Vorbereitung des Auslandsaufenthaltes
Als Vorbereitung für das Erasmus habe ich mit vielen bekannten Menschen geredet, die selbst schon mal in Istanbul gewesen sind. Ich hatte einige Freund:innen, die selber schon einmal Erasmus in Istanbul gemacht haben, dort zu Besuch waren oder Freund:innen aus Istanbul, die in Erasmus Deutschland gemacht haben. Außerdem habe ich mir Erfahrungsberichte der Uni Potsdam durchgelesen und mit Menschen geredet, die generell schon einmal ein Erasmus+ absolviert haben. Der Kontakt mit der Gasthochschule verlief sehr angenehm. Ich habe schnelle Antworten von meiner Erasmus-Koordinatorin bekommen, allerdings musste ich sehr häufig nachfragen, um alle Antworten zu bekommen, die ich haben wollte. Auf der Website der ITÜ waren alle Informationen, auch wenn sie im Nachhinein nicht alle gestimmt haben, gut aufgearbeitet. Vorher wollte ich mich in Thessaloniki bewerben, da sah es anders aus mit dem Onlineauftritt.
Studium an der Gastuniversität
Meine Gastuniversität, die Istanbul Teknik Üniversitesi, hat ebenfalls das ETCS System, wo alle Kurse aufgelistet sind, wodurch die Umrechnung des Potsdamer Creditsystems relativ einfach war. Das Studieren an der ITÜ hat viel Spaß gemacht. Gerade im ersten Semester war ich viel an der Uni auf dem Campus, hier war COVID nicht so groß ausgeschrieben wie in Deutschland zu der Zeit. Die Kurse waren anders als in Deutschland immer 3 h lang, mit vielen Pausen dazwischen. Die Kurse waren kleiner, wir waren zwischen 3 und 12 Leuten bei mir im Institut, sodass es ein sehr nahes Verhältnis von Dozierenden zu den Studis gab. Gemeinsames Rauchen und Cay trinken auf dem Institutsdach gehörte zur täglichen Ordnung dazu. Die Uni war leider nicht so anspruchsvoll wie die Uni Potsdam, sodass ich zwar viel Zeit für sie aufgewendet habe, aber dafür nicht super viel gelernt habe. Dafür hat die Uni immer Bock gemacht, und das in Kontakt kommen mit den Kommolitonies, gemeinsames Essen und Cay trinken nach den Vorlesungen war einfach und entspannt. Da die ITÜ ein sehr gutes Sportangebot hat, habe ich nach ein paar Wochen angefangen, an der Uni Badminton zu spielen 2x die Woche, was leider irgendwann durch COVID eingestampft wurde. Die Betreuung durch die Erasmus-Kommission vor Ort ging auch sehr gut und Sebla war super hilfsbereit, wobei sie uns Erasmus-Studies auch klar gezeigt hat, was wir selbst organisieren müssen.
Kontakt zu einheimischen und internationalen Studierenden
Generell hatte ich im ersten Semester mehr Kontakt zu anderen Erasmus-Studies und im zweiten Semester dann mehr Kontakt zu den Einheimischen. Die beiden Semester sind auch ganz anders verlaufen. Während ich im ersten Semester auch häufig abends lange unterwegs war, hatte ich im zweiten Semester mehr Ruhe. Dafür habe ich abends schönere und abwechslungsreiche Dinge gemacht und der Alkoholkonsum ist heruntergegangen. Die Menschen aus der Türkei sind aber auch wahnsinnig offen und wollen viele Dinge wissen. Nachdem ich etwas Türkisch sprechen konnte, habe ich auch Kontakt mit Menschen gehabt, die Englisch nicht sprechen können und habe auch in einer WG mit Kurden gewohnt, die kein Englisch konnten. Die Erasmus-Studis in Istanbul waren aber auch sehr lieb und interessant und Kontakt zu ihnen aufzubauen war sehr einfach.
