Kooperationspraktikum bei ANDHES
In jedem Fall hat mich dieses Praktikum darin bestärkt, mein Studium fortzusetzen und motiviert in das nächste Semester zu starten. Schon im 1. Semester des Jurastudiums hatte ich gemerkt, dass Staatsrecht das Gebiet ist, das mich am meisten interessiert. Doch trotzdem hatte ich Zweifel, ob ich in so einem Bereich arbeiten wollen würde. Nun jedoch kann ich mir gar nicht vorstellen, mich etwas anderem zu widmen oder gar ein anderes Fach zu studieren. In jeder Beziehung kann ich das Praktikum bei ANDHES wärmstens empfehlen.
Vorbereitung
Meine Praktikumssuche begann ca. ein Dreivierteljahr vor Praktikumsbeginn - sehr kurzfristig also. Das Jurastudium erfordert für die Zulassung zum ersten Staatsexamen eine sog. praktische Studienzeit von insgesamt drei Monaten. Das scheint an sich nicht problematisch und nach viel Zeit, leider sind an diese Phase jedoch zahlreiche Voraussetzungen geknüpft. So muss ein Praktikum innerhalb der vorlesungsfreien Zeit bei einem Volljuristen abgelegt werden, was die Dauer auf mehr oder weniger sechs Wochen begrenzt und die Suche erschwert.
Da ich persönlich eine Faszination für das Ausland und das internationale Recht habe, hatte ich den Wunsch ein Praktikum im Ausland zu absolvieren, was alles noch weiter verkomplizierte, da ein Praktikum in einem anderen Rechtssystem zunächst einmal bei einem Studium des deutschen Rechts abwegig erscheint und vielleicht bei der Anrechnung Probleme bereiten könnte.
Nichtsdestotrotz warf ich einen Blick auf die Website des International Office der Universität Potsdam und traf tatsächlich auf ein angebotenes Kooperationspraktikum für Juristen in Argentinien, Buenos Aires, in einer International Law Firm für Patentrechte, was alle Voraussetzungen erfüllte. Perfekt, dachte ich, da ich eine Leidenschaft für Lateinamerika habe und nach einem einjährigen Aufenthalt in Panama auch Spanisch spreche. Ich ließ mich sehr herzlich und euphorisch beraten und schickte eine Bewerbung mit Unterstützung des International Office an die Kanzlei. Schon beim Schreiben des Motivationsschreibens viel es mir schwer etwas Sinnvolles zu formulieren, da mich Buenos Aires reizte, jedoch nicht die Thematik Patentrecht.
Letztendlich wurde ein Mitbewerber ausgewählt und ich bekam eine Absage. Ich muss sagen: zum Glück! Mit der Absage leitete mir das International Office direkt ein komplett neues Angebot weiter, ebenfalls in Argentinien, aber bei der Menschenrechtsorganisation ANDHES im Norden des Landes, Tucumán - genau mein Interessengebiet. Schnellstmöglich schrieb ich ein neues Motivationsschreiben und bewarb mich für das Praktikum im Zeitraum der Semesterferien des WiSe 2017/2018. Die Zeit drängte, denn beim Falle einer Zusage wollte ich mich zur finanziellen Unterstützung für das PROMOS-Stipendium bewerben, dessen Bewerbungsfrist nahte.
Nach einem Monat erhielt ich durch direkte Antwort von ANDHES die vage Zusage mit der Frage, ob ich irgendwelche Vorlieben bezüglich des Themenbereiches hätte. Die hatte ich nicht, mir erschien alles, was die Organisation machte unheimlich spannend. Von Frauenrechten bis Rechte der indigenen Bevölkerung finden hier unterdrückte Gruppen (Rechts-)Hilfe.
Während ich mich thematisch mit ANDHES auseinandersetzte und die Kommunikation eher sporadisch blieb, regelten meine Ansprechpartnerin im International Office und die Außenkorrespondentin der Universität Potsdam in Buenos Aires die Vertragsunterlagen, die ich dringend für die Stipendiumsbewerbung brauchte.
In den dazwischenliegenden Wochen versuchte ich mich thematisch vorzubereiten und alles Organisatorische zu regeln. Ich wurde der Themengruppe „Género“ (Gender) zugeteilt. Mein direkter Kontakt mit ANDHES blieb wenig, ich hatte aber viel Kontakt mit der Außenkorrespondentin der Uni in Buenos Aires, die mir sehr hilfreiche Tipps geben konnte.
