Vorbereitung des Auslandsaufenthaltes
Der Kontakt zur La Trobe University war äußerst zuverlässig, hilfsbereit und gut organisiert. Alle Fragen und Anliegen wurden schnell und kompetent beantwortet. Zwar ist das Vorlesungsverzeichnis etwas umständlich gestaltet, doch es ist stets aktuell, was die Kursplanung erheblich erleichtert. Auch das International Office der Universität Potsdam war eine große Unterstützung und hat sich viel Zeit genommen, um bei der Organisation von Visa, Beurlaubung und Stipendien zu helfen. Insgesamt ist die Bewerbung und Vorbereitung zwar deutlich aufwendiger als bei einem Erasmus-Semester, aber der Aufwand lohnt sich definitiv!
Für mein Auslandssemester habe ich ein Working-Holiday-Visum genutzt, da es mir ermöglicht hat, flexibler in Australien zu bleiben. Dieses Visum lässt sich schneller beantragen als das Student Visa und ist zudem günstiger, da keine Overseas Health Cover erforderlich ist. Allerdings muss man eine eigene Auslandskrankenversicherung abschließen und beachten, dass mit diesem Visum nur ein Semester an einer australischen Universität studiert werden darf. Da sich die Semesterzeiten in Australien mit den deutschen überschneiden, habe ich die zusätzliche Zeit genutzt, um vor Semesterbeginn in Australien zu arbeiten. So konnte ich während des Semesters finanziell entspannter sein und hatte keine Geldprobleme.
Studium an der Gastuniversität
Um auf 30 ECTS zu kommen, müssen an der La Trobe vier Kurse belegt werden. Das kann teilweise zeitintensiv sein, da während des Semesters bereits Assignments anstehen, die in die Endnote einfließen. Zudem müssen Hausarbeiten meist bis zum Ende der Klausurenphase, oft auch früher, abgegeben werden. Ich hatte sowohl Klausuren als auch Hausarbeiten, was das Semesterende ziemlich stressig machte. Die Kursleitenden sind jedoch sehr engagiert und bemüht, dass alle das Modul erfolgreich abschließen, was für ein durchweg positives Arbeitsklima sorgt. Die Kurse selbst sind vergleichbar mit denen anderer Universitäten – manchmal hat man Glück und erwischt einen spannenden und gut organisierten Kurs, manchmal ist es etwas chaotischer.
In meinen Kursen fanden alle Vorlesungen online statt, während die Seminare on campus abgehalten wurden. Das hat es erschwert, mit anderen Studierenden in Kontakt zu kommen. Besonders, da der Campus relativ weit außerhalb liegt und die meisten nur kommen, wenn es unbedingt nötig ist, und danach schnell wieder fahren. Ein lebendiges Campusleben hat mir ein wenig gefehlt. Abgesehen davon ist der Campus top: Es gibt viele verschiedene, allerdings meist nicht vegetarische Essensmöglichkeiten, die Bibliothek ist 24/7 geöffnet, und zahlreiche wissenschaftliche Artikel und Bücher sind durch den Onlinezugang verfügbar.
Die Erreichbarkeit des Campus mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist jedoch schwierig, besonders je nachdem, wo man wohnt. Es gibt lediglich eine Tramstation und einige Buslinien. Für einen möglichst kurzen Weg zur Uni würde ich empfehlen, entlang der Tramlinie zu wohnen. Ich habe relativ weit weg gewohnt und musste die Bahn sowie einen Bus nehmen. Gerade im Feierabendverkehr dauerte die Busfahrt oft doppelt so lange. Ein großer Vorteil ist jedoch, dass Gaststudierende eine Ermäßigung auf das ÖPNV-Ticket erhalten!
Sprachkompetenz vor und nach dem Auslandsaufenthalt
Meine Englischkenntnisse waren vor dem Auslandssemester bereits sehr gut, aber ich wusste, dass es eine völlig andere Erfahrung sein würde, komplett von der Sprache umgeben zu sein. Gerade am Anfang war es hin und wieder eine Herausforderung. Doch jetzt, gegen Ende des Semesters, habe ich das Gefühl und die Sicherheit, mich flüssig und präzise ausdrücken zu können. Allerdings können Gespräche mit ländlichen Australiern immer noch herausfordernd sein, da ihr derber Akzent schwer zu verstehen ist. Insgesamt hat das Auslandssemester meinen Sprachkenntnissen jedoch den letzten Feinschliff verliehen und sie auf ein neues Niveau gehoben.
Wohn- und Lebenssituation
Ich hatte das große Glück, bereits ein paar Leute in Melbourne zu kennen, und bin über diese an eine sehr günstige und tolle Zwischenmiete gekommen. Nach dem, was ich von anderen gehört habe, ist der Wohnungsmarkt in Melbourne jedoch ziemlich vergleichbar mit dem Berliner Wohnungsmarkt. Das Pendant zu WG-Gesucht ist die „Fairyfloss“-Gruppe auf Facebook. Generell läuft in Australien vieles über Facebook, daher lohnt es sich, den Account wieder zu aktivieren. Mit etwas Glück findet man eine WG in einem Haus mit Garten und oft auch einem Wohnzimmer. Zwar mag die Miete dadurch etwas höher sein, aber die Wohnqualität ist in der Regel ebenfalls besser.
