Vorbereitung des Auslandsaufenthaltes
Im Zuge eines Erasmus Auslandsstudiums habe ich ein Semester in Saragossa studiert. Wo? In „Zaragoza“ wie der Spanier sagt. Nicht viele kennen diese Stadt in der nordspanischen Region Aragonien, obwohl sie mit über 600.000 Einwohnern eine der größten Städte des Landes ist. Auch ich hatte überhaupt keine Ahnung von der Stadt, wusste lediglich, dass es sie gibt, aber nicht mehr. Die Entscheidung hier ein Semester zu verbringen fiel eher aus dem Bauch heraus und weil es in meinem Fach Geschichte dort noch Plätze gab. Bereut habe ich es seither kein bisschen, es war das beste Semester meines Lebens.
Das Bewerbungs- und Annahmeverfahren lief eigentlich relativ problemlos, die einzigen Probleme die ich hatte, lagen zur Gänze an meiner eigenen Verplantheit. Ich kann nur empfehlen sich an die Fristen und die Checkliste zu halten, die ihr auf den Infoveranstaltungen bekommt, dann kann eigentlich nicht mehr viel schiefgehen. Die Kontaktaufnahme mit der Gastuniversität war auch nicht weiter schwierig, auch wenn gemäß der spanischen Mentalität alles immer etwas gedauert hat. Hier heißt es Geduld bewahren, irgendwie klappt dann doch immer alles. Spanisch-Kenntnisse sind auf jeden Fall ratsam, da auch die Erasmuskoordinatoren vor Ort meist eher nur schlecht Englisch können. Das stellte mich vor einige Schwierigkeiten, da ich nur Grundkenntnisse in Spanisch vorweisen konnte. Es war dann aber dank Google Translate doch möglich die E-Mails mit den Informationen der Gastuniversität zu verstehen und die dort erwähnten Schritte durchzuführen.
Studium an der Gastuniversität
Vor Ort angekommen reiht man sich dann in die langen Schlangen der Erasmus-Studierenden, die vor dem International Office warten, ein und lernt dort schon erste internationale Bekanntschaften kennen. Hier erhält man dann auch alle nötigen Unterlagen, sollte man, so wie ich, die Einführungswoche verpasst haben. Es ist aber dennoch zu empfehlen ein bis zwei Wochen vor Semesterstart in Saragossa einzutreffen, das beugt der Anfangsverwirrung etwas vor. Die Studienorganisation vor Ort ist in Ordnung, kann aber gerade am Anfang etwas überfordernd sein. Davon sollte man sich nicht unterkriegen lassen, zur Not fragt man seine Erasmus-KommilitonInnen, das International Office oder den jeweiligen Erasmus-Fachkoordinator vor Ort.
Ich belegte Kurse sowohl in Englisch, als auch in Spanisch, weil ich mir erhoffte, so ein paar einfachere ECTS Punkte sammeln und gleichzeitig mein Spanisch verbessern zu können. Das war rückblickend nicht unbedingt die beste Entscheidung, da mein Spanisch bei weitem nicht ausreichte, um die Spanischen Kurse verstehen zu können. So kam ich dann immer nur schlecht mit, wobei die Dozenten oft wenig Verständnis für schlechte Spanischkenntnisse aufbrachten. Teilweise waren sie aber schon auf Erasmus-Studierende eingestellt und legten einen anderen Bewertungsmaßstab an.
Die Bewertung verlief meist über eine Abschlussklausur, die meist aus mehreren Teilaufgaben bestanden, bei dem oft kürzere Aufsätze geschrieben werden sollten. Dazu gab es in einigen Kursen noch Zusatzaufgaben wie Vorträge und Übungen, welche zwar nicht verpflichtend waren, aber eine schlechte Klausurnote ausgleichen konnten. Generell gab es bei mir keine großen Vorlesungen, sondern eher immer mittelgroße Seminare mit ca. 20 bis 40 Studierenden, sodass ich manchmal an die Schule erinnert wurde.
Der Campus der Uni an sich teilt sich in drei Teile: San Francisco, Gran Via und Rio Ebro, bei dem lediglich letzterer etwas weiter vom Stadtzentrum entfernt liegt. Ich hatte nur am Campus San Francisco Veranstaltungen, zu dem ich von meiner Wohnung aus mit der einen Straßenbahnlinie, die es in Zaragoza gibt, innerhalb von 20 Minuten gelangte.
