Vorbereitung des Auslandsaufenthaltes
Was ich bereits früh beim Erasmus Programm lernte: Die Teilnahme an einen Auslandsaufenthalt erfordert unbedingt das Sammeln und Filtern der notwendigen Informationen. Den Anfang empfand ich aufgrund der Menge an Informationen und der Vielzahl an Ansprechpartner als strapazierend. Allerdings bot mir das International Office qualitative und gut zusammengefasste Informationen auf ihren Websites, einen strukturierten Moodle-Kurs, eine übersichtliche Website zum hochladen der erforderlichen Dokumente und die Antworten auf meine Emails erhielt ich immer schnell. Demnach hat sich nach kurzer Zeit ein Rahmen geformt, welche Informationen und Vorbereitungen für mein Erasmus notwendig sind. Die Phase der aktiven Vorbereitung hinsichtlich des Ausfüllen von Dokumenten, die Absprache mit Koordinatoren meiner Fakultät, des International Office der UP und der Aydin Universität, das Abschließen einer Auslandskrankenversicherung, die Vornahme von empfohlenen Impfungen, der Antrag des Auslands-BAföG mit allmöglichen Dokumenten, Fragen über die eigene Wohnung in Deutschland und des künftigen Wohnortes in Istanbul, und und und … das alles hat viel Zeit und Energie in Anspruch genommen. Dies empfand ich als anstrengendsten Teil der Vorbereitung, während nebenbei noch meine Kurse des Semesters liefen. Der Kontakt über Email mit dem Erasmus Office der Aydin Universität verlief am Anfang etwas holprig, aber mit dem WhatsApp Kontakt zum leitenden Koordinator lief alles super. Ich konnte mich immer melden und habe schnell Antworten erhalten.
Rückblickend bin ich froh mich früh mit der Vorbereitung auseinandergesetzt zu haben und empfehle dies jeden. Es greifen viele Stellen ineinander, sodass man eine gewisse Frusttoleranz haben muss, wenn man Dokument A benötigt um bei Dokument B, welches für Dokument C notwendig ist weiterkommt. Insbesondere der Antrag für mein Auslands-BAföG war sehr nervenaufreibend und bis zur Auszahlung hat es auch länger gedauert als erwartet. Man sollte sich jedoch nicht abschrecken lassen, denn Stück für Stück lässt sich das alles abarbeiten.
Studium an der Gastuniversität
Ich bin bereits eine Woche vor Semesterbeginn nach Istanbul gereist, um mich an die Gegebenheiten zu gewöhnen. Ich war bereits ein paar Male hier, was für eine riesige Stadt wie Istanbul ein deutlicher Vorteil war. Der Semesterstart verlief etwas holprig, da die Organisation und Strukturierung der Lehrveranstaltungen erst nach ein paar Wochen stand. Dies verursachte jedoch keine Probleme für uns Erasmus- und Austauschstudenten. Das Koordinatoren Team an der Aydin ist hoch motiviert und führt einen durch alle Schwierigkeiten in der Einführungswoche und darüber hinaus. Dazu wurden viele Veranstaltungen und Ausflüge für uns organisiert, um sich untereinander kennenzulernen und bereits frühzeitig Istanbul zu erkunden. Ebenso wurden Kurztrips außerhalb Istanbuls organisiert, Partys veranstaltet, gemeinsam in viele Restaurants unterschiedlicher Küchen gegangen und noch vieles mehr. Ich habe von verschiedenen Studenten an anderen Universitäten Istanbuls gehört, dass es eine solche Betreuung der Austauschstudenten nicht gibt. Ich bin sehr glücklich solch engagierte und tolle Menschen als unsere Betreuer an der Aydin Universität gehabt zu haben.
Zur Universität selbst: Die Universität ist privat, jedoch entstehen keine kosten als Erasmus Student. Der Campus bietet alles was man braucht von kleinen Einkaufsläden, vielen Cafés, mehrere Essmöglichkeiten, Bereichen zum Entspannen, mehrere Bibliotheken, ein Friseur und ebenso ein kleines aber kompaktes und kostenloses Fitnessstudio. Der Standort der Uni liegt etwas Abseits auf der europäischen Seite Istanbuls. Vorort gibt es ein paar belebte Straßen mit vielen weiteren leckeren und günstigen Essmöglichkeiten. Zudem befindet sich eine Metrobus Station in der Nähe. Meine gewählten Kurse an der Aydin waren teilweise sehr lehrreich und spaßig aber teilweise auch nicht wirklich hilfreich für einen Erkenntniszugewinn. Die von uns geforderten Leistungen und der Lernumfang der Inhalte für die Examen empfand ich als angemessen. Insgesamt hat mir das Studieren an der Aydin sehr viel Spaß gemacht und mich bereichert.