Finanzierung
Ich erhielt eine Zusage für das PROMOS-Stipendium in Form eines Reisekostenzuschusses i.H.v. 1225 Euro und einen monatlichen Lebensunterhaltskostenzuschuss i.H.v. 300 Euro. Für das Praktikum selber erhielt ich zwar keine Vergütung, jedoch konnte ich durch die Bewilligung des neben meinem Flug auch fast meine Unterkunftskosten komplett decken. Demnach blieben Kosten für Verpflegung, die ich auch in Deutschland für diesen Zeitraum hätte.
Aufenthalt im Gastland
San Miguel de Tucumán ist die eher kleinere Hauptstadt der gleichnamigen Provinz Tucumán, was mir transporttechnisch gut gelegen kam, da ich fast alles zu Fuß erledigen konnte. Nur in der Dunkelheit wich ich auf die sehr kostengünstigen Taxis aus. Die Taxis in Argentinien verfügen über ein Taxameter, wodurch man eigentlich nicht übers Ohr gehauen werden kann. Ab und zu nahm ich auch die Busse in der Stadt, sog. Colectivos, in Anspruch.
Da sich das Zentrum Tucumáns um die Plaza de la Independencia herum fokussierte und in Quaders aufteilte, fand ich mich schnell in der Stadt zurecht. Eine Freundin und Kollegin von ANDHES nahm mich mit zu ihrem Fitnessstudio, was eine riesige Hilfe war, jedoch sehr teuer (750 Pesos für 8x Kurs). Was mich begeisterte war, dass es in den zahlreichen Parks der Stadt jeden Tag kostenlose Tanz- und Fitnesskurse (z.B. Tango Argentino oder Salsa) gab, wo alle einfach mitmachen können.
Die Lebenskosten generell in Argentinien steigen seit Jahren durch die anhaltende Inflation. Demnach war alles teurer als ich es aus anderen lateinamerikanischen Ländern gewöhnt war. Die Preise für Essen (in den Supermärkten) waren vergleichbar mit den deutschen Preisen und höher; auf den Märkten und der Straße konnte man das Gemüse und Obst für sehr viel weniger besorgen. Die Preise für Kosmetikartikel und Kleidung waren weitaus höher, als die europäischen bzw. die deutschen.
Was mich wunderte waren die Kosten des öffentlichen Fernverkehrs, d.h. Busse und auch die Flüge; sie waren unglaublich teuer. Dementsprechend sollte man vor dem Aufenthalt sparen, um etwas von dem wunderschönen und vielfältigen Land zu sehen. Die langen Distanzen von bis zu 48 Stunden Busfahrt von einem Ort zum nächsten, erschwerten es zusätzliche sehr, zwischendurch den Rest Argentiniens zu erkunden. Die damals ganz neue Fluggesellschaft „Flybondi“, die verhältnismäßig günstige Flüge anbietet, kann ich nicht empfehlen. Von vier gebuchten Flügen konnte ich keinen wahrnehmen, da sie gecancelt wurden. Dem Geld musste ich hartnäckig wochenlang hinterherlaufen. Es ist doch besser auf die teuren Busse zu setzen.
Zufriedenheit mit dem Auslandspraktikum
Das Team von ANDHES war unheimlich jung. Das wirkte sich sehr auf das Klima bei der Arbeit aus. Es wurde viel gelacht und man war mehr befreundet als Arbeitskollegen. Meine Arbeitsgruppe „Género“ bestand aus sechs Personen. Neben der hauptamtlichen Koordinatorin waren die anderen fünf Freiwillige. Hauptthema waren vor allem die Rechte von LGBTIQ in Argentinien, aber auch die Gleichberechtigung der Frau. Einer der Freiwilligen in der Gruppe war Anwalt und recherchierte in einem Fall, mit dem die Organisation betraut war, in dem eine Transfrau ermordet wurde. Die Gewalt in Argentinien, bzw. in Lateinamerika an LGBTIQ ist immer noch furchtbar groß und die rechtliche Verfolgung sehr schwierig, auch wenn die Gesetzeslage speziell in Argentinien weltweit einzigartig ist und im Vergleich weitaus besser als beispielsweise in Deutschland.
