Vorbereitung des Auslandsaufenthaltes
Der Wunsch im Ausland zu studieren, war an das Schreiben meiner Bachelorarbeit geknüpft, für die ich nach einem internationalen Thema gesucht habe. Diesbezüglich bin ich auf die jüngere Geschichte Spaniens gestoßen, die sofort mein Interesse geweckt hat. Dementsprechend habe ich mich beim zuständigen Koordinator meines Fachbereichs informiert, was für einen Aufenthalt benötigt würde und habe die Unterlagen inklusive des Bewerbungsschreibens angefertigt. Der Fachbereich Geschichte der Uni Potsdam unterhielt derzeit 3 Kooperationen nach Spanien; die Wahl fiel auf Madrid, da diese den Zugang zur Spanischen Nationalbibliothek sowie zahlreichen Archiven gewährleistete. (Zaragoza bot nur Masterstudenten Kurse an und Castellon de la Plana ist eine Kleinstadt im Einzugsbereich von Valencia.) Die Universität selbst ließ sich mit der Zulassung reichlich Zeit, was die Planung teilweise erschwerte. Es musste jedoch nichts weiter eingereicht werden, sondern nur einige Unterlagen ausgefüllt werden.
Studium an der Gastuniversität
Die Art der Wissensvermittlung weicht sehr stark von der in Deutschland ab. Dies fängt bei der vergleichsweisen hohen Präsenzzeit an, die obligatorisch ist, (3 h pro Kurs = min. 15h Kurse) und endet bei der sehr schulähnlichen Vermittlung von Inhalten. Je nach Professor oder Dozenten kann es sich um eine reine Vorlesung oder um eine Art Schulunterricht mit Gruppenarbeiten handeln. Dabei fehlte mir insbesondere klare Strukturierung der Seminare die man in Potsdam genießt, womit eine Vorbereitung inklusive des eventuell benötigten Vokabulars sehr schwierig war. Der Leseaufwand schwankte sehr stark von Kurs zu Kurs. Während in einem Kurs erwartet wurde ein 500-Seitiges Buch als Grundlage für den Kurs durchzuarbeiten, wurden in anderen Kursen nur kürzere Quellentexte besprochen. Für mich stellten die langen Texte, insbesondere am Anfang, auch bedingt durch die langen Fahrzeiten zur Uni, ein großes Problem dar, das sich auf Aktivitäten neben der Uni auswirkte. Die allgemeinen Anforderungen waren verglichen mit Potsdam außerordentlich hoch und es gab in der Regel leider auch keine Rücksichtnahme auf Erasmus-Studenten. Hier zwei Beispiele:
Historia Contemporanea III (6LP): 30-minütige Präsentation (oder regelmäßige Teilnahme an der Diskussion von Quellentexten), 10-seitige Hausarbeit, Museumsbesuch inklusive Quelleninterpretation über die Ausstellung, 2 Klausuren á 90 min, Besuch des Spanischen Nationalarchivs (Praktikum). (ca. 300 Seiten Pflichtlektüre + weiterführende Literatur).
Ideas y Politicas del mundo occidental (6LP): 6x Verfassen von Klausurfragen zu jedem Thema inklusive Beantwortung und Bewertung der Fragen der Komillitonen, die Interpretation und ein Vergleich eines Comics und eines Filmes über die Pariser Kommune und ein 10-minütiges Video (Präsentation in Videoform) über das gewählte Thema der Hausarbeit, welche min. 10 Seiten (in Gruppenarbeit) umfasste sowie eine Klausur zusammengesetzt aus den durch die Studenten verfassten Klausurfragen. (ca. 60 Seiten Pflichtlektüre + weiterführende Literatur).
Bezüglich der Bewertung wurden die allgemein üblichen Maßstäbe an der UAM verwendet. Bei den Erasmus-Studenten wurde teilweise auf die genaue Einhaltung der Rechtschreibung verzichtet, von besonders rücksichtsvoller Bewertung kann aber keine Rede sein. (Anders als bei Erasmus-Studenten die nach Deutschland kommen) Die Benotung fällt im Vergleich zu deutschen Noten relativ streng aus. Während nach meinem Empfinden Noten von 1-2 in Deutschland keine Seltenheit sind, haben die Noten 9-10 (Spanisches Notensystem) Seltenheitswert, auch unter spanischen Studenten. Weswegen du dir es wirklich überlegen solltest, ob du dir die Leistungen in Deutschland anrechnen lassen willst.
Die Kommilitonen waren durchgehend freundlich und hilfsbereit und habe mich nahezu sofort in ihre Reihen eingegliedert. Es gab nur vereinzelt Kontakt zu anderen Erasmus-Studenten, da ich kaum Zeit hatte an den Erasmus-Parties und Veranstaltungen des ESN teilzunehmen und anscheinend nicht viele Erasmus-Studenten des Fachbereichs Geschichte am Programm teilnehmen. Deutsche Studenten habe ich nur im Sprachkurs getroffen.
