Vorbereitung des Auslandsaufenthaltes
Für mich stand schon seit Studienbeginn fest, dass ich mein 5. Semester im Ausland verbringen möchte und ich habe mich schon früh mit Deadlines und Informationstagen zum Ausland beschäftigt. Auch wenn organisatorisch manchmal alles etwas durcheinander ging, lief zum Ende hin alles recht unkompliziert ab und das International Office und die jeweiligen Auslands-Koordinator*innen konnten bei Problemen aller Art meist aushelfen. Auch das International Office der Austauschuniversität in Gent hat sich früh mit uns in Kontakt gesetzt. Da es doch hier und da die ein oder andere Deadline für Anmeldungen oder ähnliches gibt (verstreut über die erste Jahreshälfte), sollte man das im Auge behalten und Mails aufmerksam lesen.
Studium an der Gastuniversität
Ich habe als Studentin von PVO ein recht breites Spektrum an belegbaren Modulen zur Auswahl gehabt und am Ende einen Sprachkurs, zwei Politikkurse, einen Philosophiekurs und zwei Kommunikationswissenschaftskurse belegt. Das war sehr bereichernd; vieles davon hätte ich an der Uni Potsdam so nicht belegen können. Allerdings muss man sich als BA-Student*in darauf gefasst machen, dass man den einen oder anderen Masterkurs belegen muss, aufgrund von zeitlichen Überlappungen oder weil es vom Themenbereich mehr passt. Das ist allerdings von keiner größeren Bedeutung gewesen. Für die Politik- und Sozialwissenschaftliche Fakultät musste man für die Kurse ein Approval von der/dem jeweiligen Lektor*in einholen, was uns am Anfang etwas abgeschreckt hat. Abgesehen vom Mehraufwand, eine kurze „Bewerbung“ für jeden Kurs zu schreiben, war das später allerdings nicht weiter von Belang. Alle meine Kurse hatten einen vorlesungsähnlichen Charakter mit einer hohen Anzahl von Teilnehmenden. Das hat kaum bis wenig Raum für interaktiven Austausch gelassen. Gefasst machen muss man sich auch auf die mindestens 3 Stunden dauernden Veranstaltungen. Die Uni fordert neben den Klausuren/Hausarbeiten am Ende des Semesters meist auch noch andere Abgaben ein, die oft in Gruppenarbeiten erarbeitet werden. Das Leistungsbewertungssystem besteht aus 0-20 Punkten, wobei 0-10 als nicht bestanden gelten und 18 als das prinzipiell beste zu erreichende Ergebnis. Die Noten fielen am Ende aber nicht so „schlimm“ wie erwartet aus und das Umrechnungssystem der Universität Potsdam ist zudem sehr studi-freundlich! :) Da es mir selbst im Vorfeld leider nicht sonderlich gut ersichtlich war: Im BA Studiengang Politik, Verwaltung und Organisation gibt es eine Besonderheit beim Anrechnen der Kurse/erreichten Leistungspunkte. Im Unterschied zu den anderen Studiengängen der Universität Potsdam müssen Studierende dieser Fachrichtung ihre Kurse nicht mit Note anrechnen lassen. Es reicht ein pauschales „Bestehen“ der belegten Kurse, um die nötigen 30 ECTS zu erreichen (mindestens 5 Kurse). Ein zusätzlicher „Pufferkurs“ hat sich jedoch aus eigener Erfahrung als sinnvoll herausgestellt. Auch wenn sich „ bloßes Bestehen“ (4,0 / 10 Punkte) erst einmal nicht nach sonderlich viel Arbeitsaufwand anhört, kann ich nur empfehlen, nicht allzu spät mit den Klausurvorbereitungen anzufangen, da durch die 3 Stunden Kurse einiges mehr an Klausurstoff zusammenkommt. Da die ganze Stadt eigentlich die Uni ist und überall Campi sind, gibt es eine riesige Auswahl an gut ausgestatteten Bibliotheken und Lernmöglichkeiten. Wem zuhause die Decke auf den Kopf fällt, kann hier in der Prüfungsphase regelrecht „Bib-Hopping“ betreiben.
Kontakt zu einheimischen und internationalen Studierenden
Das Erasmus Student Network (ESN) in Gent hat unglaublich viel getan, um uns bestmöglich mit den anderen Austauschleuten zu vernetzen und eigentlich jeden Tag eine Aktivität angeboten, sei es ein gemeinsamer Tischtennisnachmittag, ein Speedfriending Event oder eine gemeinsame Tour zur alten Grafenburg (Gravensteen). Ich kann empfehlen, so viel wie möglich davon mitzunehmen, gerade auch am Anfang, um viele neue Kontakte zu knüpfen, aber auch weil durch die derzeitige Covid-19 Situation die Events gegen Ende des Jahres leider immer mehr eingestellt werden mussten. Auch das Wohnen im Wohnheim erleichtert erheblich den Anschluss zu anderen Erasmus-Studierenden.