Kontakt zu einheimischen und internationalen Studierenden
Wie bereits beschrieben wurden viele Events veranstaltet, um sich unter den Erasmus und Austauschstudenten an der Uni kennenzulernen. Dies war anfangs aufgrund der Menge an neuen Leuten leicht überwältigend, aber auch eine sehr schöne Zeit. Allerdings entstanden nach einer gewissen Zeit kleinere Gruppen, je nachdem wo man in Istanbul gewohnt hat und mit welchen Leuten man Kurse zusammen belegt hat. Mit den Erasmusstudenten entstanden tolle Freundschaften und gemeinsam haben wir die Möglichkeiten von Istanbul in unserer Freizeit gut ausgenutzt. Der Kontakt zu einheimischen Studenten verlief schwieriger. Einerseits befanden wir uns in einer Erasmus Bubble und andererseits sprechen viele türkische Studenten nicht sicher Englisch. Die türkischen Kommilitonen sind dennoch freundlich und neugierig und irgendwie schafft man es doch sich mit ihnen auszutauschen. Weiterhin studieren an der Aydin viele aus dem Ausland kommende Studenten, sodass ich viele freundliche und offene Menschen aus verschiedensten Teilen der Welt kennen lernen konnte.
Ursprünglich haben wir Uni Potsdam Studenten eine WhatsApp Gruppe für das Erasmus in der Türkei initiiert, wovon 90% der Gruppe ihren Aufenthalt in Istanbul hatten. Wir sprachen uns im Vorfeld über vieles ab und konnten so gegenseitig Fragen beantworten. Allerdings studierte jeder an einer anderen Universität und die Größe der Stadt als auch die eigenen Pläne ließen ein Treffen in der Stadt leider im Sande verlaufen.
Sprachkompetenz vor und nach dem Auslandsaufenthalt
Mein Englisch war vor dem Beginn des Erasmus eingerostet. Nur selten musste ich in Deutschland auf meine Englisch Kenntnisse im Studium oder Alltag zurückgreifen. Demnach war es eines meiner Ziele, diese Kenntnisse wieder aufzufrischen und zu verbessern. Insgesamt konnte mir das Erasmus sehr bei meinem Ziel helfen. Zum einen war der Austausch mit dem Kommilitonen auf Englisch sehr angenehm, da man sich einfach gegenseitig hilft das passende Vokabular zu finden. Zum anderen hatten unsere Professoren die englischen Vorlesungen verständlich aufbereitet. Ich fühle mich nach dem Erasmus definitiv sicherer in meiner Aussprache und meinem Auftreten in der englischen Sprache.
Der gewählte Türkischkurs war leider kaum ein Erkenntnisgewinn, da es an einer Struktur fehlte und das vermitteltet Wissen sich auf ein Minimum beschränkten. Dennoch hilft es ein paar türkische Vokabeln zu lernen, da viele Personen in alltäglichen Begegnungen kein Englisch sprechen können.
Wohn- und Lebenssituation
Ich habe im Voraus nach einer Wohnung in Kadiköy gesucht, welches mir bereits als ziemlich beliebtes, offenes und international geprägtes Viertel bekannt war. Ein Wohnheimplatz bei der Universität kam für mich nicht in Frage, da es sehr weit außerhalb der belebten Viertel liegt und grundsätzlich strenge Regeln gelten. Ich habe mir ein Zimmer in einer Wohnung angemietet, welche als WG für Erasmus Studenten ausgelegt war. Solche Angebote sind in Istanbul sehr beliebt und einfach zu finden. Die Konstellation mit anderen Erasmus Studenten zusammen zu leben war entspannt. Allerdings war ich mit der Qualität hinsichtlich der für Istanbul hohen Miete von 500€ im Monat nicht zufrieden. Ich konnte danach noch ein noch günstigeres Zimmer in einer anderen WG in Kadiköy finden, mit welchen ich zufrieden war und 350€ im Monat zahlte. Ich empfehle es ein Hotel/Hostel/AirBnB für ein paar Wochen vor Beginn des Semesters zu nehmen, um dann vor Ort ein Zimmer zu finden. Ein/e WG-Zimmer/Wohnung zu bekommen geht sehr schnell, teilweise kriegt man die Zusage noch am Tag der Anfrage. Es lohnt sich Wohnungsbesichtigungen zu machen, da Wohnungen in der Türkei so gut wie immer ihre kleinen Mängel haben und die Fotos sehr oft aus einen Winkel gemacht werden, welche die Zimmer größer aussehen lässt. Facebook ist für die Suche einer WG hier noch weit verbreitet. Um eine eigene Wohnung zu finden empfehle ich Websites wie „Sahibinden“ oder „Hepsiemlak“. Ansonsten kann man auch in den Erasmus WhatsApp Gruppen Angebote oder Kontakte finden.
Wichtig ist vorher die Absprache mit dem Vermieter zu treffen, dass man für den Erhalt der Aufenthaltsgenehmigung mit seinen Vermieter zum Notar gehen muss, um den Mietvertrag notariell zu beglaubigen. Die notarielle Beglaubigung zu bekommen empfand ich definitiv als unangenehmsten Teil der Bürokratie vor Ort, da teilweise sehr viel Geld am Ende des Vorgangs verlangt werden. Mit mehr als 100€ sollte aufjedenfall gerechnet werden. Ich hörte vereinzelt von anderen Erasmusstudenten, dass die Summe von mehr als 200€ oder mehr als 300€ gezahlt werden musste.
