möglich, jedoch, wie unten beschrieben, mit einigem organisatorischen Aufwand verbunden.
Campus: Gebäude, Bibliotheken, Mensen, Cafés
Alle Fakultäten sind auf dem kleinen Campus an der Metrostation Mirail Université versammelt und innerhalb von fünf Minuten fußläufig zu erreichen.
Im Arche-Gebäude, gleich rechts am Eingang der Uni, befindet sich das International Office und die Büros für die administrative Einschreibung, das EIMA-Büro (EIMA ist das Äquivalent zu ESN bei uns) sowie der Salle de Danse, wo einige SUAPS-Kurse stattfinden. Links direkt am Eingang liegt die Fabrique, wo die Theater-, Kunst-, Tanz- und Musikkurse stattfinden und Ausstellungen gezeigt werden. Im Erdgeschoss befindet sich der große Saal, wo in den Pausen und auch abends Konzerte und Aufführungen aller Art stattfinden – unbedingt das Programm besorgen! Ebenfalls im Erdgeschoss befindet sich die Librairie, eine kleine Buchhandlung mit Café, wo wunderschöne und super interessante Bücher zu finden sind und man etwas besseren Kaffee für 1,50 € bekommt. Die Librairie war für mich während des Semesters eine Art kleiner Ruhepol und Kontrast zu den belebten studentischen Foyers, wo man ständig bekannte Gesichter trifft. Seltsamerweise kennen diesen Ort nur wenige und es war immer einer der kleinen Tische frei, um mal Zeit für sich zu verbringen.
Die Universität verfügt über eine allgemeine Bibliothek, die Bibliothèque Universitaire Centrale (BUC Mirail) mit Computerarbeitsplätzen und Möglichkeiten zum Kopieren, Drucken und Scannen, diese liegt direkt hinter der Arche. Gleich vor dem Eingang zum Universitätsgebäude befindet sich eine der in Toulouse zahlreich vertretenen COREP-Filialen. Hier kann man sich eine Karte zum Ausdrucken und Kopieren kaufen und immer wieder aufladen. Für 5 € erhält man z. B. 80 Kopien und zahlt somit 5 Cent pro Kopie. Neben der allgemeinen Bibliothek verfügt fast jedes Gebäude der Mirail über ein eigenes Centre de ressources, eine eigene kleine Bibliothek zu den jeweiligen Fachbereichen mit Fachzeitschriften, Computerarbeitsplätzen und Druckern. Alle Bibliotheken haben generell unter der Woche von 8:30 – 19:00 Uhr geöffnet (kleine Ausnahmen), die Centres de ressources sind außerdem auch teilweise samstags geöffnet.
Neben der Fabrique befindet sich das Restaurant des étudiants. Hier kann man für 3,25 € zwischen 11:30 Uhr und 13:30 Uhr mittagessen. Man erhält ein Hauptgericht, ein Stück Brot und zwei kleine Extras (Auswahl zwischen Salaten, Obst, Wurst, Käse und Nachspeisen). In den ersten Wochen kann man noch mit Kreditkarte zahlen, später muss man seinen Izly–Account aktivieren und zahlt genau wie an der Uni Potsdam mit seinem Studierendenausweis, den man an Automaten oder online aufladen kann (Barzahlung ist nicht möglich). In den ersten Wochen ist die Mensa unglaublich voll und gerade, wenn man mit Kreditkarte zahlen möchte, wartet man teilweise mit der Essensausgabe bis zu einer Stunde. Schafft man es vor 12 Uhr, hat man bessere Chancen, um 12:30 Uhr ist es das völlige Chaos. Um 13 Uhr sind bereits viele Gerichte und oft das Gemüse aus. Die Qualität ist ok, leider gibt es keine veganen Angebote und immer nur ein vegetarisches Gericht, was teilweise nicht gerade der Hit ist. Die CROUS (Äquivalent Studentenwerk) bietet außerdem Mittagessen in der Cantine und in der Cafétéria (8 – 15 Uhr) an. Hier bekommt man Kaffee, Salate, Sandwiches, süße Backwaren und Fertiggerichte, es gibt Mikrowellen und Sitzmöglichkeiten. Barzahlung ist hier auch nicht möglich. Die