Sprachkompetenz vor und nach dem Auslandsaufenthalt
Ich konnte vor dem Aufenthalt nur die absoluten Basics auf Türkisch sprechen. Im ersten Semester habe ich dann einen Online-Türkischkurs von der Uni aus genommen, wo ich aber nicht viel gelernt habe, auch deswegen, weil der Kurs online war. Mittlerweile spreche ich aber ganz vernünftiges Türkisch. Ich habe mir ein Büchlein genommen und jedes Wort was ich nicht übersetzen konnte aufgeschrieben und gelernt. Das hat super funktioniert.
Wohn- und Lebenssituation
Ich habe erst bei einem Freund gewohnt, den ich schon vorher kannte. Nach einem Monat habe ich eine Wohnung gefunden, wo nur andere Erasmus-Studis gewohnt haben. Nicht empfehlenswert, aber trotzdem in Ordnung. Überteuerter Preis und merkwürdige Strukturen mit dem Vermieter. Danach habe ich eine Bude mit Kurden gefunden und mich super mit denen verstanden. Bank hat soweit alles funktioniert - bei der Halkbank konnten man mit der Kreditkarte kostenlos abheben, seit einem Monat haben sie allerdings auch die Commissions erhöht. Die Krankenkasse war meine private von Deutschland aus. Es gab jedoch auch die Möglichkeit, für wenig Geld eine Krankenversicherung in der Türkei abzuschließen. Lebenshaltungskosten sind in der Türkei günstig und sind auch stetig mit dem sinkenden Lira-Kurs gesunken. Wenn man es darauf anlegt, kann man für 250€ inklusive allem auskommen, mit Alkohol, Reisen etc. Mit der nicht allergünstigsten Wohnung kommt man dann aber schon auf deutlich mehr.
Studienfach: Geoökologie
Aufenthaltsdauer: 09/2021 - 06/2022
Gastuniversität: Istanbul Teknik Üniversitesti
Gastland: Türkei
Rückblick
Ich fand die beiden Semester richtig gut - für mich interessant kulturell, politisch und auch für meine Eigenentwicklung wichtig. Ich kann nur empfehlen, die Sprache zu lernen - denn diese ist leider häufig immer noch eine Barrikade beim Verständigen mit den Locals. Ansonsten freuen sich die Menschen immer über Kontakt. Diesen Kontakt auf jeden Fall auskosten. Es ist einfach, sich in den ESN-Bubbles zu verlieren, aber abseits der Bubbles bietet das Leben so viel mehr Varietät und Abwechslung. Trotzdem war es wichtig für mich, andere Erasmus-Studis eng um mich herum zu haben. Man kommt als weißer Mensch in die Situation, dass die Locals alle zwischen 60 und 100 Stunden für wenig Geld arbeiten, während man von der EU und seinen Eltern für 2 Semester finanziert wird. Der Pass, den man mit sich herumträgt, ist nicht fair und wirft viele Ungleichheiten auf. Dem sollte man sich bewusst werden, gerade wenn man in die Türkei kommt, wo es auch innerhalb der Bevölkerung riesige ethnische Unterschiede gibt. Ich hatte viele wunderschöne Erfahrungen, aber auch natürlich schwierige Zeiten. Am Ende ist aber alles so gekommen, wie es sollte, da bin ich mir sicher. Diese Zuversicht ist wichtig zu behalten, gerade wenn man sich wieder an den Kopf greift, weil die Bürokratie nicht funktioniert, oder die Politik mal wieder sehr merkwürdige Entscheidungen trifft. Und macht auf jeden Fall zwei Semester, eins ist viel zu kurz!! Und reist, wenn ihr die Möglichkeit dazu habt, am besten auf eigene Faust oder mit Freunden und natürlich ohne Flugzeug (generell kommt man auch easy ohne Flugzeug nach Istanbul, bei Interesse gerne bei mir melden!)