Erasmus+ Erfahrungsbericht - Institut d'études politiques de Lyon (IEP) - Sciences Po Lyon
Vorbereitung des Auslandsaufenthalts
Die Kommunikation mit der Gasthochschule verlief problemlos. Die Kursübersicht auf der Homepage ist dagegen nur teilweise aktuell; ich musste mein Learning Agreement zur Hälfte abändern. Vor der Abreise empfiehlt es sich, eine internationale Geburtsurkunde für die CAF (s. unten) zu besorgen und sein Französisch aufzufrischen. Ansonsten sollte man sich Bestätigungen über Kranken- und Haftpflichtversicherung ausstellen lassen. Wer in ein staatliches Wohnheim möchte, muss bereits im Frühjahr ein Dossier einreichen!
Studium an der Gastuniversität
Das IEP Lyon (Sciences Po Lyon) ist ein recht kleines Institut mit einem hohen Anteil inter-nationaler Studierender. Es ist administrativ an die Universität Lyon 2 angegliedert, wo man auch zu Anfang des Semesters den Studentenausweis abholen muss. Es gibt an der IEP Lyon mehrere Studienprogramme für ausländische Studierende, die jeweils aus einer festgelegten Anzahl verschiedener Typen von Lehrveranstaltungen bestehen. Das AEP ist ein einsemestriges Programm auf Französisch, das CEP das einjährige Pendant dazu und das Certificate of French and European Studies eine englischsprachige Alternative. Alle drei Programme bestehen aus frei wählbaren inhaltlichen Veranstaltungen plus einem französischen Sprachkurs. Ich selbst habe mich gegen die Programme und für freie Kurswahl entschieden. Die Wahl für oder gegen ein Programm wird vor Ort getroffen. Mit freier Kurswahl kann man in beliebiger Kombination Seminare (CDM) und Vorlesungen (CO bzw. CF) belegen. Theoretisch ist es auch möglich, Kurse an der Universität Lyon 2 zu belegen, womit ich aber selbst keine Erfahrungen gemacht habe. Da Zeit und Ort der Veranstaltungen nicht öffentlich verfügbar sind, wäre es mit einem ziemlichen Aufwand verbunden gewesen. Das Vorlesungsangebot der IEP ist recht breit. Die Universität bietet Kurse in Jura, Wirt-schaft, Politikwissenschaft und Geschichte an, dazu kommen regionale Spezialisierungen. Das meiste davon ist auf Französisch, auch wenn vereinzelt englischsprachige Veranstaltungen zu finden sind. Da fast immer PowerPoint verwendet wird, ist es mit einem B2-Niveau aber nicht allzu schwer, den Kursen zu folgen. Außerdem gibt es seit kurzem ein Programm für ausländische Studierende, in dem Franzosen ihre Mitschriften teilen. Ich selbst habe damit allerdings keine Erfahrungen gemacht. Das Angebot an Seminaren ist wesentlich beschränkter. An Forschungsseminaren dürfen in-ternationale Studierende nicht teilnehmen, und die übrigen Seminare verteilen sich wieder auf Wirtschaft, Politikwissenschaft, Geschichte und Jura. Das Angebot an politikwissenschaftlichen Seminaren auf Masterniveau war entsprechend gering, weshalb ich überwiegend Vorlesungen besuchen musste. Das Niveau der Seminare und die Arbeitsbelastung variierten von Kurs zu Kurs. Meist wurden ein Referat und eine Form von Essay verlangt. Sprachkurse können an der IEP nur für Französisch im Rahmen der eingangs erwähnten Programme belegt werden. Andere Sprachkurse gibt es zwar, aber sie sind nicht für Erasmus-Studenten geöffnet. Stattdessen können Sprachkurse der Universität Lyon 2 belegt werden. Die allgemeine Sprachausbildung findet allerdings auf einem recht abgelegenen Campus statt; ich habe zudem sehr schlechte Erfahrungen damit gemacht. Da es für jeden Kurs nur 3 ECTS gibt, hatte ich am Ende 10 Kurse mit einer Dauer von je mindestens 120 bis 180 Minuten. Am Anfang hielt sich Arbeitsbelastung trotzdem in Grenzen, dafür wurde es in der zweiten Semesterhälfte und in der Klausurenphase etwa stressig. Die Klausuren können (bei einem einsemestrigen Aufenthalt) in Januar oder auf Antrag bereits im Dezember abgelegt werden. Zumeist sind es Essay-Klausuren, teils mit eigenen Bestimmungen für ausländische Studierende. Über Benotung und Anerkennung kann ich noch keine Angaben machen. Vor dem eigentlichen Studienbeginn gibt es außerdem einen zweiwöchigen Vorbereitungskurs, das Stage PRUNE. Inhaltlich war er keine sonderliche Bereicherung, aber dafür nützlich, um schnell Bekanntschaften mit anderen ausländischen Studierenden zu schließen. Der Kurs ist sehr zeitintensiv, was man in der Planung berücksichtigen sollte. Administrativ sollte man sich auf ein ziemliches Chaos einstellen. Die Mitarbeiter des International Office und die französischen Mitstudenten sind aber sehr hilfsbereit, sodass am Ende doch immer alles funktioniert hat. Es ist auch zu empfehlen, den Facebook-Gruppen der jeweiligen Studienrichtungen und Jahrgänge beizutreten, da dort häufig nützliche Informationen zu Seminaren und Vorlesungen zu finden sind. Die Bibliothek des IEP ist relativ klein und nicht allzu gut ausgestattet. Dafür hat sie Scanner und Kopierer mit 400 Freikopien. Die Bibliotheken von Lyon 2 und ENS (Bibliothèque Dide-rot) können ebenfalls verwendet werden; zusammen kommen sie auf ein recht gutes, wenn auch vor allem französischsprachiges, Angebot.