Schlangen sind ähnlich lang und das Essen relativ teuer und nichts besonderes. Mittags sind außerdem die Foodtrucks der CROUS mit Burgern, Pomme Frites, Fish&Chips u. ä. geöffnet. Auch hier stehen ab 12:30 Uhr die Massen an und um 13:30 Uhr wird geschlossen. Eine gute Alternative ist das belebte Studierendencafé im Gebäude Olympe de Gouge (Geschichte, Soziologie, Erziehungswissenschaften etc.) La Kasbah, wo es fast jeden Mittag Couscous mit Gemüse für 2,50 € gibt. Auch hier muss man aber rechtzeitig da sein und sich in eine Liste eintragen. Eine weitere Alternative, etwas teurer aber qualitativ um einiges besser, ist das kleine Restaurant des Psychologiegebäudes Philippe Malrieu. Es herrscht eine ruhigere und angenehmere Atmosphäre, als in den CROUS-Mensen und es gibt frisch gepresste Säfte, vegane Angebote, Suppen, Salate, ganze Menus und sehr guten Kaffee. Man kann bar oder mit Kreditkarte zahlen und es ist bis 17 Uhr geöffnet. Direkt vor dem Campus sind außerdem verschiedene Imbisse zu finden, wo man Falafelsandwiches u. ä. bekommt. Da die Verpflegung in Frankreich generell teurer ist und das Erasmusstipendium lediglich einen ausgleich zu den Lebenshaltungskosten in Deutschland darstellt, habe ich mir nur selten den Couscous im Kasbah oder ein Essen im Psychologierestaurant gegönnt und mir meistens etwas von zu Hause mitgebracht. In die Mensa kommt man mit mitgebrachtem Mittagessen nicht, aber man kann sich entweder draußen in die Sonne, in eines der Studierendenfoyers oder ins Restaurant Philippe Malrieu setzen.
Zum Tee- und Kaffeetrinken und Connecten mit anderen Studierenden eignen sich v. a. die sympathischen studentischen Foyers. Das Gaspah oder auch das Café im Gebäude Le Gai Savoir (Philosophie, Musik etc.). Hier steht auch ein Klavier, falls man spielen möchte und es finden hin und wieder Jamsessions statt. Auch im Sprachgebäude Erasme, wo die Übersetzungs- und DEFLE-Kurse stattfinden, gibt es mehrere versteckte kleine studentische Cafés, falls man Englisch oder Spanisch üben und andere Internationals treffen möchte.
Kleiner Tipp für die Raumsuche: Die Abkürzung GS steht nicht für das Gebäude Le Gai Savoir, sondern Olympe de de Gouge! Die Abkürzung für die Räume im Gai Savoir ist GA!
Kontakt zu einheimischen und internationalen Studierenden
In den DEFLE-Kursen lernt man schnell andere ausländische Studierende kennen. Auch bietet die studentische Organisation EIMA immer wieder Reisen und Events an, wo man mit anderen ausländischen Studierenden in Kontakt treten kann.
Ansonsten kann ich persönlich nur dazu raten, nicht in der International Bubble zu bleiben und sein Auslandssemester lieber mit Franzos*innen zu verbringen. So lernt man zum einen die Sprache besser, zum anderen eröffnet es einem ganz andere Möglichkeiten. Denn Locals kennen meist die wirklich interessanten Orte und Geheimtipps. Viele haben auch Familie oder Freunde auf dem Land, was einem die Möglichkeit eröffnet, die Umgebung von Toulouse kennenzulernen. Es gibt beispielsweise super viele junge, politisch engagierte Menschen, die in den Pyrenäen leben. Für mich war es eine einmalige Gelegenheit, in diese Kreise einmal reinschnuppern zu dürfen.
In den verschiedenen Foyers der Uni lernt man schnell nette Leute kennen, bei den SUAPS-Kursen oder bei den Soirées in den zahlreichen Sqauds von Toulouse. Außerdem kann ich wirklich nur dazu raten, in eine WG mit Franzos*innen zu ziehen. So ist man viel schneller sozial eingebunden und außerdem dazu gezwungen, die Sprache zu sprechen.