Die Verantwortlichen für das Erasmus-Programm vor Ort sprachen alle Englisch, was zu Anfang sehr hilfreich war und konnten bei allem erforderlichen weiterhelfen. Die Dozenten hingegen haben sich im Hauptteil der Fälle keine gesonderte Zeit genommen, geschweige denn, dass sie einem bei Problemen umfassend geholfen hätten. Ich kann nur empfehlen sich frühzeitig mit dem Dozenten in Verbindung zu setzen und bei Problemen den Kurs zu wechseln (sofern möglich), da ansonsten oben genannte Anforderungen ohne Rücksicht auf den Status als Erasmus-Studenten drohen.
Im Sommer sind die Bibliotheken zumeist geschlossen oder haben stark verkürzte Öffnungszeiten. An der UAM waren die Bibliotheken unter der Woche (Im Semester) von 9:30-20:30 geöffnet. Am Wochenende geschlossen. Ungefähr ab der Hälfte des Semesters wurde der sogenannte Sala Búho geöffnet, der außerhalb der Prüfungszeit bis 1:30 morgens und innerhalb der Prüfungszeit 24h geöffnet ist. Die Bestückung der Bibliothek (Bezogen auf den Fachbereich Geschichte) ist eher mäßig. Die Bücher sind zumeist eher älteren Datums und des Öfteren nicht in Spanisch, sondern in den Landessprachen der behandelten Länder abgefasst. Sprich: die Bearbeitung einer Hausarbeit über den französischen Nationalismus erforderte Französischkenntnisse. Wenn man die Zeit hat kann man jedoch auch die städtischen/regionalen Bibliotheken nutzen (Bibliotheksausweis ist kostenfrei), die spanische Nationalbibliothek oder die Universitätsbibliothek der Complutense (Der größten Uni Madrids), welche eine deutlich größere Abteilung besitzt. Allerdings kann man leider keine Bücher ausleihen, da eine Kooperation wie in Deutschland nicht besteht; man kann höchstens Fernleihe in Anspruch nehmen.
Kontakt zu einheimischen und internationalen Studierenden
Wie schon erwähnt war es sehr einfach mit den Kommilitonen ins Gespräch zu kommen. Allerdings gestalteten sich Unternehmungen abseits der Uni als eher schwierig. Zum Einen weil das Arbeitspensum dies zumeist nicht zuließ und zum Anderen weil die meisten Spanier wegen der Studiengebühren und hohen Mieten in Madrid bei ihren Eltern, zumeist in Orten außerhalb von Madrid, wohnen. Wie erwähnt habe ich leider die Angebote vom ESN-Network nicht wirklich nutzen können, weshalb ich nicht viele ausländische Studierende kennengelernt habe.
Sprachkompetenz vor und nach dem Auslandsaufenthalt
Ich habe 6 Monate vor meinem Aufenthalt angefangen Spanisch zu lernen. Dies war sicherlich sehr ambitioniert, hat aber weitestgehend geklappt. Dazu habe ich mich einen Monat lang intensiv mit Online-Kursen (Babbel, Busuu und Duolingo) vorbereitet und daran anschließend das Propädeutikum II am Zessko besucht. Mithilfe des Propädeutikums habe ich das Sprachniveau B1 (Im OLS-Sprachtest) erreicht. Während des Auslandsjahres habe ich leider keinen Sprachkurs besuchen können. Und trotzdem habe ich beim abschließenden OLS-Sprachtest C1 erreicht. Man kann also sagen, dass ein Auslandsjahr sehr hilfreich beim Erlernen einer Sprache ist.
Wohn- und Lebenssituation
Von Deutschland aus habe ich zuerst ein Zimmer über Airbnb gebucht, das 290€ pro Monat gekostet hat. Ich wollte zuerst ein Zimmer finden, das näher an der UAM ist, aber meine Bemühungen wurden leider schnell enttäuscht, da für mein Budget (ca. 350€) keine Zimmer zu haben waren. Deswegen bin ich dann von meinem ersten Zimmer in Leganes nach Villaverde gezogen. Leganes ist eine Stadt im Süden von Madrid und Villaverde der südlichste Bezirk Madrids.
Leider sind die Orte um die UAM (San Sebastian de los Reyes, Tres Cantos und Alcobendas) oder das Stadtzentrum relativ teuer. Mieten um die 400 und mehr sind keine Seltenheit. Ich selbst habe ein Zimmer von einer Agentur (Mundialrooms) gemietet, das relativ erschwinglich war. Alles in allem 330€ pro Monat. Allerdings musste ich dafür einen Fahrweg von ca. 1h zur Universität auf mich nehmen. (Wichtig anzumerken ist, dass viele Agenturen Provision bzw. eine sogenannte Reservierunsgebühr (plus Kaution) verlangen die durchaus 200€ betragen kann, die man nicht wieder bekommt.) Von den Zimmern des Erasmusstudentenwohnheims auf dem UAM-Campus würde ich stark abraten. Mal von der Lage abgesehen (Kurzer Weg zur Uni, aber keine städtischen Einrichtungen in der Nähe, Cercanias fährt nach 0:00 nicht mehr) sind die Preise viel zu überteuert. Ein kleines Einzelappartment mit Pantry-Küche hätte 585€ exklusive Nebenkosten und Reservierungsgebühr gekostet. Ein geteiltes Zimmer min. 240€.
