Vorbereitung des Auslandsaufenthaltes
Ich habe das übliche Prozedere mit den Erasmus-Dokumenten durchgezogen. Ein großer Vorteil war, dass ich dies alles schon einmal erledigt hatte in meinem Bachelor. Gastuni heraussuchen, Learning Agreement (noch analog) anfertigen, Kurse auswählen usw. Die ITÜ Universität in Istanbul ist einer der größten des Landes und hat dementsprechend viele Studenten und Erasmus-Incomings. Längere Wartezeiten auf Email-Antworten muss man einplanen. Das Englisch ist nicht bei jedem Mitarbeiter vor Ort ausreichend. Aber es wird geholfen und möglich gemacht, was gewünscht wird. Ich hatte keine weiteren Probleme.
Studium an der Gastuniversität
Nach Ankunft in der Stadt war natürlich alles neu. Die Stadt ist überwältigend, unstrukturiert und unübersichtlich. Die öffentlichen Verkehrsmittel mit Metro, Tram und Bus aber gut. Die vorher ausgewählten Module waren leider nicht mehr verfügbar nach Ankunft. So ist es üblich, sich ein komplett neues Learning Agreement zu basteln. Damit muss man rechnen. Auch die Kursauswahl war nun deutlich begrenzt, im Gegensatz zu dem, was ich vorher im Internet recherchiert hatte. Das System ist nicht sonderlich transparent und man muss viel herumfragen. Wo sind die Räume, wo kann ich mich anmelden, wie mache ich was... Alles Fragen, die in den ersten zwei Wochen doch sehr häufig vorkommen. Die Lehranforderungen waren teils sehr hoch, teils aber auch sehr leicht. Über das Semester werden pro Kurs teilweise zwei Klausuren geschrieben, zwei große Hausaufgaben mit Präsentation angefertigt und am Ende nochmal eine Abschlussklausur oder Projekt abgegeben. Das kann manchmal überfordernd sein. Die Lehrqualität war in meinem Fall sehr heterogen zwischen den gewählten Kursen. Was ich häufiger gehört und mit bekommen habe ist, dass viel Türkisch gesprochen wird. Da muss man immer wieder auf sein Recht beharren, dass der komplette Kurs und auch die Teilnehmer alles auf Englisch durchführen. In der Regel sind alle sehr nett und als Europäer oder Deutscher ist man ein gern gesehener Gast. Die Bibliothek und die Einrichtungen sind soweit ok. Für online Meetings ist es aber schlecht, da es eigentlich keine freien Räume gibt, wo man ungestört zuhören und reden kann. Die Mensa ist extrem Billig mit 25 Cent pro Essen.
Kontakt zu einheimischen und internationalen Studierenden
Kontakt sowohl zu einheimischen und ausländischen Studierenden ist sehr einfach herzustellen. Der ESN Club organisiert viele Aktivitäten und der Türke an sich ist ein herzlicher Mensch (natürlich stark generalisiert). Wenn man sich Mühe gibt, die Kultur, Sprache und Gepflogenheiten der Einheimischen kennenzulernen, stehen einem alle denkbaren Türen offen. Man sollte jedoch eine gewisse Kulturoffenheit mitbringen.
Sprachkompetenz vor und nach dem Auslandsaufenthalt
Sprachkompetenz ist meiner Meinung nach sehr wichtig. Türkisch ist sehr schwer, da die Sprache aus einer anderen Sprachfamilie stammt. Dennoch lohnt es sich die Mühe zu zeigen, um sich einerseits im Alltag zurechtzufinden und andererseits sich alle kulturellen Türen zu öffnen (s.o.). Nicht viele Türken außerhalb des akademischen Kontexts können Englisch. Ich habe einen Intensivsprachkurs gemacht und dieser hat mich sehr weit gebracht.
Wohn- und Lebenssituation
Die Wohnsituation ist sehr schwierig in Istanbul. Zum einen ist es schwierig überhaupt eine Wohnung zu finden, und zum anderen entsprechen die Unterkünfte meistens nicht den Standards hier zu Lande. Beliebte Plattformen sind Airbnb oder Facebook. Ich habe meine Wohnung über persönliche Kontakte bekommen. Oft wurden Kommilitonen auch über Airbnb betrogen. Also muss man da vorsichtig sein. Zudem gibt es von der Uni eine Liste mit Stadtteilen, die als unsicher gelten. Wenn man in einem solchen Stadtteil wohnt, bekommt man kein Residence Permit. Die Liste aktualisiert sich stetig. Am besten sind Stadtteile wie Cihangir, Feriköy, Nisantasi, Besiktas oder Kadiköy (etwas weiter entfernt). Dort wohnen viele internationale Studenten. Das Residence Permit ist dann der größte Krampf. Die Webseiten funktionieren nicht richtig, Informationen gibt es von offizieller Seite sehr wenig und sie widersprechen sich teilweise. Also nicht die Geduld verlieren und am besten schnellstmöglich machen. Bei meiner Ausreise hat sich niemand dafür interessiert, wie lange ich mein Visum überzogen hatte. Die öffentlichen Verkehrsmittel sind sehr gut. In der Rushhour ist die Metro das zuverlässigste Verkehrsmittel. Mit der Studentenkarte und einem Abonnement bekommt man 200 Fahrten für einen Monat für ca. 7€. Die Lebenshaltungskosten sind wie zu erwarten billiger als in Deutschland. Dennoch gibt es viele Dinge, die ähnlich teuer sind. Supermarkteinkäufe z.B. sind nicht viel billiger, dafür aber das Restaurant und Imbissangebot. Somit lohnt es sich teilweise nicht, für sich selber zu kochen. Mieten sind mit 250€ billig und gehen bis 500€ oder 600€ pro Monat. Die Freizeitangebote sind von der Uni aus sehr ausgeprägt. Es gibt viele coole Aktionen und Unternehmungen. Man kann einem Haufen Clubs beitreten von Tauchen, Wandern, Fußball, Handball, DJing, Klettern, Schach, usw. Was mich gestört hat war, dass es fast keine Parks oder Natur in der Stadt zu finden gibt. Dafür kann man aber z.B. auf eine der Inseln fahren mit dem Studententicket.
Studienfach: Climate Earth Water & Sustainability
Aufenthaltsdauer: 09/2022 - 02/2023
Gastuniversität: Istanbul Tecnical University
Gastland: Türkei
Rückblick
Istanbul ist eine Stadt, die man hasst und liebt zu gleich. Wer das Gewusel und die Unordnung liebt, fühlt sich dort wohl. Istanbul bietet somit alle Vor- und Nachteile, die eine Großstadt verkörpert. Wie gesagt sind für mich die wichtigsten Punkte: Sprache lernen, offen für eine neue Kultur sein und die Vorteile der Großstadt ausnutzen.