Sprachkompetenz vor und nach dem Auslandsaufenthalt
Ich hatte zwar 6 Jahre Französischunterricht in der Schule, das lag bei mir aber bereits über 10 Jahre zurück, als ich hier ankam. Um meine Französischkenntnisse ein wenig aufzufrischen, habe ich vor dem Erasmussemester einen UNIcert-Kurs an der Uni Potsdam belegt, was ich jedem nur empfehlen kann. Es hilft wirklich, sich sprachlich schon ein wenig vorzubereiten und da die Sprachkurse umsonst sind, sollte man diese Möglichkeit auf jeden Fall nutzen. Obwohl ich laut meinem OLS-Test ein B2-Level hatte, fühlte ich mich sprachlich eher auf einem B1-Niveau und habe deshalb hier die DEFLE-Kurse des Année 3 besucht. Es war ein relativ großer organisatorischer Aufwand, sich herunterstufen zu lassen und verbunden mit vielem Herumgerenne, aber es hat sich gelohnt. In einem B2-Kurs wäre ich vermutlich eher übefordert gewesen. Dadurch, dass ich von Anfang an vermieden habe, Englisch zu sprechen und versucht habe, eher mit Franzos*innen in Kontakt zu kommen, sind meine Französischkenntnisse sehr schnell besser geworden. Ich kann außerdem empfehlen, sich eine Karte bei der Médiathèque machen zu lassen. Hier habe ich mir immer wieder französische Filme und Bücher ausgeliehen. Damit kann man außerdem alle staatlichen Bibliotheken Toulouse‘ nutzen.
Wohn- und Lebenssituation
Für die Wohnungssuche sollte man nicht zu wenig Zeit einplanen. Ich persönlich kann nur davon abraten, sich einen Platz in einer der Studierendenunterkünfte zu suchen, auch wenn das die einfachste Option ist, da man dies noch vor seiner Ankunft regeln kann (und muss). Die Wohnheime liegen aber teilweise weit ab vom Zentrum und von der Universität, sind oft nicht besonders wohnlich, die Zimmer winzig klein und sehr gelb und von vielen Studierenden habe ich gehört, dass sie sich dort sehr isoliert fühlten. Oft werden auch alle Internationals zusammen unterbegracht, so dass man leicht in seiner Bubble bleibt. Wenn man innerhalb eines Semesters mit einheimischen Kontakt knüpfen und die Sprache lernen will, sollte man sich eine WG mit anderen Franzos*innen suchen. Das ist nicht ganz einfach, da natürlich zu Semesterbeginn enorm viele Studierende auf Wohnungssuche sind. Deshalb lohnt es sich, schon mindestens zwei Wochen vor Unistart anzureisen.
Ich habe in der Zeit im Petite auberge de Saint-Sernin gewohnt, was ich unbedingt empfehlen kann. Es ist eins der günstigsten Hostels und liegt in dem, wie ich finde, schönsten Bezirk Toulouse‘ direkt an der Place des Tiercerettes. Da man meist eher ein Zimmer außerhalb des Zentrums findet und die Universität auch außerhalb liegt, sind die ersten Wochen eine tolle Gelegenheit, ein wenig das Stadtzentrum kennenzulernen und sich in der Stadt zu orientieren. Außerdem trifft man hier sehr nette Menschen, mit denen man anfangs die Stadt erkunden und schonmal Französisch üben kann, bevor die Uni dann losgeht.
