Forschungsinterview KuBiPaD II – Kulturelle Bildung und Kulturpartizipation in Deutschland II
Panelstudie zur Kulturpartizipation
Das Projekt KuBiPaD_II untersucht die Kulturpartizipation der Bevölkerung Deutschlands ab 15 Jahren in einer umfragebasierten Panelstudie. Dabei wird sowohl die außerhäusliche und mediale Nutzung eines breiten Spektrums künstlerischer Angebote als auch die kreativen Aktivitäten der Menschen betrachtet. Besonders im Fokus stehen dabei der Stadt-Land-Vergleich und der Vergleich verschiedener Bevölkerungsgruppen. Geleitet wird das Projekt von Prof. Dr. Gunnar Otte an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Fachrichtung Soziologie. Mehr Informationen zum Projekt finden Sie in den Projektvorstellungen und auf der Webseite des Projekts.
Wie verlief die Forschung?
Das Kernziel des KuBiPaD-Projekts ist die Bereitstellung bevölkerungsrepräsentativer Daten zum Kulturverhalten. Mit KuBiPaD II wurde das ursprüngliche Projekt um eine Panelstudie erweitert. Die zweite Welle war durch die besonderen Bedingungen der Corona-Pandemie geprägt, was sowohl methodische als auch inhaltliche Auswirkungen hatte. Aufgrund des eingeschränkten Zugangs zum Feld wurde die Erhebung teilweise vom persönlich-mündlichen auf den telefonischen Modus umgestellt. Zudem wurde der Fragebogen angepasst: Da außerhäusliche Kulturpartizipation während der Pandemie stark eingeschränkt war, lag der Fokus auf innerhäuslichen Aktivitäten. Es wurden neue Fragen zum medialen Kulturkonsum und zu Computerspielen entwickelt sowie neue Module zur kulturellen Identität und zu kulturellen Interessen im persönlichen Netzwerk eingeführt.
Welche Erkenntnisse konnten Sie in Ihrer Forschung gewinnen? Welche konnten evtl. nicht gewonnen werden?
In der ersten Welle (2018) zeigte sich, dass es bedeutende Unterschiede in der Nutzung außerhäuslicher Kulturangebote zwischen Stadt- und Landbewohner*innen gibt. Bewohner*innen urbaner Räume besuchen fast alle Kulturangebote (Konzerte mit klassischer Musik, Opern, Rock-, Pop-, Black- und elektronische Musik, Theater, Kinos, Kunstmuseen und -ausstellungen) häufiger, mit Ausnahme volkstümlicher Musik. Dies liegt hauptsächlich am vielfältigeren und leichter erreichbaren Kulturangebot in Städten. Darüber hinaus spielt die höhere durchschnittliche Bildung der urbanen Bevölkerung eine Rolle, die mit einer höheren Affinität zu kulturellen Aktivitäten einhergeht.
Die zweite Welle (2021) konnte aufgrund der Corona-bedingten Schließungen kultureller Einrichtungen keine Entwicklung des Kulturverhaltens unter Normalbedingungen ermitteln. Es zeigte sich jedoch, dass die verschiedenen Kulturbereiche unterschiedlich stark von den Schließungen betroffen waren, wobei Theater und Konzerte besonders stark litten. Die Analyse des medialen Kulturverhaltens während der Pandemie offenbarte, dass die Digitalisierung bisher keinen vollständigen Ersatz für außerhäusliche Kulturangebote bietet und keine signifikante Demokratisierung der kulturellen Teilhabe bewirkt hat. Digitale Angebote werden vor allem von denjenigen genutzt, die auch physisch kulturell aktiv sind.
Gab es überraschende Erkenntnisse?
Im Gegensatz zu einigen wissenschaftlichen und öffentlichen Diskursen ergibt sich ein konservatives Bild, wenn man die gesamte Bevölkerung repräsentativ betrachtet. Die Kulturpublika vieler Angebotssparten sind sehr klein, und Innovationen werden meist nur von den besonders aktiven Kernpublika wahrgenommen. Die Digitalisierung der Kultur steht sowohl bei den Anbietern als auch bei den Nachfragern noch am Anfang. Für einen großen Teil der Bevölkerung ist das Fernsehen nach wie vor das wichtigste Medium für den Zugang zu Kultur im häuslichen Umfeld.
Gibt es offene Forschungsfragen/neue Forschungsfragen, die in Zukunft spannend wären?
Aktuell arbeiten wir an einer Fortsetzung des Projekts mit einer weiteren Panelwelle. Ziele sind die Erweiterung des Untersuchungspanoramas in Richtung interkultureller Bezüge und die Ermittlung, für welche Bevölkerungsgruppen kulturelle Teilhabe mit interkultureller Offenheit oder mit Bindungen an nationale, regionale oder ethnische Traditionen verbunden ist. Zudem sollen mehr Erkenntnisse über die öffentlichen, marktlichen und zivilgesellschaftlichen Institutionen gewonnen werden, die der Kulturpartizipation zugrunde liegen, insbesondere im Hinblick auf kreative Schaffensprozesse. Zeitvergleichende Analysen sollen klären, ob sich das Kulturverhalten der Bevölkerung nach der Covid-19-Pandemie normalisiert, zu vorpandemischen Mustern zurückkehrt oder sich verstärkt digitalen Angeboten zuwendet. Dieses Ziel kann durch die Replikation ausgewählter Frageinstrumente der ersten beiden Panelwellen erreicht werden. Ein längerer Beobachtungszeitraum ermöglicht zudem die kausalanalytische Erklärung der aktuellen Kulturpartizipation vor dem Hintergrund früherer kultureller Präferenzen und biografischer Ereignisse.
Wo kann man Ihre Forschungsergebnisse im Detail nachlesen/nachhören/etc.?
- Zentrale Ergebnisse KuBiPaD II
- Projektbeschreibung KuBiPaD II