Vorbereitung des Auslandsaufenthaltes
Da dies schon mein zweites Erasmus-Semester war, musste ich mich nicht mehr so ausgiebig über alles informieren wie beim letzten Mal. Alle Infos sind aber problemlos auf den Seiten des International Office zu finden. Bei weiteren Fragen helfen die zuständigen Fachkoordinator*innen oder die Mitarbeitenden des Potsdamer IO auch gerne weiter. Meine Gastuni kam nach meiner Nominierung im April per Mail auf mich zu. Ich hatte von da an Zugriff auf einen individuellen Link, der mich zu meinem Portal für die Online Application geführt hat. Da ich erst im darauffolgenden Sommersemester nach Olomouc gefahren bin, hatte ich über ein halbes Jahr Zeit für die Anmeldung. Erstmal muss ein Formular mit allen möglichen persönlichen Daten ausgefüllt und ein Foto für den Studiausweis hochgeladen werden. Dabei hat man die Wahl zwischen der ISIC (International Student Identification Card) und einem Studiausweis speziell für die Palacký Universität. Die ISIC ist hierbei definitiv die bessere Wahl, weil sie überall anerkannt wird und man damit auch alle Rabatte für Studierende (z.B. in Zügen/Bussen, aber auch einigen Läden) bekommt. Mehr Infos zu den Kartentypen gibt es aber auch auf der Homepage der Uni (https://cvt.upol.cz/en/identificationcards/#c29114). Außerdem werden in dem Portal schon die Kurse für das Semester ausgewählt. Die Kursübersichten variieren je nach Fakultät, an der man studiert. In meinem Fall war es die Pädagogische Fakultät, wo alle Kurse übersichtlich nach Fachgebieten aufgelistet und mit Infos zu Kursinhalten, Credits und Dozierenden versehen sind (https://www.pdf.upol.cz/en/student/exchange-students/). Macht euch mit der Wartezeit bis zur offiziellen Annahme an der Uni nicht verrückt, bei mir hat das ewig gedauert, sodass erst eine Woche vor Anreise alles erledigt war. Das scheint aber normal zu sein.
Studium an der Gastuniversität
Vor Beginn des Semesters werden die gewählten Kurse automatisch in das Studienverwaltungsportal der Uni übertragen. Bei der Kursübersicht gibt es dann die Infos dazu, wann und wo die Kurse stattfinden. Falls die Zeiten sich überschneiden oder nur wenig Zeit bleibt, um zum nächsten Raum zu kommen, lässt sich das für gewöhnlich entspannt mit den betroffenen Dozierenden klären. Auch allgemein sind die tschechischen Dozierenden entspannt und die Veranstaltungen gehen gern mal 10-15 Minuten später los als vorgesehen. Wenn doch etwas gar nicht passt, können die Kurse auch nach Ankunft noch gewechselt werden. Der Unialltag ähnelt dem in Deutschland sehr. Von Studierenden wird allerdings 70-80% Anwesenheit verlangt, was auch jedes Mal mit Unterschrift kontrolliert wird. In meinem Fall waren die Kurse der Educational Science eher wenig bis gar nicht besucht. Ich war sogar einmal als Einzige angemeldet und bin jede Woche zur Dozentin ins Büro gegangen, um dort den Kurs abzuhalten. Da muss wohl jede*r selbst entscheiden, ob man daran teilnehmen möchte. Ich persönlich fand es schön, dass der Kurs nicht einfach abgesagt wurde und die Dozentin sich nur für mich die Mühe gemacht hat. Die restlichen Kurse waren durch die kleinen Gruppen auch eher angenehm und familiär. An der Fakultät sind die Anforderungen auf jeden Fall nicht so hoch wie in Deutschland. Es wurden Klausuren geschrieben, die aber recht simple Multiple Choice