Die öffentlichen Verkehrsmittel in Madrid sind hervorragend. Die Metro fährt bis 1:30, die Vorortzüge (Cercanias) bis etwa Mitternacht und nachts bringen einen Busse überallhin. Solange man noch nicht 26 Jahre alt ist, kostet die Monatskarte nur 20€. Man sollte direkt einen Termin mit dem Verkehrsverbund vereinbaren, man muss nur eine Adresse angeben, seinen Ausweis vorlegen, sowie eine Kopie dessen und man bekommt für 4€ Pfand einen elektronischen Fahrausweis, den man daran anschließend mit der Monatskarte aufladen kann. Es ist in jedem Fall empfehlenswert das Ticket auch für Ausflüge zu nutzen, da man ohne zusätzliche Kosten nach Toledo oder ins Guadarama Gebirge fahren kann. Das einzige was man bedenken sollte ist, dass keine Fahrpläne existieren, sondern nur Taktangaben womit Apps Abfahrtzeiten berechnen, an welche sich die Busfahrer jedoch selten halten, weswegen es insbesondere Nachts zu längeren Wartezeiten kommen kann.
Bezüglich eines Kontos empfiehlt sich eine Online-Bank wie DKB, bei der man auch eine Kreditkarte bekommt, mit der man im Gegensatz zu Deutschland fast überall bezahlen kann. Ich selbst habe auch ein Konto bei der Deutschen Bank, weshalb ich in den Madrider Filialen kostenlos Geld abheben konnte.
Krankenversicherungstechnisch gibt es nichts besonderes zu beachten. Die Krankenkasse sollte im EU-Ausland nutzbar sein, dann kann man auch die Madrider Arztzentren nutzen. Je nach Wohnort ist ein bestimmtes zuständig.
Die Lebenserhaltungskosten entsprechen in etwa denen in Deutschland. Es kann vorkommen, dass Produkte, die man in Deutschland für einen kleinen Preis bekommt (einige Grundnahrungsmittel) in Spanien deutlich teurer sind. Das trifft nach meinem Empfinden auch auf Sonnencreme zu. Nur die Mieten sind wie schon angemerkt, teils deutlich höher als in Berlin und Potsdam.
Madrid bietet eine Menge an Möglichkeiten seine freie Zeit zu gestalten. Viele Parks, die Möglichkeit ins Gebirge zu fahren, Ausflüge in andere Städte, kostenlose Eintritte in Museen (als Student zumeist jeden Tag, ansonsten min. an einem Tag unter der Woche).
Das Madrider Nachtleben hat ebenfalls viel zu bieten, jedoch sind die Preise relativ hoch. Eintritte kosten um 12 €, Getränke ebenfalls nicht zu wenig. Wenn man mit Freunden nur etwas trinken gehen möchte, gibt es eine Kette die sich 100 Montaditos (100 Belegte Brötchen) nennt. Dort kann man nicht nur sehr günstig Getränke zu sich nehmen, sondern auch ein paar der Montaditos oder anderes Fast Food probieren.
Die UAM selbst bietet für ca. 20€ im Monat eine Mitgliedschaft im Sportprogramm an, die neben dem Zugang zu zwei Fitnessstudios, auch den Zugang zum Schwimmbad und je ein Angebot aus dem Sportprogramm beinhaltet. Kann ich grundsätzlich empfehlen, wenn man denn die Zeit dazu hat. Im Sommer lohnt es sich allemal, da bei 40°C ein Schwimmbadbesuch durchaus sehr schön sein kann. (Normalerweise kostet ein Schwimmbadeintritt, die meistens Freibäder sind, ca 5€ und mehr) Es gibt leider keine Möglichkeit in einem der Stauseen zu baden, da die Wassergesellschaft Madrids dies untersagt.
Studienfach: Geschichte/Germanistik
Aufenthaltsdauer: 09/2018-06/2019
Gastuniversität: Universidad Autónoma de Madrid
Gastland:Spanien
Rückblick
Das A und O sind definitiv Sprachkenntnisse und jeweils das richtige Vokabular. Im Rückblick muss ich sagen, dass ich mir definitiv so früh wie möglich spanische Geschichtsbücher hätte schnappen sollen, um das Vokabular zu erlernen, dies war eine der größten Hürden, da Sprachkurse und Duolingo naturgemäß nur sehr allgemeines Vokabular vermitteln.
Ansonsten solltest du frühstmöglich das Gespräch suchen, falls es ein Problem gibt und um Rat fragen. Die Spanier sind in der Regel sehr hilfsbereit und manch ein Dozent gibt einem mehr Zeit bei der Bearbeitung von Aufgaben, die man einfach als Nicht-Muttersprachler braucht.
Ansonsten hat mir der Aufenthalt sehr gefallen mich persönlich weitergebracht, mir geholfen Spanisch mittlerweile flüssig sprechen zu können und meinen Horizont zu erweitern sowie neue Perspektiven auf die Geschichte ermöglicht.
Ich kann es also nur empfehlen diesen Tapetenwechsel wahrzunehmen!