Forschungsinterview OKaPi
Forschungserkenntnisse zur Rolle von offener Kunst und ihren Gelingensbedingungen
Das Projekt "Offene Kunst aktiviert Partizipation in ländlichen Räumen" (OKaPi) ist am Institut für Kunstpädagogik der Universität Leipzig angesiedelt. OKaPi hat von Dezember 2019 bis Ende 2022 zu den Gelingensbedingungen für Teilhabe junge Menschen and ästhetisch-kultureller Bildung in ländlichen Räumen geforscht. Was Projektleiterin Professorin Ines Seumel und die wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen Mandy Putz und Lisa-Marie Pfefferkorn herausgefunden haben, stellt das Team hier vor.
Wie verlief die Forschung? Gab es Überraschungen?
Zu Beginn unserer Arbeit haben wir uns einen Überblick über alle Akteur:innen in der Kulturellen Bildung in den Landkreisen Nordsachsen und Leipzig verschafft. Wir wollten wissen, welche konkreten Angebote es vor Ort gibt. Dafür haben wir eine Onlineumfrage an rund 1000 Adressen geschickt. Bei der Auswertung konnten wir sehen, dass es viele ganz unterschiedliche Konzepte der Bildungsarbeit in den Forschungsregionen gibt. Die Erkenntnisse aus den Fragebögen haben uns geholfen, Kooperationspartner:innen zu finden, mit denen wir ein eigenes Modellprojekt durchführen konnten. Das entwickelte Projekt, der sogenannte „LandArtWalk“ in Wurzen, ist von uns und Studierenden der Kunstpädagogik entwickelt worden und soll testen, wie eine OFFENE KUNST-Strategie gelingen kann. Wir waren überrascht, dass mehrere Praxisakteur:innen von sich aus auf uns zugekommen sind, um mit uns zusammenzuarbeiten oder sich an unseren Aktivitäten zu beteiligen.
Welche Erkenntnisse konnten durch die Erhebungen gewonnen werden?
Wir wollten wissen, wie man offene künstlerische Gestaltungsprozesse entwickeln kann, unter welchen Bedingungen diese Prozesse gefördert werden können und wie diese Prozesse auf Denk- und Handlungsmuster wirken.
Durch unsere Erhebungen haben wir festgestellt, dass nur ein kleiner Teil der Angebote für kulturelle Bildung die Kriterien für einen offenen künstlerischen Prozess erfüllt. Kriterien sind zum Beispiel Offenheit für diverse Teilnehmendengruppen,die passende Infrastruktur und Bevölkerungsdichte. Das heißt, es fehlt an einer guten Erreichbarkeit auf allgemein zugänglichen Wegen durch die Teilnehmenden sowie Einrichtungen des täglichen Bedarfs (Lebensmittelgeschäfte, Sportinstitutionen, Bibliothek u. ä.) in der unmittelbaren Nachbarschaft, die auch als potentielle Kooperationseinrichtungen fungieren können. Um offene künstlerische Praktiken anbieten zu können, sollte es zu Beginn einen Austausch über das Verständnis von Kunst geben. Wenn beispielsweise nur Gemälde und Bilder als Kunst betrachtet werden, wird es schwierig, einen offenen künstlerischen Prozess zu entwickeln. Um solche Prozesse also erfolgreich zu gestalten, muss die angestrebte Offenheit in Bezug auf künstlerische Strategien mit einer klaren Planung und Strukturierung verknüpft werden. Eine bereits geöffnete Arbeitsweise der Akteur:innen in Bezug auf Personal, Ort, Zeit und Methoden können das Angebot an offenen künstlerischen Impulsen fördern, sind aber nicht als ausschließliche Faktoren oder als ausreichendes Bedingungsgefüge anzusehen.
Es gibt zurzeit noch nicht genügend Forschungsdaten, die es uns ermöglichen, Aussagen darüber zu treffen, wie die Teilnahme an offenen künstlerischen Praktiken die Denk- und Handlungsprozesse von Jugendlichen in ländlichen Gebieten beeinflusst. Dies ist bedauerlicherweise auf die Corona Pandemie und die damit verbundenen Hürden bei der Datenerhebung zurückzuführen. Um diese spannende Frage zu erforschen, benötigen wir Kontinuität in den Forschungsbedingungen sowie einen längeren Forschungszeitraum.
Welche Überraschungen gab es bei der Auswertung der Daten?
Durch die Onlinebefragung stellten wir anhand der Beteiligungsquote ein großes Interesse freier Träger und ehrenamtlich engagierter Vereinigungen fest. Öffentliche Institutionen hingegen, wie z. B. schulische Träger, reagierten auf unsere Umfrage, die thematisch das gesamte Spektrum von Akteur:innen kultureller Bildung betraf, nicht. In den geführten Expert:inneninterviews mit Akteur:innen wurde ein Wunsch nach einer weiteren Zusammenarbeit sehr deutlich. Außerdem sprach die Mehrheit der Befragten offen und ausführlich über ihre Angebote und deren Konzeption, benannten am Rande aber auch immer wieder Herausforderungen, denen sie sich im alltäglichen Tun ausgesetzt sehen.
Gibt es Schlussfolgerungen oder Handlungsempfehlungen, die aus den Erkenntnissen gezogen werden können?
Die befragten Akteur:innen zeichnen sich durch ihre professionellen und ausgefeilten Konzepte für ihre tägliche Arbeit aus und sind sehr engagiert. Sie beziehen potenzielle Adressat:innen in ihre Prozesse ein und kennen ihr Umfeld sehr gut. In den Interviews wurde jedoch auch deutlich, dass Faktoren wie personelle, finanzielle und zeitliche Kapazitäteneinen großen Einfluss auf die Art und Anzahl von Angeboten haben. Hier könnte die Politik die Weichen für eine Verbesserung der Situation stellen und die Möglichkeit bieten, Angebote OFFENER KUNST-Praxis experimentell weiter zu erproben. Es gibt auch Potenziale für die wissenschaftliche Begleitung solcher initiierenden Prozesse, indem man die Forschungsfragen und Kriterien noch stärker an den Interessen der Praktiker:innen vor Ort ausrichtet. Auf diese Weise könnten Transferleistungen aus der Wissenschaft in die Praxis und umgekehrt effizienter umgesetzt werden.