B-Boying (Breakdance)
Das B(reak)-Boying gehört neben DJing, MCing, Beatboxing und Graffiti zu den Ausdrucksformen der Hip Hop-Kultur. Der Begriff verweist auf die Verortung der Bewegung in der Musik, denn getanzt wird während der Breaks, d.h. immer an den Stellen, an denen der DJ verlängerte rhythmische Instrumentalparts einspielt. Unabdinglich ist für alle genannten Stile deshalb die absolute Übereinstimmung mit Rhythmus und Musik. Zum B-Boying zählen verschiedene Figuren, deren Basisbewegungen v. a. aus dem Kung-Fu oder der Capoeira übernommen wurden, also aus Nahkampftechniken ursprünglich tödlicher Selbstverteidigungstechniken. Durch kontinuierliche Wiederholung werden beispielsweise aus den Drehbewegungen, mit denen der Kung-Fu-Kämpfer vom Boden aufsteht, die so genannten Windmills – Drehbewegungen auf Brust, Schulter, Rücken oder Kopf, mit bzw. ohne Zuhilfenahme der Hände. Die B-Boys tanzen in einem Kreis, einer Art Energie-Zentrum, in das sich (ausgenommen bei organisierten Wettbewerben) jeder dann einbringt, wenn er dazu bereit ist bzw. sein Können und seine Kapazitäten gefragt sind. Er zeigt dann das, was er kann, je nach Musik und dem Rhythmus, an die bestimmte Bewegungsstile und Bewegungsfiguren gebunden sind. Über den Wechsel der Musik und der Rhythmen entscheidet der DJ, der am ein subtiles Gespür für das Potential der anwesenden Tänzer und der sich aufbauenden Stimmungen entwickeln muss, damit diese ihr jeweiliges Können entfalten können. Für Bewegungsstile und Bewegungsfiguren gibt es bestimmte flexible Profile bzw. offene Repertoires. Sie bestehen, der kulturellen Heterogenität der Mitglieder entsprechend, aus Bewegungs- und Kampftechniken sowie Tanzelementen verschiedenster Kulturen, insbesondere aus der Capoeira, dem Kung-Fu, aber auch aus Kosakentanz, Sportturnen, Jazzdance oder indischem Tempeltanz. Es handelt sich also um ein interkulturelles Figurenrepertoire, das mit der Gemeinschaft wächst. Die Erfindungskraft ihrer Mitglieder lässt aus diesen Elementen immer wieder neue Figuren und Techniken entstehen, die umgehend zum Bestandteil des kollektiven Repertoires und zum Maßstab für weitere Innovationen und Rekombinationen werden. Basis für diese gemeinschaftliche Kreativität ist der Flow. Es handelt sich um einen Glückszustand, in dem Aufmerksamkeit, Motivation und die Umgebung in einer Art produktiver Harmonie zusammenfallen und eine autotelische (auf sich selbst gerichtete) Aktivität jedes Einzelnen ermöglichen. Die Identität und Gemeinschaft bildende Wirkung des B-Boying wird deshalb auch zur Resozialisierung von straffälligen Jugendlichen eingesetzt.
Quellen (Auswahl):
- Kimminich, Eva (2010): „HipHop, B-Boys, Tanz und Körperbilder. In: Richard, Birgit/ Krüger, Heinz-Hermann (Hg): inter_cool 3.0. Jugendliche Bild- und Medienwelten. Ein Kompendium zur aktuellen Jugendkulturforschung. München: Wilhelm Fink, S. 81-97.
- Kimminich, Eva (2009): „Das therapeutische Potential der Hip Hop-Kultur“. In: Nahlah Saimeh (Hg.): Motivation und Widerstand – Herausforderungen im Maßregelvollzug. Materialien der 24. Eickelborner Fachtagung zu Fragen der Forensischen Psychiatrie, 4. bis 6. März 2009 1. Auflage, S. 339-350
- Nohl, Arnd-Michael (2003): „Interkulturelle Bildungsprozesse im Breakdance“, in: Jannis Androutsopouluos (Hg.), HipHop. Globale Kultur – lokale Praktiken. Bielefeld: transkript, S. 298-320
- Rode, Dorit (2002): Breaking. Popping. Locking. Tanzformen der Hip-Hop-Kultur. Marburg: tectum
- Salaverría, Heidi (2007): „Tanz um Anerkennung. Ästhetik und Alterität – von Breaking bis Krumping“, in: Kimminich et al. (Hg.), Express yourself! Europas Kreativität zwischen Markt und Underground. Bielefeld: transkript, S. 209-238
Autorin | Prof. Dr. Eva Kimminich |
Zeitraum | Juni 2013 |