Kontakte zu einheimischen und ausländischen Studierenden
Kontakte zu ausländischen Studenten schließt man schnell, häufig bereits im Stage PRUNE. Der Kontakt zu französischen Studenten war ebenfalls leichter herzustellen als erwartet. Es empfiehlt sich, in eine französische WG oder ein Zimmer zur Untermiete zu ziehen und an der Universität Associations oder Sportgruppen beizutreten. Persönlich kann ich den Aikido-Kurs aus ganzem Herzen empfehlen. Es gibt auch eine Facebook-Gruppe (Tandem Partner Lyon), über die man schnell und unkompliziert Tandem-Partner finden kann.
Sprachkompetenz vor und nach dem Auslandsaufenthalt
Meine Sprachkompetenz hat sich trotz der kurzen Aufenthaltsdauer deutlich verbessert. Man sollte versuchen, Kontakte zu Franzosen zu knüpfen, französischsprachige Veranstaltungen zu besuchen und mit ausländischen Studenten nicht zu viel Englisch zu sprechen.
Wohn- und Lebenssituation
Wer in ein staatliches Wohnheim möchte, muss sich unbedingt frühzeitig darum kümmern. Die Zimmer sind vergleichsweise günstig und alle Wohnheime, in denen ich gewesen bin, waren absolut in Ordnung. Ich selbst habe die Frist verpasst und mich ab Juli auf Leboncoin und Lacartedescolocs nach WG-Zimmern umgeschaut. Es gibt weitere Websites, die aber kostenpflichtig sind. Neuerdings bietet auch das IEP eine Zimmerbörse an, die aber letztes Jahr noch im Anfangsstadium steckte. Am Ende (Anfang August) habe ich keine WG, sondern ein Zimmer zur Untermiete gefunden. Es entpuppte sich als Glücksgriff, da das andere untervermietete Zimmer von einer französischen Berufsanfängerin bewohnt wurde und wir uns bald angefreundet haben. Andere internationale Studierende haben WGs gefunden oder sind kurzfristig in (überteuerten) privaten Wohnheimen untergekommen. Das Metro-Netz ist gut ausgebaut und man kann günstig Fahrräder benutzen, das Zimmer muss sich also nicht zwingend in Laufentfernung zur Uni befinden. Die Zimmersuche wird dadurch erschwert, dass häufig französische Bürgen verlangt werden. Man sollte sich außerdem darauf einstellen, eventuell einen Scheck über die Kaution ausstellen zu müssen. In den meisten Wohnsituationen ist es möglich, Wohngeld (CAF) zu beantragen. Das Wohngeld ist (je nach Einkommen und Miethöhe) recht hoch; der bürokratische Aufwand lohnt sich also. Der Antrag kann online gestellt werden. Man benötigt eine internationale Geburtsurkunde, ein französisches Bankkonto und eine französische Telefonnummer. In meinem Fall hat sich der Prozess bis Dezember hingezogen, weil dauernd Angaben und Dokumente nachgefordert wurden. Einige Mitstudenten hatten noch wesentlich mehr Probleme mit der CAF als ich. In jedem Fall wird das Geld auch rückwirkend ausgezahlt; nur für den ersten Monat gibt es nichts. Ein französisches Bankkonto zu eröffnen, kann schwierig sein. Die meisten Banken akzeptie-ren keine Kunden, die weniger als ein halbes Jahr in Frankreich bleiben. Nach mehreren Anläufen bin ich bei Crédit Mutuel gelandet, wo ich völlig unkompliziert und innerhalb von einer Woche ein kostenloses Bankkonto samt aller dazugehörigen Dokumente bekommen habe. Es gab außerdem gerade eine Werbeaktion, bei der zu sehr günstigen Konditionen französische SIM-Karten ausgegeben wurden. Für die Eröffnung des Bankkontos braucht man unter anderem einen Nachweis über den Wohnsitz; ich hatte eine Quittung über die erste Mietzah-lung. Das öffentliche Verkehrsnetz ist sehr gut ausgebaut und weitgehend zuverlässig. Es gibt Studentenabonnements für rund 31€ im Monat; bei längeren Aufenthalten können auch Jahrestickets gekauft werden. In der ersten Woche nach Kursbeginn muss mit großem Andrang an den Ausgabestellen gerechnet werden. Außerdem gibt es ein sehr praktisches Fahrradsystem, Vélo‘v. Für einen Jahresbeitrag von 15€ kann man je eine halbe Stunde am Stück kostenlos fahren. Wenn man eine Metrokarte (Carte Técécly) für die Benutzung der Leihfahrräder verwendet, erhöht sich die halbe auf eine ganze Stunde. Die Radwege sind gut ausgebaut, besonders schön kann man an den Flüssen entlangfahren.
Studienfach: M.A. Internationale Beziehungen
Aufenthaltsdauer: 09/2017 - 01/2018
Gastuniversität: Institut d'études politiques de Lyon (IEP) - Sciences Po Lyon
Gastland: Frankreich
Rückblick
Akademisch betrachtet war das Semester in Lyon kein durchschlagender Erfolg. Die Kurse waren in Ordnung, aber vor allem dazu geeignet, theoretisches und geschichtliches Überblickswissen zu erwerben. Positiv daran ist, dass man leicht in Fachbereiche hineinschnuppern kann, die nicht direkt ins eigene Studiengebiet fallen, aber daran angrenzen. Ich habe beispielsweise Kurse über Internationale Finanzwirtschaft und japanische Geschichte belegt. Außerdem konnte ich mein Französisch deutlich verbessern und habe viele nette Menschen kennengelernt.