Sprachkompetenz vor und nach dem Auslandsaufenthalt
Den Vorlesungen, die allesamt bis auf den Sprachkurs in Englisch gehalten wurden, konnte ich sehr gut folgen. Die niederländischsprachigen Belgier*innen beherrschen fast ausnahmslos alle ein sehr gutes Englisch, was die Kommunikation und Verständigung sehr erleichtert, ohne große Kenntnisse der Landessprache zu erfordern. (Um sich ein bisschen mit einer der drei Amtssprachen Belgiens zu befassen, ist der Dutch-Kurs für Exchange Students sehr gut geeignet.) Wer sein Englisch noch über die Kurse hinaus verbessern und aktiv anwenden möchte, sollte beim Kontakt zu den anderen Austauschstudierenden darauf achten, nicht nur in der eigenen Wohlfühl-Bubble der Gleichsprachigen abzuhängen, was doch schneller passiert als gedacht.
Wohn- und Lebenssituation
Während meiner Zeit in Gent habe ich im Wohnheim für die Austausch-Studis gewohnt. Von den vier Austauschstudierenden der Uni Potsdam in Gent bin ich als Einzige im Wohnheim angenommen worden. Wer sich also nicht lange mit der Suche nach einem Zimmer auf dem (sehr harten) privaten Wohnungsmarkt herumschlagen will, sollte nicht zögern, sich direkt zu bewerben, sobald der Zugang dazu freigeschaltet ist. Das Wohnheim ist explizit nur für Austauschstudierende; es gibt Einzelzimmer mit eigenem Bad und Kühlschrank und eine große Gemeinschaftsküche für den gesamten Flur. Da das Wohnheim wirklich nur das Nötigste stellt, empfehle ich Dinge, die euch zuhause sehr wichtig sind, wie beispielsweise einen Wasserkocher und einen Grundstock an Besteck/Teller/Tassen (und für Leute die im WiSe gehen eine Decke!) mitzubringen. Es gibt zwar SWAP-Räume, in denen Studierende, die Gent gerade verlassen, ihre Überbleibsel zur freien Verfügung stellen können, jedoch waren die zum Semesterbeginn schon weitgehend abgegrast. Das Wohnheim hilft auf jeden Fall dabei, Kontakte mit den anderen Erasmus-Studis zu schließen. Man hilft sich gegenseitig aus, veranstaltet Kochabende oder die ein oder andere Küchenparty und wächst ein bisschen auch als „Dorm-Family“ zusammen. Gegen November und Dezember wurden allerdings die Corona-Auflagen etwas strenger. An die sollte man sich halten, wenn man von der patrouillierenden Security nicht erwischt und aufgeschrieben werden will. Billiger ist der Platz im Wohnheim mit 460€ monatlich im Vergleich zum privaten Wohnungsmarkt jedoch nicht. Die Lage des Wohnheims ist jedoch unschlagbar. Der Overpoort (die Partymeile von Gent) ist direkt nebenan und diverse Campi der Uni Gent sind mit Rad und/oder zu Fuß in kurzer Zeit zu erreichen. Viele andere Studierende mussten abends/nachts noch sehr viel weiter in entlegenere Bezirke von Gent fahren, was den Studis im Wohnheim erspart bleibt. Auf öffentliche Verkehrsmittel ist man in dieser Stadt eigentlich nicht angewiesen. Jede*r fährt Fahrrad, welches man zu einem sehr humanen Preis für ein paar Monate bei einem der bekannten Fahrradverleiher nutzen kann. Mit dem Zug kommt man, gerade am Wochenende, zu sehr günstigen Preisen in die nächstgelegenen Städte wie Brügge, Antwerpen, Brüssel und viele mehr. Aber auch Städte in den Niederlanden oder Frankreich sind mit dem Zug schnell zu erreichen. Wer Lust darauf hat möglichst viele Städte anzuschauen, sollte die geografisch gute Lage von Belgien ausnutzen. Die Uni verfügt zudem über einen sehr guten medizinischen Service (Medical Service). Wer mal krank ist, muss sich keine Sorgen machen, denn dort ist man in besten Händen. Auch durch persönliche Erfahrungen kann ich guten Gewissens sagen, dass die Ärzt*innen alles tun, auch wenn es um Schwerwiegenderes als nur um eine Erkältung geht. Die Lebenshaltungskosten in Belgien sind etwas höher als in Deutschland, was man gerade beim Einkauf von Lebensmitteln merkt. (Dafür sind die berühmten Fritten umso billiger!)
Studienfach: Politik, Verwaltung und Organisation
Aufenthaltsdauer: 09/2021 - 02/2022
Gastuniversität: Universiteit Gent
Gastland: Belgien
Rückblick
Den Auslandsaufenthalt in Gent kann ich sehr empfehlen. Wer damit leben kann, dass es viel regnet und Bock auf eine alte Stadt mit beeindruckender Historie hat, die gleichzeitig unglaublich viel Nachtleben bieten kann, sollte Gent in seine Top 3 bei der Bewerbung aufnehmen. Auch das Studieren an der Universität in Gent habe ich gleichzeitig zwar als anspruchsvoll, aber qualitativ hochwertig empfunden. Auch das International Office und die Fakultätsverantwortlichen haben bei Rückfragen immer schnell reagiert und auch über das Semester hinweg einiges an Veranstaltungen und kleinen Präsenten organisiert, sodass man sich sehr gut aufgehoben fühlt.