Eine Ihrer Lehrveranstaltungen wird von der Unileitung als „innovatives Lehrprojekt“ gefördert. Worum geht es dabei?
Zunächst möchten wir betonen, worum es nicht geht: Der Brückenkurs ist nicht dazu gedacht, „Anwaltsdeutsch“ oder einen besonders verschwurbelten Sprachgebrach beizubringen, wie man vielleicht meinen könnte.
Anders als bei der Mathematik oder Biologie hatten Studierende der Rechtswissenschaft meist zuvor – als Schülerinnen und Schüler – noch keinen Kontakt mit ihrem Studienfach. Der Brückenkurs soll daher einen begleiteten Übergang von der Schule in das Studium der Rechtswissenschaft bieten. Anknüpfungspunkt für diesen Übergang ist die Sprache, da sie das wichtigste „Werkzeug der Juristen“ ist und diesbezüglich auf Kenntnisse und Fähigkeiten aus dem schulischen Deutschunterricht zurückgegriffen werden kann. Letztlich geht also darum, den Studienstart zu erleichtern und dabei zugleich die Verwendung der deutschen (Schrift-)Sprache zu professionalisieren.
Was macht sie innovativ?
Die Innovation dieser Lehrveranstaltung ergibt sich aus mehreren kleineren Aspekten. Zunächst ist dieser Brückenkurs bundesweit der erste seiner Art an einer Juristischen Fakultät. Zudem ist die interdisziplinäre Lehre durch einen Germanisten und eine Juristin, die gemeinsam die Veranstaltungen abhalten, für uns eine neue Erfahrung gewesen, von der die Teilnehmenden profitiert haben. Der erst Brückenkurs fand, ebenfalls als Innovatives Lehrprojekt, bereits im Oktober 2019 und damit vor Corona und dem Aufschwung der Online-Lehre statt. Zu diesem Zeitpunkt war es noch recht innovativ, dass der Kurs gleichzeitig als Präsenzveranstaltung mit Blended-learning-Elementen und als reiner Online-Kurs nutzbar war.
Wie entstand die Idee für das Projekt?
Als Mitarbeiterin im Team Studieneingangsphase der Juristischen Fakultät beschäftige ich mich bereits seit 2014 mit den Bedürfnissen von Studienanfängern. Es zeigt sich immer wieder, dass viele Studienanfänger sehr lange brauchen, um sich im Studium der Rechtswissenschaft zurechtzufinden. Mir selbst ging es am Anfang nicht anders. Hinzu kommt, dass von vielen Professorinnen und Professoren sowie akademischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern regelmäßig bemängelt wird, dass selbst fachlich sehr kompetente Studierende nicht die Leistungen abrufen können, zu denen sie inhaltlich fähig wären. Das liegt zumeist an Schwächen beim Verfassen von Texten und ist kein Problem, das ausschließlich bei Nicht-Muttersprachlerinnen und -Muttersprachlern auftritt. Im juristischen Sprachgebrauch ist es besonders wichtig, sich präzise und verständlich auszudrücken, was vielen Studierenden bemerkenswert schwerfällt. Beide Aspekte führten zur Entwicklung dieses Kurses.
Was macht juristische Texte so besonders, dass man lernen muss, sie zu lesen und zu schreiben?
Um diese Frage umfassend zu beantworten, brauchen wir im Brückenkurs normalerweise drei Wochen. Ganz verkürzt zusammengefasst kann man aber sagen, dass die unterschiedlichen Intentionen juristischer Texte (Gesetze, Urteile, Gutachten, etc.) unterschiedliche sprachliche Anforderungen mit sich bringen, die beim Lesen verstanden, beim Schreiben verwendet und vor allem von einer Textsorte in die andere transferiert werden müssen. Diese Kompetenz kann man gut erwerben, doch innerhalb des regulären Jurastudiums fehlt für einen Fokus darauf zumeist die Zeit. Hinzu kommt, dass die meisten Studienanfängerinnen und Studienanfänger zunächst für die präzise Verwendung von Sprache sensibilisiert werden müssen.