Seiten, über die ich ein WG-Zimmer gesucht habe, sind Leboncoin Toulouse oder La Carte des Colocs. Außerdem kann man über Facebookgruppen wie Les murs ont des oreilles oder die Gruppe der Uni Jean Jaurès Zimmer finden oder andere Studierende kennenlernen, mit denen man gemeinsam eine Wohnung suchen kann. Sucht man kein Zimmer, sondern eine Wohnung, kann einem die CROUS behilflich sein. Eine weitere Option, wenn man ein ganzes Jahr bleibt und Lust hat, sich sozial zu engagieren, ist das Projekt KAPS. KAPS bietet Wohnungen in unterschiedlichsten Teilen Toulouse an. Hier wohnen Studierende und Nichtstudierende zusammen, es sind richtig smpathische WGs für sehr günstige Mieten, die nicht mit den Wohnheimen zu vergleichen sind. Im Gegenzug engagieren sich die Bewohner*innen sozial, beispielsweise in Problembezirken. Hier ist ein sehr gutes Französischniveau erforderlich, da es ein Aufnahmeverfahren mit Bewerbungsgespräch gibt.
Für das Abschließen des Mietvertrags braucht man fast immer eine*n Bürg*in, manchmal sogar eine*n französische*n. Diese*r muss ein Dokument ausfüllen, wo handschriftlich Passagen einzutragen sind. Normalerweise kann einem der*die Vermieter*in dieses Dokument zuschicken und ein Elternteil schreibt dann die Passagen auf Französisch einfach ab und schickt es per Scan zurück.
Wohngeld
Hat man eine Wohnung gefunden, kann man das Wohngeld der CAF beantragen. Dies sollte man dann auch so schnell wie möglich tun, da die bürokratischen Prozesse unter Umständen eine Weile dauern können. Am besten versucht man nicht auf eigene Faust, das Dokument auszufüllen, sondern füllt es direkt online beim Welcome-Desk der CAF aus, in der 41 Allée Jules Guesde, direkt an der Métrostation Palais de Justice (Mo-Fr, 9 – 17 Uhr). Hier erhält man direkt Hilfe, wenn man etwas nicht versteht und geht sicher, alles richtig zu machen. Man braucht seinen Personalausweis, seine Versichertenkarte, seinen Studierendenausweis, seinen Mietvertrag und ein französisches Bankkonto. Normalerweise dauert es in etwa einen Monat, dann erfolgen die Zahlungen (meist um die 80 € an den Vermieter, d. h. man zahlt die Miete abzüglich des Wohngeldes). Hier sollte man immer wieder den Stand online kontrollieren. Irgendwann bekommt man einen Brief und wird dazu aufgefordert, einen Studiennachweis und eine internationale Geburtsurkunde einzureichen. Diese hat man entweder schon zuvor in Deutschland beantragt und direkt parat oder man kann sie (zumindest in Berlin) beim Standesamt seines Geburtsbezirks online bestellen. Das kostet eine Bearbeitungsgebühr und eine weitere Gebühr, insgesamt um die 22 € und kann 2-3 Wochen dauern.
Bankkonto
Entscheidet man sich, das Wohngeld zu beantragen, braucht man ein französisches Bankkonto. Dies ist auch von Vorteil, da man bei den meisten deutschen EC- und Kreditkarten eine Abhebegebühr von mind. 5 € zahlt. Auch sollte man sich sobald man einen Mietvertrag hat darum kümmern, da auch das Prozedere einer Kontoeröffnung unter Umständen einige Wochen in Anspruch nehmen kann, wenn man Pech hat. Bei vielen Banken muss man erst einen Termin zu einem Gespräch vereinbaren. Dann wartet man, bis das Konto eröffnet werden kann und muss einen zweiten Termin ausmachen. Danach dauert es noch einige Tage, bis die Kreditkarte abgeholt werden kann.
Ich war leider nicht besonders klug und habe beim ersten Versuch, ein Konto zu eröffnen, gesagt, dass ich Erasmusstudentin bin und nur sechs Monate bleiben würde. Daraufhin teilte mir die Bank mit, dass eine Kontoeröffnung für mich nicht möglich sei. Es ist also besser anzugeben, dass man mindestens ein Jahr bleibt und nur zu sagen, dass man in Toulouse studiert. Meine Bank, die Société Générale, kann ich nicht unbedingt empfehlen, da diese eine Unmenge an persönlichen Informationen und Daten abfragt. Ich habe mich für diese Bank entschieden, da die meisten Banken für eine Kontoeröffnung eine Attestation de Loyer fordern, die man sich extra von seinem*r Vermieter*in ausstellen lassen muss. Da ich sowieso spät dran war mit der Beantragung des Wohngelds, dachte ich, es würde bei dieser Bank schneller gehen. Hier brauchte ich lediglich meinen Mietvertrag und meinen Personalausweis.