Tests waren. Ansonsten mussten wir Essays schreiben oder Präsentationen halten. Ich hatte aber den Eindruck, dass die meisten Dozierenden wollten, dass wir den Auslandsaufenthalt auch ein bisschen genießen können und daher nicht zu viel verlangt haben. Das variiert aber zwischen den Fakultäten sehr, denn einige meiner Freund*innen hatten sehr viel zu tun – besonders, wenn sie mit tschechischen Studierenden in den Kursen waren. Sagen wir es mal so: So entspannt, wie die Dozierenden in Olomouc sind, ist auch die Verwaltung der Uni. Vor Anreise wartet man wie gesagt ewig auf eine Rückmeldung zur Online Application an der Uni. Das funktioniert dann zwar wie geplant, aber sobald man etwas ändern möchte, bricht das System zusammen. Das fing beim Learning Agreement an. Man könnte meinen, die Umstellung auf OLA macht den Prozess leichter. An der Palacký Uni sorgt es aber nur für Chaos, weil sie dort ein eigenes uniinternes System haben, das mit OLA zusammen nicht gut funktioniert. Mein LA wurde bis heute nie in OLA von der tschechischen Seite unterschrieben. Sobald meine deutsche Koordinatorin es unterschrieben hatte, wurde es zwar an die tschechische Uni weitergeleitet, aber dort ins eigene System übertragen und erst dann darin unterschrieben. Daher konnte ich keine Änderungen in OLA vornehmen, weil es dort noch als unvollständig gilt. Nach monatelangem Gerenne und dutzenden unbeantworteten Mails an meine zuständige tschechische Koordinatorin habe ich dann eine Woche vor meiner Abreise endlich mein LA (in Word) fertigstellen können. Da muss man auf jeden Fall dranbleiben und vor allem persönlich vorbeischauen – Mails werden sehr häufig gar nicht gelesen oder beantwortet. Abgesehen von dem Chaos sind die Mitarbeitenden der tschechischen Uni alle wirklich nett und hilfsbereit. Manchmal gibt es Schwierigkeiten mit der Sprachbarriere, aber ich habe mich immer gut aufgehoben gefühlt. Ansonsten lohnt es sich, einen Buddy zu haben, der oder die bei Problemen nochmal in der Muttersprache helfen kann.
Kontakt zu einheimischen und internationalen Studierenden
Olomouc hat ein sehr gut organisiertes Erasmus Student Network (ESN). Hier sind viele motivierte und liebe Studierende aktiv, die regelmäßig viele Aktivitäten organisieren. Dadurch kommt man sehr leicht in Kontakt mit den anderen internationalen Studierenden. Besonders in der Orientation Week stehen neben den organisatorischen Veranstaltungen jeden Tag mehrere ESN-Events an. Dazu gehört alles von Galeriebesuchen über Tagestrips in andere Städte bis hin zu vielen Partys. Die meisten der ESN-Mitglieder sind auch selbst als Buddys aktiv, daher knüpft man auch dort Kontakt mit Einheimischen. Besonders gern mochte ich die wöchentlichen Aktivitäten wie das Pub Quiz und die National Presentations, die abwechselnd jeden Donnerstagabend stattgefunden haben. In den National Presentations können die internationalen Studierenden ihre Länder in einem großen Hörsaal vorstellen und mit einem Budget von umgerechnet ca. 40 Euro landestypische Snacks und Getränke besorgen, die die anderen dann probieren können. Ansonsten finden die meisten Kontakte allerdings im Wohnheim in Envelopa statt. Hier leben immer drei Personen in einem Zimmer zusammen. Auf engstem Raum ist Kontakt natürlich unvermeidbar, sodass in den Zimmern und auf den Gängen immer etwas los ist.