Öffentliche Verkehrsmittel sind zwar vorhanden, doch ich habe mir ein Fahrrad über Facebook Marketplace gekauft. Gerade für Wege zwischen den Suburbs sind die Öffis oft unpraktisch. Außerdem hat Melbourne überraschend viele gute Radwege, aber obacht in Australien gilt eine gesetzliche Helmpflicht beim Fahrradfahren.
Das Leben in Australien ist generell teurer als in Deutschland, aber der große Preisschock blieb zum Glück aus. Natürlich sind einige Lebensmittel und Alkohol, wie zu erwarten, absurd teuer. Wenn man jedoch auf die Preise achtet, kann man recht gut klarkommen. Besonders empfehlen kann ich den Queen Victoria Market, der mit dem Maybachufer-Markt in Berlin vergleichbar ist. Obst und Gemüse sind dort oft fast schon lächerlich günstig. Essengehen kann an einigen Stellen sogar günstiger sein als in Deutschland und ist absolut empfehlenswert. Besonders das asiatische Essen in Melbourne ist überragend, es gibt viele Küchen und Gerichte, die man selbst in Berlin nicht findet. Dafür war es mir immer wert, ein bisschen Geld auszugeben.
Abseits vom Essen hat Melbourne kulturell einiges zu bieten: Clubs, Kunst und eine allgemeine Atmosphäre, die sehr an Berlin erinnert, durchweg eine lebendige Stadt, in der man auch Club Mate kaufen kann. Grade in den nödrlcihen Suburbs, wie Brunswick, Fitzroy etc. Rund um Melbourne gibt es zudem viel Natur für Wanderungen und einige top Kletterspots. Wer in Melbourne überwintert, kann sogar Ski fahren, was ich mit dem Mountaineering Club der La Trobe gemacht habe, definitiv empfehlenswert! Der Club bietet über das gesamte Semester verteilt verschiedene Aktivitäten an. Für Kletterfans gibt es zudem einige sehr gute Kletterhallen in Melbourne, in denen es regelmäßige Meetups gibt, unter anderem auch vom Mountaineering Club organisiert.
Studienfach: Remote Sensing, geoInformation and Visualization (RSIV)
Aufenthaltsdauer: 07/2024 - 12/2024
Gastuniversität: La Trobe University
Gastland: Australien
Rückblick
Insgesamt hatte ich eine klassische Auslandssemester-Erfahrung mit vielen Höhen und Tiefen. Das ‚Winter‘ Semester von August bis November kann durchaus anstrengend sein, da der Winter in Melbourne sehr nass, kalt und dunkel ist. Besonders herausfordernd ist es, da viele der Häuser schlecht isoliert sind und nur elektrische Rollheizungen haben. Doch sobald es wärmer wird, zeigt die Stadt direkt einen ganz anderen Charme, vergleichbar mit dem Wechsel zwischen Winter und Sommer in Potsdam.
Australien ist jedoch einzigartig: In einem tropischen Land zu studieren, die völlig andere Vegetation zu entdecken und den Alltag dort zu erleben, ist etwas ganz Besonderes. Für mich war es zudem eine wertvolle Erfahrung, in einer ehemaligen Kolonie zu leben und die direkten Auswirkungen unserer kolonialen Vergangenheit auf gestohlenem Land besser zu begreifen. Darüber hinaus bietet Australien die Möglichkeit, über die Kultur und Geschichte der Aboriginal-Bevölkerung zu lernen, nicht nur in Bezug auf den durch die Kolonisation verursachten Leidensdruck, sondern auch im Hinblick auf Traditionen, Kunst und Perspektiven.
Außerdem finde ich es äußerst bereichernd, eine andere Universität zu besuchen, komplett neue Kurse zu belegen und das besondere Uni-Flair vor Ort zu erleben. Natürlich kann es während eines Auslandssemesters manchmal schwerfallen, den Fokus auf die Uni zu behalten. Dennoch ist es eine einmalige Chance, Kurse zu besuchen, die man so vielleicht nie wieder belegen könnte, und dabei tief in den australischen Uni-Alltag einzutauchen. Es ist spannend, die Unterschiede in Lehrmethoden, Studienkultur und dem Umgang zwischen Studierenden und Lehrenden zu entdecken, all das gibt einem auch das Gefühl, für eine Zeit wirklich Teil einer anderen akademischen Welt zu sein.
Es gibt in Down Under so viele Möglichkeiten, den eigenen Horizont auf ganz unterschiedliche Weise zu erweitern. Diese Erfahrungen kann ich nur bestens empfehlen.