Gerade für die Anfangszeit und zur Orientierung hilfreich sind auf jeden Fall auch das Erasmus-Buddy Programm und die beiden Erasmus Vereinigungen AEGEE und EZU. Die sind unabhängig voneinander, machen aber im Wesentlichen das Gleiche: sie organisieren Feiern und Reisen für Erasmusstudierende, was gerade zum Kontakte knüpfen am Anfang des Semesters schon recht praktisch war.
Kontakt zu einheimischen und internationalen Studierenden
Innerhalb kürzester Zeit lernte ich hunderte Menschen kennen und landete in zig Gruppenchats, sodass ich eigentlich ziemlich automatisch einen Freundeskreis unter den anderen Erasmus-Studierenden fand. Ich hatte hierbei durch meine guten Englisch-Kenntnisse vor allem Kontakt zu britischen Austauschstudierenden, aber auch zu Niederländern. Sonst gab es vor allem auch viele Italiener und auch einige Deutsche, zu denen ich aber eher weniger Kontakt suchte, da ich meine Sprachkenntnisse verbessern wollte.
Kontakt zu spanischen, einheimischen Studierenden hatte ich eher weniger, was meist an den Kommunikationsschwierigkeiten lag. Da ich nur relativ schlecht spanisch sprach und die spanischen Studierenden für gewöhnlich nur schlecht englisch und überhaupt kein deutsch sprachen, hatten diese dann schnell keine Lust mehr, sich weiter mit mir zu befassen. Das war natürlich schade, aber auch verständlich in gewisser Weise.
Durch die vielen, vielen Leute, die ich kennenlernte, hatte man abends immer etwas zu tun, sodass oft und viel zusammen unternommen wurde. Neben dem regelmäßigen Feiern lieh man sich auch mal ein Auto aus und erkundete die spanische Umgebung oder kochte gemeinsam ein Weihnachtsessen. Es entwickelte sich mit der Zeit so eine richtige kleine Erasmus-Familie, was ich wirklich schön fand.
Wohn- und Lebenssituation
Sicherlich dazu beigetragen hat auch das Wohnen mit anderen Erasmusstudierenden in einer 4er WG. Diese fand ich nach ziemlich mühseliger zehntägiger Suche nach meiner Ankunft. Ich hatte mich im Voraus nicht um eine Wohnung oder einen Wohnheimplatz gekümmert, da ich in anderen Erfahrungsberichten zu Zaragoza gelesen hatte, man solle lieber nichts blind buchen, da die spanischen Vermieter einen oft übers Ohr hauen würden und die Wohnheime eher mittelmäßig bis schlecht seien. Das kann ich im Wesentlichen auch so unterschreiben, ich habe vielfach Horrorgeschichten von Vermietern und Wohnungen in furchtbarem Zustand gehört. Es gibt aber auf jeden Fall viele angebotene Wohnungen oder Zimmer für Studierende und der Preis ist mit 200-350€ warm und mit Internet etc. auch noch im Rahmen. Empfehlenswert für die Suche ist hierbei die App Idealista, die Facebook-Seiten der Erasmusjahrgänge (z.B. von AEGEE oder EZU) oder auch die auch von der Uni verlinkten Angebotsseiten speziell für Studierende. Außerdem gibt es am Campus gerade zu Semesterbeginn auch an den schwarzen Brettern viele Wohnungs- und WG-Anzeigen, bei denen man fündig werden kann. Letztendlich zahlte ich für ein 16m² Zimmer in sehr zentraler Lage 290€ mit allen Nebenkosten. Damit war ich im oberen Durchschnitt, aber dennoch sehr zufrieden, da besonders meine Mitbewohnerinnen und der Balkon im 13. Stock mit fantastischer Aussicht vieles wettmachte.
Ich wohnte an er Grenze von Delicias zum Casco Historico, 5 Gehminuten vom zentralen Platz an der Basilica del Pilar entfernt. Auch die nächste Straßenbahnstation war nicht weit und Einkaufsmöglichkeiten gab es auch jede Menge. Die Preise sind eigentlich ziemlich genauso wie in Deutschland, teilweise sogar noch günstiger, gerade bei saisonaler und regionaler Ware. Auch beim Ausgehen sind für gewöhnlich moderate Preise zu erwarten, was wirklich angenehm war.