Sprachkompetenz vor und nach dem Auslandsaufenthalt
Meine Englischkenntnisse haben sich nicht großartig verändert, da ich die Sprache bereits fließend spreche. Es wurde lediglich wieder normaler, im Alltag Englisch zu reden. Besonders hilfreich war dabei, dass wir nur eine Handvoll Deutsche waren. Ich fand das sehr schön, weil es mich weniger verleitet hat, aus Bequemlichkeit Deutsch zu sprechen. Ich habe auch einen Tschechischkurs belegt, um mich wenigstens in Bruchteilen mit den Menschen vor Ort (besonders beim Einkaufen oder in Cafés) unterhalten zu können. Das war rückblickend eine sehr gute Entscheidung, die mir vieles leichter gemacht hat. Anfangs haben mich viele gewarnt, dass man im Supermarkt ignoriert oder sogar angemeckert wird, wenn man die Mitarbeitenden auf Englisch anspricht. Mir ist das allerdings nie passiert, weil ich so früh wie möglich Begrüßung, Verabschiedung und typische Höflichkeitsphrasen auf Tschechisch gelernt habe. Wenn man direkt auf Tschechisch grüßt und wenige Worte sagen kann, sind die Mitarbeitenden auch bei sprachlichen Problemen wirklich freundlich. Viele konnten gar kein Englisch und haben sich trotzdem viel Mühe gegeben, mit mir zu kommunizieren. Man muss sich einfach ein bisschen bemühen, dann kommen die Menschen einem auch freundlich entgegen. Außerdem war meine Dozentin total lieb und hat den Kurs abwechslungsreich und spaßig gestaltet.
Wohn- und Lebenssituation
Ein großer Vorteil an Olomouc ist, dass es von Berlin optimal mit dem Zug erreichbar ist. Mit einem Umstieg in Prag ist man in knapp 7,5 Stunden vor Ort. Dementsprechend lässt sich auch viel Gepäck entspannt mitnehmen. Für mich war es auch wichtig, meinen Partner oft sehen zu können, was durch die Anbindung (und die günstigen Ticketpreise, unbedingt über České dráhy buchen!) gar kein Problem war. Die Organisation der Unterkunft ist sehr einfach, wenn man im Wohnheim wohnen möchte. Die Uni organisiert für jede Person garantiert einen Wohnheimplatz. Es gibt also keinen Stress bei der Buchung. Alle Infos zum Ablauf und den verfügbaren Wohnheimen mit Zimmerausstattung gibt es online (https://skm.upol.cz/en/accommodation/for-international-students/). In der Anmeldung am Anfang kann man angeben, welches Wohnheim man bevorzugt. In meinem Fall gab es die Wahl zwischen dem Envelopa Campus im Stadtzentrum und dem Neředín Campus am Stadtrand. Wie schon erwähnt leben in Envelopa immer drei Personen in einem Zimmer und teilen sich mit drei weiteren Personen ein Bad und einen Kühlschrank. Die Küche ist auf dem Flur und wird von ca. 96 Personen (ja, wirklich) benutzt. Dafür ist der Kontakt zwischen den Studierenden viel enger und irgendwie wirkt das Wohnheim dadurch lebendiger. Hier ist auch alles in der Stadt gut zu Fuß erreichbar, sodass man nicht unbedingt ein Ticket für den öffentlichen Nahverkehr braucht. Ich habe in Neředín gewohnt, weil es dort viele Einzelzimmer und Zweierzimmer gab. Außerdem leben dort 6-7 Personen in einer Wohnung mit zwei Bädern und einer kleinen Küche. Es hat sich aber rausgestellt, dass ich scheinbar viel Glück hatte, auch tatsächlich ein Einzelzimmer zu bekommen, weil viele Bekannte nach Envelopa geschickt wurden, obwohl sie auch lieber in Neředín gewohnt hätten. Im Anmeldeformular gibt es auch die Möglichkeit, mentale oder körperliche Probleme zu schildern, falls es wirklich wichtig ist, aus diesem Grund ein Einzelzimmer zu bekommen. Die Miete wird mit steigender Bettenzahl im Zimmer günstiger, aber selbst ein Einzelzimmer ist mit knapp 200 Euro im Monat gut bezahlbar (https://skm.upol.cz/en/accommodation/accommodation-price-list/#c16301). Außerdem ist hier ein Ticket für den öffentlichen Nahverkehr dringend nötig, weil man mit der Tram ca. 15 Minuten in die Stadt fahren muss. Es fährt alle 7-8 Minuten eine Tram, sodass es da auch keine Probleme gibt (außer man kommt spät nachts nach Hause, dann lohnt sich ein Nextbike oder Bolt). Die Tickets sind auch sehr günstig – ich habe für ein 3-Monats-Ticket ca. 20 Euro gezahlt. In Tschechien gibt es keinen Euro, sondern tschechische Kronen. Es lohnt sich, ein bisschen Bargeld am Anfang mitzubringen, weil man hier nicht überall mit Karte zahlen kann. Ansonsten ist eine Kreditkarte sehr hilfreich und am praktischsten für den täglichen Gebrauch. Geldautomaten gibt es genug, um überall Geld abheben zu können. Aktuell sind die Lebensmittelkosten leider nicht so günstig, wie man sich in Tschechien vielleicht vorstellt. Ich habe eigentlich genau so viel für Einkäufe gezahlt wie in Deutschland auch. Es gibt viele deutsche Supermärkte (Kaufland, Lidl, Globus), wo es die meisten bekannten Produkte, aber auch viele tschechische Besonderheiten gibt. Für vegetarisch und vegan lebende Personen wird es leider eher teuer. Es gibt zwar eine überraschend große Auswahl, aber viele Produkte sind deutlich teurer als in Deutschland (bspw. kostet ein 500g Alpro Sojajoghurt hier knapp 4 Euro). Da lohnt es sich, zu DM oder Rossmann (gibt es in Olomouc auch überall) zu gehen und grundlegende Dinge wie Pflanzenmilch oder -sahne hier zu kaufen. Am Anfang haben wir es als Erasmusstudierende deutlich leichter als die nicht-europäischen Studis, zumindest was die Behördengänge angeht. Das Einzige, was hier dringend erledigt werden muss, ist die Registrierung der Krankenversicherung. Man muss dafür in Olomouc zum „Zdravotní pojišťovna ministerstva vnitra ČR“ gehen – das ist der örtliche Krankenversicherungsdienst. Dort bringt man seine Krankenkassenkarte hin und bekommt einen Zettel, der die Registrierung bei der tschechischen Krankenversicherung bestätigt. Der ist sehr wichtig, falls man in ärztliche Behandlung muss, denn er muss dort unbedingt mitgebracht werden. Olomouc ist eine wunderschöne kleine Stadt und hat eigentlich alles zu bieten, was man sich wünscht. Es gibt viele schöne Parks, einen großen See in der Nähe, Museen, Clubs, Bars und Cafés. Etwa ein Viertel der Menschen dort sind Studierende, weshalb die Stadt sehr jung und lebendig ist. Als sechstgrößte Stadt Tschechiens hat Olomouc auch eine gute Zug- und Busanbindung. Da Tschechien genau in der Mitte von Europa liegt, kommt man auch schnell in die umliegenden Länder. So dauert es nur ca. 3 Stunden nach Wien, Bratislava oder Katowice (bei Auschwitz) und etwa 5 Stunden nach Budapest. Außerdem gibt es sehr schöne Naturgebiete überall im Land. Ich kann die Felsenstadt in Adršpach besonders empfehlen, wobei diese am besten mit dem Auto erreichbar ist. Aber falls sich die Möglichkeit bietet, ist der Ort auf jeden Fall einen Besuch wert!
Studienfach: Bildungswissenschaft
Aufenthaltsdauer: 02/2023 - 06/2023
Gastuniversität:Univerzita Palackého v Olomouci
Gastland: Tschechien
Rückblick
Rückblickend würde ich nicht viel anders machen. Das Semester hat mir viel Spaß gemacht, ich habe liebe Menschen aus der ganzen Welt kennengelernt und konnte in Ansätzen eine völlig neue Sprache lernen. Ich denke, dass Tschechien genau wie andere Länder östlich von Deutschland sehr unterschätzt wird und möchte daher allen empfehlen, Olomouc und dem ganzen Land unbedingt eine Chance zu geben.