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Die Fall-Lupe

Ziele der Methode:

Die Fall-Lupe ist ein pädagogischer Zugang, mit dem die Ursachen für antidemokratische Handlungen oder Äußerungen analysiert werden können. Die Analyse bildet anschließend die Basis für eine langfristig gedachte aufklärerische Intervention als Strategie gegen antidemokratische Tendenzen. Hierbei wird an das Grundverständnis angeknüpft, dass diesen nur entgegengewirkt werden kann, wenn individuelle und gesellschaftliche Ursachen thematisiert, diskutiert und irritiert werden – sofern die geäußerten Positionen nicht auf einem weitgehend geschlossenen autoritären Weltbild beruhen.

Ablauf:

Phase I: Setting und Einordnung
Zunächst wird ein Fall genauer untersucht: Was war die konkrete Aussage? Welche Situation und welche Rahmenbedingungen lagen vor? Wer war wie beteiligt? Was war die besondere Herausforderung im Umgang mit dem Geschehen? Lagen Diskriminierungen vor, und wenn ja, welche?

Phase II: Ursachenanalyse
Hinter einer antidemokratischen Position oder Einstellung stecken unterschiedliche individuelle und gesellschaftliche Ursachen. Zunächst werden mögliche Gründe gesammelt, die für den Fall eine Rolle spielen könnten. Welche sozioökonomischen Ursachen, welche Aspekte der Sozialisierung, welche zeithistorischen Entwicklungen können sich im Fall abbilden? Hier kann auf eigenes Vorwissen zurückgegriffen werden; eventuell sind für die Analyse weitere Recherchen nach wissenschaftlichen Erkenntnissen notwendig.

Phase III: Zielsetzung und Handlungsempfehlung
Aus der Analyse heraus wird erarbeitet, welche Schritte und damit verbundene Ziele anstehen: Welche kurzfristigen Ziele kann ich in der Situation verfolgen? Welche langfristigen Ziele können sich aus dem Fall und seiner Analyse ergeben? Am Ende wird eine konkrete Handlungsempfehlung festgelegt, die das weitere Vorgehen fundiert.

 

Hinweise zum Einsatz der Methode:

Mit dem Zugang verbunden ist das Ziel einer diskursiven Abrüstung. Öffentliche Diskurse dürfen nicht aus-, sondern müssen einschließen! Keineswegs sollten akademisch geprägte Kosmopolit*innen ihre moralischen Werte und kulturellen Errungenschaften aufgeben, sondern vielmehr an ihrer „Hybris“ arbeiten.[1] Es ist notwendig, miteinander im Gespräch zu bleiben, auch wenn man die Werteposition des Gegenübers für falsch hält. Wenn aus Wertegegner*innen sofort Feinde werden, verhärtet dies die zumindest gefühlte Polarisierung in der Gesellschaft, in der gemeinsame Debattenräume rar werden. Zu beachten ist, dass der Zugang der aufklärerischen Intervention nicht in bestimmten Konstellationen vor Schwierigkeiten gestellt wird. Wenn hinter einer antidemokratischen Position bereits eine verfestigte Einstellung liegt, ist ein diskursiver Zugang der Aufklärung nicht mehr möglich. Des Weiteren sind gerade im universitären Raum Machtverhältnisse unter den Involvierten zu berücksichtigen.

Mögliche Bezugspunkte, damit Ursachen hinter antidemokratischen Tendenzen erfragt werden können, sind:

  • Verteilungskampf: Welche ökonomischen Ursachen liegen einer Aussage zu Grunde?
  • Kulturkonflikt:Welche kulturellen Wertvorstellungen führen zu Irritationen/ Unsicherheiten?
  • Repräsentationskrise: Welche Rolle spielt gesellschaftliche Anerkennung für antidemokratische Tendenzen (bspw. Stadt/ Land), wie ist das Verhältnis zu politischen Institutionen? 
  • Sozialisierung: Welche Sozialisationserfahrungen führen zu einer Entwicklung oder Verstärkung von antidemokratischen Tendenzen?
  • Zeithistorische Ursachen: Welche früheren Ereignisse und gesellschaftlichen Strukturen können bei antidemokratischen Tendenzen, die sich heute zeigen, eine Rolle spielen?

[1]https://www.deutschlandfunk.de/ungleichheit-in-deutschland-die-alten-konfliktlinien-gelten-100.html