Die Stadt an sich ist ein wahrer Geheimtipp. Kaum jemand hat Zaragoza auf dem Schirm, aber sie hat mit einer der größten historischen Altstädten Spaniens einiges zu bieten. Von architektonisch eindrucksvollen Kirchen und Palästen, über ausgedehnte Parks und kleine Gässchen. Gerade abends und am Wochenende fand ich es immer wunderschön, durch die Gassen der Altstadt zu schlendern und das bunte Treiben vor den zahllosen Tapas-Bars zu beobachten. Die Größe der Stadt ist dabei für ein oder zwei Semester genau ideal, man fühlt sich keineswegs eingeengt, hat aber gleichzeitig das Gefühl, man kennt die Stadt nach ein paar Monaten gut. Es ist eigentlich alles fußläufig zu erreichen, oder man leiht sich eines der vielen Bikesharing-Fahrrädern oder Elektro-Cityrollern aus. Das einzige was ich ein wenig vermisst habe, gerade im Sommer, war das Meer. Es gibt zwar den Rio Ebro, dieser ist aber aufgrund der Strömung und der Wasserqualität nicht zum Schwimmen geeignet. Mit einem Strand und Meerzugang hätte ich tatsächlich keine weiteren Wünsche an eine spanische Stadt.
Sprachkompetenz vor und nach dem Auslandsaufenthalt
Wie schon erwähnt waren meine Spanisch-Kenntnisse vor dem Auslandssemester eher als sehr eingeschränkt zu bezeichnen. Ich hatte zwar in der Schule mal zwei Jahre Spanisch Unterricht und absolvierte auch einen Abendkurs in Vorbereitung auf das Auslandssemester, aber trotzdem kam ich über das absolute Minimum eigentlich nicht hinaus. Das sollte mir gerade am Anfang einige Probleme bereiten, denn Zaragoza ist keine touristische Stadt und spanientypisch sind Englischkenntnisse hier nicht zu erwarten. Es kam auch häufig vor, dass ich auf Unverständnis darüber stoß, nicht fließend spanisch sprechen zu können. Der Normalbürger in Aragonien geht halt einfach davon aus, dass jeder natürlich fließend Spanisch kann. Daran muss man sich erstmal gewöhnen, aber das ist natürlich auch Teil der Erfahrung.
Ich belegte also einen einmonatigen Spanisch-Intensivkurs, bei dem ich als Erasmusstudent auch kräftig Rabatt bekam, sodass ich hierfür nur ca. 80€ zahlte. Der Kurs war immer unter der Woche jeweils zwei Stunden abends, also wirklich sehr intensiv und hat mir auch sehr viel gebracht. So kam ich im Alltag dann ganz gut klar und konnte mir aus dem Kontext heraus auch die meisten Sachen gut erschließen. Da mein Freundeskreis jedoch fast nur aus englischsprachigen Erasmusstudierenden bestand und auch meine Mitbewohner Englisch sprachen, verbesserte sich vor allem auch mein Englisch, sodass ich jetzt guten Gewissens sagen kann diese Sprache nun absolut fließend zu beherrschen. Es vergingen manchmal mehrere Wochen, ohne, dass ich ein einziges Mal deutsch sprach. Ich habe auch immer noch viel Kontakt zu der alten „Clique“, sodass ich auch weiterhin fleißig üben kann.
Studienfach: Master of Education- Geschichte/Physik
Aufenthaltsdauer: 09/18-02/19
Gastuniversität:Universidad de Zaragoza
Gastland:Spanien
Rückblick
Abschließend kann ich nur sagen, dass ich es nie bereut habe mich noch spontan für ein Erasmus-Studium in Zaragoza entschieden zu haben. Ich habe so viele wichtige Erfahrungen gemacht, echte Freunde gefunden und einfach eine verdammt gute Zeit gehabt. Mit tiefer Traurigkeit fuhr ich dann auch zum Bahnhof und verließ die Stadt, aber ich werde auf jeden Fall wiederkommen. Ich bin in diesen 5 Monaten als Mensch wirklich gewachsen, habe mich weiterentwickelt, bin selbstbewusster und selbstständiger geworden. Die ganzen Herausforderungen und Erlebnisse formten mich in dieser Zeit wie kaum eine andere Zeit in meinem Leben es in so kurzer Zeit geschafft hätte. Auch wenn ich unitechnisch in Zaragoza keine großen Sprünge gemacht habe, war dieses Semester vielleicht das wichtigste und beste meines bisherigen Studiums. Von daher kann ich an alle anderen interessierten Studierenden nur sagen: macht es, traut euch, ihr werdet es nicht bereuen. Und wählt Zaragoza, denn diese Stadt hat mehr Aufmerksamkeit verdient!