Vorbereitung des Auslandsaufenthaltes
Von Beginn meines Studiums an wollte ich die Chance, an einer anderen Universität zu studieren, unbedingt wahrnehmen. Eine zweite Perspektive auf mein Studienfach und auch noch eine weitere Sprache erlernen, schienen mir sehr bereichernde Erfahrungen. Da ich bereits in der Schulzeit mehrere Jahre Spanisch gelernt hatte und mir die Sprache sehr gefallen hat, habe ich mich für ein spanischsprachiges Land entschieden, um meine Sprachkompetenz zu verbessern. Ich hatte von Freunden gehört, dass man im Erasmus häufig fast nur Kontakt mit anderen Austauschstudierenden hat und dementsprechend häufig Englisch statt Spanisch spricht. Deshalb wollte ich unbedingt nach Lateinamerika. Da das Fach Psychologie in Argentinien eine sehr hohe Relevanz genießt und ich außerdem interessiert an dem psychoanalytischen Fokus der Universidad de Buenos Aires (UBA) bin, habe ich mich für Argentinien entschieden und bin sehr zufrieden mit der Entscheidung.
Die frühzeitige Bewerbung für den Platz an der UBA erlaubte mir zwei Semester Spanischkurse an der Uni Potsdam zu belegen, um mich sprachlich auf den Austausch vorzubereiten. Obwohl diese sehr zeitintensiv sind und ich mir keine Punkte dafür anrechnen lassen konnte, bin ich sehr froh dies gemacht zu haben. Jede sprachliche Vorbereitung ist hilfreich, denn sobald man im Ausland ankommt wird einem erst bewusst, wie schwierig es ist, sich mit Muttersprachlern zu unterhalten und vor allem in den Unikursen (die alle auf Spanisch stattfinden) ist es besonders enttäuschend, wenn man nichts versteht. Die Bewerbung selbst (über das International Office) habe ich als sehr unkompliziert erlebt, da mir Frau Subašić und Frau Kettmann bei jeder Frage zur Seite standen. Aufwändig war nur die Organisation der Unterlagen und insbesondere die Bewerbungsfrist über ein Jahr vor dem eigentlichen Austausch. Daher musste ich sehr weit im Voraus
planen. Zusätzlich zu der sprachlichen Vorbereitung habe ich außerdem versucht, so viele persönliche Erfahrungen wie möglich einzuholen. Über Erfahrungsberichte und über Frau Subašić habe ich den Kontakt von Frau Kurz bekommen, die in Buenos Aires lebt und sich vor meiner Abreise mit mir getroffen hat, um mit mir alle meine Fragen zu besprechen. Dies habe ich als besonders hilfreich erlebt, da ich vorher noch nie in Lateinamerika war und mir so einen besseren Eindruck verschaffen konnte, was auf mich zukommt und
worauf ich mich vorbereiten sollte. Etwas schwierig war die Kommunikation mit der UBA vor meiner Ankunft, da ich mich nicht über die Hochschulpartnerschaft mit der philosophischen Fakultät beworben habe, sondern separat auf ein Auslandssemester an der psychologischen Fakultät. Da die UBA sich oft lange nicht gemeldet hat, war lange Zeit nicht klar, ob alles funktioniert und ich konnte meinen Flug erst sehr spontan buchen (ca. zwei-drei Wochen vorher). Ein weiteres Hindernis war außerdem, dass erst ca. eine oder zwei Wochen vor Ankunft klar war, wann die Einführungsveranstaltungen an der UBA stattfinden, ich zu spät ankam und daher nicht teilnehmen konnte. Das International Office der UBA war sehr hilfsbereit mit der Kurswahl, sodass ich keine organisatorischen Nachteile hatte, aber durch die späte Ankunft habe ich die Chance verpasst, die anderen Austauschstudierenden der Fakultät kennenzulernen.
Studium an der Gastuniversität
Das Studium an der UBA hat mir sehr gut gefallen. Als Austauschstudierende wurde mir empfohlen, maximal drei Kurse zu wählen. Diese beinhalten meist einen theoretischen Teil (ähnlich einer Vorlesung) und einen praktischen. In meinem Fall war der praktische Teil entweder ein seminar-ähnlicher Kurs oder ein Einsatz in beispielsweise einer Klinik. Das Angebot an der UBA ist unglaublich groß und vielseitig, das ist natürlich toll, aber erschwert auch die Auswahl. Besonders die praktischen Einsätze haben mir sehr gut gefallen, ich habe einen Kurs zu Abhängigkeiten belegt und an Gruppentherapiesitzungen in einer Klinik hospitiert. Obwohl ich am Anfang große Probleme mit der Sprache hatte, war dieser Kurs sehr interessant, da ich dadurch auch Einblick in das Leben von ArgentinierInnen bekommen konnte, die ich sonst nicht kennengelernt hätte und auch den Vergleich zwischen Therapiesitzungen in Argentinien und Deutschland ziehen konnte. Sprachlich hatte ich am Anfang viele Probleme an der Uni, da ich in den Kursen wenig verstanden habe, aber die Texte, die wir zusätzlich lesen mussten, haben mir sehr geholfen, da diese leichter zu verstehen waren und ich ggf. Vokabeln nachschlagen konnte. Sobald ich mich mehr an den Akzent gewöhnt hatte und mein Spanisch besser
wurde, war auch das Verstehen einfacher. Generell waren sowohl die Professoren, als auch die Mitstudierenden in jeder Hinsicht sehr hilfsbereit und haben sich immer bemüht, mich zu unterstützen. Dies hat mich sehr positiv überrascht. Fun Fact: während des Unterrichts trinken alle permanent Mate-Tee und dieser wird dann auch durch die Reihen gegeben, sodass Schüler und Lehrer (oder auch Therapeut und Patient) sich Mate teilen. Genauso wie das Umarmen am Anfang einer Stunde war ich von diesem sehr informellen Kontakt anfangs etwas überrumpelt, aber habe mich dann schnell daran gewöhnt und es als sehr herzlich empfunden.