Wer ist der Germanist im Team? Was kann er den Studierenden vielleicht besser vermitteln als Jura-Profis?
Die finanzielle Förderung als „Innovatives Lehrprojekt“ wurde für die Erteilung eines Lehrauftrages an Björn Zentschenko verwendet, der 2019 sein Lehramtsstudium der Germanistik (und Anglistik) abgeschlossen hatte. Mittlerweile promoviert Herr Zentschenko am Institut für Germanistik der Universität Potsdam. Als angehender Deutschlehrer hat er einen ganz anderen Zugang zur Sprache und vor allem auch zur Lehre in diesem Bereich. Als „reine“ Juristin könnte ich den Studierenden vielleicht noch erklären, welche grammatischen Konstruktionen korrekt sind, aber ich könnte ihnen nicht erklären, warum. Ein Germanist kann mit einer ganz anderen Souveränität sprachliche Fragen beantworten und die Texte der Studierenden korrigieren. Auch aus textlinguistischer und sprachkritischer Sicht hat sich die Zusammenarbeit zwischen Juristin und Germanist als unheimlich produktiv erwiesen. So konnten wir den Studierenden ermöglichen, auch über Verwendung von (Standard-)Sprache kritisch zu reflektieren.
Warum wollten Sie mal etwas anders machen?
Meine Arbeit in der Studieneingangsphase, die ein Teilprojekt von QueLL darstellt, hatte von Anfang an einen Schwerpunkt in der Weiterentwicklung der Lehre, weshalb ich mich schon lange rechtsdidaktisch fortbilde und versuche, diese Erkenntnisse in meinen üblichen Lehrveranstaltungen einzubinden. Einen völlig eigenen Kurs zu entwickeln, der keinen gewohnten Lehrplan hat und auf eine andere Disziplin übergreift, war für mich daher eine spannende Herausforderung, der ich mich gerne gestellt habe.
Was erhoffen Sie sich von der Lehrveranstaltung?
Die Hoffnungen an diese Lehrveranstaltung gehen mit den Zielen einher: Wir hoffen, dass den Studienanfängern mithilfe dieses Kurses der Studienstart gut gelingt und die Motivation für das Jurastudium noch steigt. Zudem wollen wir den Studierenden die Vielfalt der Sprache näherbringen und sie für einen präzisen Gebrauch im wissenschaftlichen Kontext sensibilisieren.
Gibt es erstes Feedback der Studierenden?
Das Feedback der Studierenden war in beiden Jahren überwältigend. Viele Teilnehmer schätzten es, auf dem Weg zum eigenverantwortlichen Studieren ein wenig an die Hand genommen zu werden und die neue Umgebung schon vorab kennenzulernen. Nachdem die Teilnehmenden zu Beginn meist mäßig begeistert von der Wiederholung der Inhalte der letzten 10 Jahre schulischen Deutschunterrichts sind, merken sie im Laufe des Kurses, wo doch noch persönliche Defizite liegen, und sind froh darüber, dass sie diese mit professioneller Unterstützung beheben können.
Innovative Lehrprojekte
Mit der Förderung innovativer Lehrprojekte unterstützt die Universität Potsdam die Weiterentwicklung der Lehre sowie den hochschulweiten Austausch über Lehrqualität und Lehrinnovation. Im Zentrum stehen dabei Lehrprojekte, die in besonderer Weise die Schwerpunkte des Leitbilds Lehre der Universität Potsdam aufgreifen. Dazu gehören Forschungsorientierung, Studierenden- und Kompetenzorientierung, interdisziplinäre und fachübergreifende Lehre, Tätigeitsfeldorientierung und Persönlichkeitsbildung sowie zielgruppenspezifische Lehre.
Eine Übersicht aller 2020 geförderten innovativen Lehrprojekte gibt es hier: https://www.uni-potsdam.de/de/zfq/innovative-lehrprojekte/projektuebersicht-2020
Informationen zur Ausschreibung für eine Förderung über die „Innovativen Lehrprojekte“ im Jahr 2021 gibt es hier: https://www.uni-potsdam.de/de/zfq/innovative-lehrprojekte