Öffentliche Verkehrsmittel gibt es in allmöglichen Arten. Ich bevorzuge jedoch die verschiedenen Bahnen (Metro, Marmaray, Tram), die Fähre und den Metrobus, da diese sehr verlässlich fahren. Die Stadt hat massive Stauprobleme, weshalb ich normale Busse nur selten nutzte. Ich empfehle es sehr bei der Wohnungssuche auf die Nähe einer Station der genannten Verkehrsmittel zu achten. Der ÖPNV ist mit der Studentenkarte relativ günstig. Die 200-Punkte Aufladung an den modernen blauen Automaten (Sprache auf Türkisch eingestellt lassen!) für ca. 10€ reicht gewöhnlich für den gesamten Monat.
Beim Bargeld abheben habe ich die freistehenden Bankautomaten an öffentlichen Plätzen gemieden, da diese zumeist privaten Anbietern gehören und eine zusätzliche Gebühr erheben. Besser ist es an einen Automaten an einer Bankfiliale Geld abzuheben. In den meisten Läden kann man mit Karte zahlen, jedoch sollte man immer etwas Bargeld dabeihaben. Ich konnte bei der Ziraat Bank oder der HSBC ohne Gebühr Geld abheben. Man sollte natürlich noch darauf achten, ob die eigene Bank aus Deutschland keine Gebühren nimmt. Die Zahlung der Miete habe ich zumeist mit WesternUnion in Bargeld und Euro geregelt (Türkei liegt nicht im SEPA-Raum!). Weiterhin nutzten Ich und viele weitere Austauschstudenten Anbieter wie Revolut oder Wise, welche sehr gute Konditionen und Funktionen auf ihre kostenlosen Konten für das Leben im Ausland anbieten. Ich habe meine Revolut Karte auch maßgeblich zum Abheben und Bezahlen benutzt.
Ebenso empfehle ich die Nutzung eines VPN, da einige deutsche oder internationale Webseiten durch das Geoblocking oder aufgrund einer von der Regierung angeordneten Sperre nicht funktionieren.
Die Lebenshaltungskosten in Istanbul sind höher als in anderen Regionen der Türkei, allerdings sind die Kosten durchschnittlich im Vergleich zu Deutschland spürbar geringer. Die Inflation und Preissteigerungen vor Ort sind bemerkbar und kommen im regelmäßigen Abstand vor. Insbesondere am Anfang des Aufenthaltes sollte man noch zusätzliche Ausgaben für eine türkische Telefonnummer, Notar, andere bürokratische Prozesse einkalkulieren. Im Ganzen kam ich finanziell gut über die Runden mit der Erasmus Förderung und dem Auslands-BAföG.
Freizeitangebote gibt es in Istanbul ohne Ende. Insbesondere zu nennen ist die Museumskarte für Studierende, welche in staatlichen Museen in der gesamten Türkei funktioniert. Diese ermöglicht den kostenlosen Eintritt in viele spannende Museen und Sehenswürdigkeiten. Normalerweise ist der Eintritt für Sehenswürdigkeiten in der Türkei sehr teuer, sodass ich die Karte so oft wie möglich nutzte und mehrere hundert Euro an Eintritt sparte. Ebenso gibt es für andere Einrichtungen oftmals einen Rabatt für Personen mit einer Aufenthaltsgenehmigung. Parks gibt es im Vergleich zur Größe der Stadt wenige, beziehungsweise sind die vorhandenen oft nervig zu erreichen. Die Dichte an Parks und Grünflächen in Potsdam sind hier kein Vergleich. Ebenso fehlte es mir an Möglichkeiten in der Stadt Fahrrad zu fahren. Vereinzelnd gibt es hierfür schöne Wege aber im ganzen ist Istanbul definitiv keine Fahrradstadt.
Studienfach: Rechtswissenschaft
Aufenthaltsdauer: 09/2024 - 02/2025
Gastuniversität: Istanbul Aydin Universität
Gastland: Türkei
Rückblick
Insgesamt bin ich sehr glücklich mich für einen Erasmus Aufenthalt in Istanbul entschieden zu haben. Es tat mir richtig gut aus der deutsch/europäischen Bubble rauszugehen und sich mit einer anderen Lebenssituation zu konfrontieren. Ich habe eine Vielzahl an Erfahrungen und Erinnerungen gemacht, ich bin sehr stolz meine Komfortzone für das halbe Jahr verlassen zu haben und ich merke, dass ich energetisch in die Endphase meines Studiums starten kann. Das Auslandssemester hat mich vielseitig bereichert und ich bin sicher, dass diese Erfahrung für meine Zukunft sehr wertvoll sein wird.