Kontakte zu einheimischen und internationalen Studierenden
Kontakt zu knüpfen ist in Buenos Aires sehr leicht, die Leute sind extrem offen und man wird ständig angesprochen. Abends ist immer was los, sodass man eigentlich jeden Tag feiern gehen kann und auf Parties lernt man sowieso sehr schnell Menschen kennen. Sowohl Einheimische als natürlich auch andere Austauschstudierende. Außerdem gibt es zwei große Organisationen (BAIS und BAforall), die fast täglich Angebote für Austauschstudierende anbieten, sodass man schnell Anschluss finden kann. In der Uni
waren die Mitstudierenden zwar alle sehr offen, aber da viele nebenbei Vollzeit arbeiten, ist es schwierig, sich näher kennenzulernen. Ich hatte das Glück, mit Argentiniern zu wohnen und hatte dadurch mehr Kontakt zu Einheimischen. Ich würde auch unbedingt jedem empfehlen, nicht nur mit Austauschstudierenden zu wohnen, da dann meist nur Englisch gesprochen wird und man viel weniger Einblick in die Kultur bekommt.
Sprachkompetenz vor und nach dem Auslandsaufenthalt
Da ich schon mehrere Jahre Spanisch in der Schule hatte und auch zwei Semester an der Uni belegt habe, war mein Wissen über die Zeitformen relativ gut, aber sprechen fiel mir sehr schwer. Besonders an den argentinischen Akzent musste ich mich erst gewöhnen und auch viele Wörter sind anders als im spanischen Spanisch, das wir in Deutschland lernen. Mir hat am meisten geholfen, mit Muttersprachlern zu wohnen und vor allem keine Angst zu haben, einfach drauf loszusprechen. Auch wenn man Fehler macht, freuen sich eigentlich immer alle, wenn man als Ausländer Spanisch spricht und unterstützen, wenn es mal nicht ganz so flüssig klappt. Sicherlich ist mein Spanisch nicht fließend, aber ich kann mich verständigen und es hat sich im Vergleich zum Anfang deutlich verbessert.
Wohn- und Lebenssituation
Ich habe in einer WG mit fünf anderen gewohnt (drei Latinos und zwei andere Deutsche) und war sehr zufrieden damit. Wie vorher erwähnt haben wir immer Spanisch gesprochen, was mir sehr geholfen hat. Ich habe nicht in Palermo oder Recoleta gewohnt, wie sonst eigentlich fast alle Austauschstudierenden und war im Endeffekt sehr froh darüber. Der Nachteil ist, dass man zu Cafés, Clubs und Bars immer ein Stück mit dem Bus oder mit dem Uber fahren muss (was beides sehr billig ist), aber dafür habe ich sehr nah an meiner Fakultät gewohnt und hatte das Gefühl etwas mehr von dem „echten“ Buenos Aires mitzubekommen. Palermo und Recoleta sind sehr schön, aber auch sehr touristisch und dadurch auch sehr europäisch. Man sollte sich auf jeden Fall nicht auf deutsche Standards einstellen, was Komfort & Hygiene angeht, aber die Wohnungen sind eigentlich alle sehr schön und viele haben tolle Terrassen, auf denen besonders im Sommer regelmäßig Asados stattfinden.
Studienfach: Psychologie
Aufenthaltsdauer: 08/2019 - 12/2019
Gastuniversität: Universidad de Buenos Aires
Gastland: Argentinien
Rückblick
Die Entscheidung nach Buenos Aires zu gehen würde ich als eine der besten meines Lebens bezeichnen und bin sehr zufrieden mit meiner Zeit hier. Neben den inspirierenden Kursen an der Uni und den tollen Menschen, die ich getroffen habe, hat mir besonders die Stadt wahnsinnig gut gefallen. Buenos Aires ist riesig, sehr laut und quirlig, es ist immer was los und die Stadt schläft eigentlich nie. Wenn man sich in Großstädten wohlfühlt, dann ist es genau das Richtige und man kann unglaublich viel erleben. Jeden Tag gibt es Parties, Events, Demonstrationen oder Aktionen in Parks und sehr viele Restaurants und Cafés, die wirklich sehr schön sind. Falls man mal eine Auszeit von dem ganzen Trubel braucht, dann kann man sich in die Provincia zurückziehen und beispielsweise einen Tag in San Isidro oder Tigre verbringen, die auch sehr schön sind. Ich würde jederzeit wiederkommen und bin sehr dankbar für alles, was ich hier erleben konnte und kann jedem ans Herz legen, diese Stadt kennen und lieben zu lernen.