Am Anfang herrschte leider Unklarheit über meine genaue Tätigkeit, da auch für die Organisation eine ausländische Praktikantin, ohne Spanisch als Muttersprache, erstmalig war. Einerseits sollte die Arbeit mich persönlich weiterbringen, aber vor allem auch der Organisation zu Gute kommen. Wir entwickelten im Laufe der Zeit gemeinsam eine gelungene Aufgabe und letztendlich unterstützte ich Martín, den Anwalt, in der Recherche zum Fall. Ich arbeitete im Büro der Organisation und half ihm im Bereich der internationalen Rechtsprechung, vor allem des Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte, bezüglich geschlechtlicher Gleichberechtigung und dem Prinzip der Nicht-Diskriminierung. Es war spannend die unterschiedlichen Rechtsordnungen Deutschlands und Argentiniens im Vergleich zu sehen und beide im Kontext des internationalen Rechts zu analysieren.
Neben meiner Recherchearbeit nahm ich an allen Veranstaltungen, wie den zahlreichen Demos zum internationalen Frauenkampftag, der Gruppe und der gesamten Organisation teil und fühlte mich unglaublich wohl. Die Arbeit war perfekt: Ich lernte viel im Bereich der Rechtsprechung und deren Einfluss auf die konkrete Fallarbeit. Thematisch war es unglaublich spannend und das Team war super!
Persönlicher Mehrgewinn
Sprachlich war der Aufenthalt sehr anspruchsvoll, da ich zwar fließend Spanisch spreche, sich das argentinische Spanisch, vor allem in der Region Tucumán, aber völlig von dem panamaischen Spanisch, was ich gelernt habe, unterscheidet. Außerdem habe ich während meines Freiwilligendiensts mit kleinen Kindern gearbeitet, weswegen mir fachlich gehobenes Spanisch nicht geläufig war. Glücklicherweise konnte ich mich sowohl in den Dialekt als auch in die juristische Sprache schnell eingewöhnen und verbesserte meine Sprache bzw. meinen Wortschatz um Weites.
Die sechs Wochen Praktikum vergingen wie im Flug - kaum war ich angekommen waren sie auch schon wieder um. Wenn ich das Praktikum noch einmal machen könnte, würde ich darauf achten bzw. versuchen, dass ich von Anfang an eine klare Aufgabe hätte. Die Unklarheit am Anfang des Praktikums raubte zu viel Zeit, die ohnehin schon so begrenzt war. Ich hatte den Anspruch an mich selber, dass ich mit meiner Arbeit Martín und ANDHES unterstützen könne und war mir bis zum Ende nicht sicher, ob ich das so realisieren konnte.
Abschließend kann ich sagen, dass der Aufenthalt und die Arbeit in Argentinien eine hervorragende Entscheidung und Möglichkeit für mich war. Sowohl auf persönlicher als auch auf beruflicher bzw. juristischer Ebene konnte ich mich weiterentwickeln und Kenntnisse erlangen, die ich auf anderem Wege so nicht gelernt hätte. Ich empfehle jedem, aber vor allem auch Juristen, Auslandserfahrungen zu machen, da sie so bereichernd sind und bedanke mich beim International Office der Universität Potsdam für diese Möglichkeit und Unterstützung.
Studienfach: Rechtswissenschaften
Aufenthaltsdauer: 02/2018 - 03/2018
Praktikumsgeber: ANDHES
Gastland:Argentinien
Aktuell haben wir Kooperationspraktika in England, Polen, Spanien, Frankreich, der Türkei, Israel, Indien, Argentinien, Brasilien und Uruguay akquiriert. Von studienbezogenen Praktika bis hin zu fachübergreifenden Angeboten bieten wir Studierenden einen bunt gedeckten Tisch mit Praktika auf dem Silbertablett.
Nutzen Sie Ihre Chance und bewerben Sie sich jetzt direkt im International Office!
Aktuelle Angebote finden Sie im Praxisportal!
Praktika im Ausland
- Elisabeth Borsdorf und Cosima Pfitzner
(Ansprechpartnerinnen im International Office)
Tel. +49 331/977-1635
Campus Am Neuen Palais
Haus 08, Raum 0.40
Persönliche Sprechzeiten:
Montag 13:00 - 15:00 Uhr
Telefonische Sprechzeiten:
Montag 10:00 - 12:00 Uhr
Donnerstag 10:00 - 12:00 und 13:00 - 15:00 Uhr
Zoom-Sprechstunde: Momentan nur auf Anfrage. Bitte schreiben Sie uns und wir vereinbaren einen individuellen Termin für ein Zoom-Gespräch.
- Weitere Informationen
zu Kooperationspraktika im Ausland.