Krankenversicherung
In Frankreich reicht die europäische Versichertenkarte aus. Allerdings kostet jeder Arztbesuch eine Praxisgebühr von 25 €.
Mobilität
Um die öffentlichen Verkehrsmittel zu nutzen, habe ich mir gleich nach meiner Ankunft die Carte Pastel für 8 € machen lassen. Die bekommt man bei einer der Agence Tisseo. Man braucht dazu ein Passfoto. Bis zum 26. Lebensjahr bekommt man die Monatskarte (Métro, Tram, Bus) damit für nur 10€. Ab 26 Jahren kostet sie dann leider 50 €. Da die Mirail aber relativ weit außerhalb liegt, lohnt es sich trotzdem.
Auch lohnt es sich (vor allem, wenn man im Sommer da ist) mit dem Rad zu fahren. Toulouse ist nicht besonders groß und fast alles ist mit dem Fahrrad gut zu erreichen. Über Leboncoin kann man sehr günstig Fahrräder finden. Da in Toulouse aber Räder gerne geklaut werden und ein sicheres Schloss dann nochmal einiges kostet, habe ich mir kein Fahrrad zugelegt. Stattdessen habe ich die Räder Vélôtoulouse genutzt. Die sind für 30 Min. kostenlos oder man zahlt 20 € (im Jahr) und kann sie unbegrent nutzen.
Lebenshaltungskosten
Die Lebenshaltungskosten sind in Frankreich generell höher als in Deutschland, vor allem in Berlin und Brandenburg. Ein Ticket für die öffentlichen Verkehrsmittel kostet zwar nur 1,70 €. Aber Lebensmittel, Miete, Restaurants, Bars, Freizeitaktivitäten sind generell teurer. Ein Vorteil Frankreichs ist allerdings das Kunst- und Kultursystem: Es gibt unheimlich viele Angebote, die für Studierende umsonst oder günstiger sind. Ansonsten kostet aber ein Bier in den meisten Bars zwischen 4 und 8 € und Essengehen beginnt tendenziell bei 15 € minimum. Selbst Fastfood und Imbisse sind teurer und ein Kaffee kostet gerne mal zwischen 3 und 4,50 €. Natürlich gibt es auch in Toulouse Lidl und Aldi, wo man am günstigsten einkaufen kann.
Freizeit
Toulouse ist eine bunte, sehr lebendige Stadt, die unglaublich viel zu bieten hat.
Festivals
Wie oben bereits erwähnt, findet permanent irgendein Kunst-, Tanz-, Theater-, Zirkus-, Jazz- oder Filmfestival statt. Viel davon ist umsonst. Es lohnt sich, in verschiedenen Zeitungen und Magazinen, die umsonst in der Fabrique ausliegen, ins Programm zu schauen. Ansonsten bekommt man das meiste über die Kommiliton*innen und Mitbewohner*innen mit.
Zirkus, Theater und Kino
Das Kino American Cosmograph zeigt sehr gute Filme (wenn man keine Mainstreamfilme mag). Der Eintritt für Studierende beträgt mittwochs nur 4,50 €. Auch In der Cinémathèque werden interessante Filme gezeigt und Studierende zahlen nur 6,50 €.
Toulouse ist die Stadt des Ziskus! Hier habe ich erst verstanden, was Zirkus eigentlich bedeutet und dass das Bild von Pferdedressur und Clowns mit roten Nasen ein koplett anachronistisches und unzeitgemäßes ist. Hier kann man die Kunst des zeitgenössischen Zirkus ganz neu entdecken. Wer Zirkus mag, sollte unbedingt mittwochs um 20:30 Uhr ins Lido gehen. In der Zirkusschule präsentieren die Studierenden, ehemals Studierende und Gastcompanies jede Woche umsonst ein buntes Programm. Es gibt unglaublich viele und gute Theater in Toulouse. Das Théâtre de la Cité ist ein sehr gutes, rennomiertes Theater. Die Eintrittspreise sind leider nicht sehr günstig. Kleine, sehr sympathische Theater sind beispielsweise das Théâtre du Grand Rond oder das Le Fil à Plomb.
Buchhandlungen, Cafés und Restaurants
Wer im Wintersemester da ist und zwischendurch einen warmen, gemütlichen Ort im Stadtzentrum sucht, kann ins Café Brolenda gehen. Hier gibt es Wifi und sehr leckere Backwaren. Ein weiteres Café mit angenehmer Atmosphäre, wo man auch gut lernen kann, ist das L‘Estaminot an der Métrostation Saint Cyprien. Ein toller Ort für verregnete Tage ist das Spielecafé Le Tricheur.
Sehr zu empfehlen sind die Buchhandlungen Ombres Blanches und Terra Nova im Zentrum. In letzterer finden auch oft kostenlose Lesungen statt und man kann dort Tee oder Kaffee trinken und schmökern.
Da ich aufgrund meines Budgets eher selten Essen war, kenne ich nur wenige Restaurants. Zum einen gibt es die Crêperie Le Sherpa im Zentrum, sehr gemütlich und recht günstig. Zum anderen gibt es das marrokanische Restaurant La Kasbah, wo es montags für 7 € Coucous im Angebot gibt und ab ~22 Uhr Livemusik. Hier sollte man reservieren. Ansonsten gibt es wohl auch einige gute vegane und vietnamesische Restaurants. Falls man Fleisch isst, sollte man irgendwann einmal mit einem*r Franzos*in in die Boucherie am Platz Jeanne D’Arc gehen und etwas typisch französisches wie Foie gras probieren.
Ausgehen
Es gibt unzählige Bars und Clubs in Toulouse, hier findet jede*r sicher das, was ihm/ihr gefällt. Die Maison Blanche ist sehr nett, hier finden viele Konzerte statt und der Eintritt ist auf Spendenbasis. Dienstags findet hier immer eine Jazz-Manouche-Jam-Session statt. Coole Clubs sind beispielsweise Le Cri de la Mouette auf einem Boot oder das Mix’art Myrys für Konzerte und eine coole Bar ist z. B. die Dada-Bar. Die besten Soirées hatte ich allerdings in den unzähligen Squads von Toulouse und bei Homeparties der KAPS-WGs. Die Einladungen zu verschiedensten Soirées der Squads hängen teilweise im Unicafé Gaspah aus.
Märkte
Der Süden Frankreichs ist für seine Märkte bekannt. Am Platz Jeanne d’Arc findet immer ein großer Markt statt, der nicht all zu teuer ist. Der Markt Saint Aubin an der Métrostation François Verdier ist etwas teurer, da hier Produkte aus der Umgebung angeboten werden. Es ist aber einer der schönsten Märkte Toulouse‘ und man sollte es sich nicht entgehen lassen, hier am Sonntagvormittag mit einem Kaffee hinüberzuschländern.
Studienfach: Lehramt Spanisch und Musik
Aufenthaltsdauer: 10/2018 - 03/2019
Gastuniversität: Université Toulouse II - Jean Jaurès
Gastland: Frankreich
Rückblick
Bevor ich mich für ein Ziel für mein Semester in Frankreich entschieden habe, habe ich mit vielen Franzos*innen gesprochen und gefragt, welche Stadt sie mir empfehlen würden. Die meisten haben Toulouse genannt und, wie ich mittlerweile finde, zurecht. Die Stadt ist perfekt für ein Auslandssemester- nicht zu groß und nicht zu klein, bunt, vielseitig und aufgeschlossen. Ich bin daher sehr froh, die Wahl getroffen zu haben. Auch wenn das Ziel nicht Frankreich sein soll, kann ich jedem*r ein Auslandssemester nur ans Herz legen, egal wohin es geht. Es ist eine einmalige Gelegenheit, die man sich nicht entgehen lassen sollte.