Vorbereitung des Auslandsaufenthaltes
Den Wunsch nach einem studentischen Austausch in die Schweiz hegte ich bereits in meinem Politikstudium, habe ihn aber nicht erfüllt und nahm ihn daraufhin mit in mein Zweitstudium. Als in einer der ersten Philosophievorlesungen der obligatorische Erasmuszettel verteilt wurde, der Dozent viel und eindrucksvoll über seine eigenen Auslandserfahrungen berichtet hatte und auf dem Zettel die philosophische Fakultät Berns als Partnerfakultät angegeben war, habe ich begonnen, meinen Wunsch in die Realität umzusetzen. Als sehr Berlin-gebundener Mensch brauchte ich trotz dessen reichlich Bedenkzeit. In dieser Zeit stand der Koordinator (https://www.uni-potsdam.de/de/phi/studium/erasmus-studium) sowie das International Office (erasmus-outgoinguuni-potsdampde) stets für Fragen bereit. Oft gibt es im philosophischen Institut sehr wenige Bewerber:innen, weshalb ein Platz praktisch sicher war. Ich musste nur die Formalitäten erfüllen (alle Formulare sind auf folgender Seite zu finden: https://www.uni-potsdam.de/de/international/outgoing/studium/erasmus/downloads).
Nachdem all dies erfüllt war, begann die Corona-Pandemie und mein sicher geglaubter Austausch geriet in Gefahr. Aber auch an diese Gegebenheiten hat sich das International Office schnell angepasst und es gab informierende Webinare. Stets wurde vermittelt, dass auch trotz der Pandemie möglichst der Austausch gewährt bleiben soll, solange wir Studierende es möchten (und die gegenwärtige pandemische Lage es zulässt). Unmittelbar nach der Zulassung von der Universität Potsdam – Ende März – wurde ich von dem International Office der Universität Bern kontaktiert (https://www.unibe.ch/studium/mobilitaet/incoming/aus_europa/semp_erasmus_studium/index_ger.html). Die Universität Bern hat ein eigenes Mobility Online Center, in welchem alle weiteren Anweisungen stehen, benötigte Unterlagen hochgeladen oder abgerufen werden können. Es ist quasi eine Schritt-für-Schritt Anweisung, die sehr hilfreich ist. Dort musste ich meine Bewerbung an der Universität Bern anfänglich noch bestätigen, um dann in den dortigen Bewerbungsprozess zu gelangen. Ebenfalls eher eine Formalität. Nachdem ich den April Zeit hatte, um alle Unterlagen im Mobility Online Center hochzuladen, habe ich Mitte Mai die endgültige Zusage von der Universität Bern erhalten. Ein paar Tage später kam eine sehr ausführliche E-Mail mit allen weiteren Anweisungen, Instruktionen und Unterlagen, welche ausgefüllt werden mussten. Ab da an ging es zusätzlich in die nächste Phase der Planung: Unterkunft, Finanzierung durch Stipendien, Anreise, etc. Das dortige International Office hat auch weiterführend informative E-Mails gesendet und war auch während des Auslandsaufenthaltes sehr präsent. Generell waren – gerade in der komplizierten Corona-Zeit – alle Seiten stets zur Hilfe bereit.
Studium an der Gastuniversität
In der Schweiz gibt es – anders als in Deutschland – Frühjahrs- und Herbstsemester (https://www.unibe.ch/studium/daten/semesterdaten/index_ger.html). Daher hat mein Austauschsemester bereits ab September begonnen und es wäre maximal bis Ende Februar gegangen. Die Veranstaltungen fanden von Mitte September bis kurz vor Weihnachten statt. Prüfungen sind in der Woche vor Weihnachten oder im Januar. Hausarbeiten und nachträgliche Abgaben sollen in der Regel bis Mitte Februar abgegeben werden. Durch die allgemeine pandemische Lage im Spätsommer gab es anfänglich noch Präsenzunterricht. Erst gegen Mitte Oktober wurde gänzlich auf Onlinelehre umgestellt. Die meisten Vorlesungen waren ohnehin bereits online, was ich bevorzugte. So konnte ich mir, zusätzlich zu meinen verpflichtenden Seminaren (Proseminare in der Schweiz genannt, Seminare sind dort nur für Masterstudierende), viele zusätzliche Vorlesungen (oft auch Einführungskurse genannt) als Podcasts anhören (Podcasts bedeutet, dass die Vorlesungen asynchron online in Form von PDF-Folien mit Audio vorhanden sind). Das Onlinesystem an der Universität Bern ist sehr gut ausgebaut, kann aber auch verwirrend sein. Es gibt das Kernsystem Lehre (KSL), welches eher PULS entspricht und ILIAS, welches eher Moodle entspricht – beides aber doch mit zum Teil unterschiedlichen Funktionen. Auf ILIAS gibt es alle Kursinhalte, Folien, Vorlesungen als Podcasts, Stundenplan, Wochenübersicht und viele weitere Funktionen. Auf KSL sind (für Philosophie) die Anmeldungen zu den Kursen und Leistungskontrollen. Die Anmeldung für Leistungskontrollen ist eigentlich obligatorisch und wer diese verpasst, kann den Kurs nicht bestehen. Das hätte ich beinahe falsch gemacht, jedoch zählt diese obligatorische Regel für Philosophie nicht, weshalb es auch keine Erinnerung für diese zweite Anmeldung in den Kursen gab. Leider ist der Introduction Day vom International Office später als der offizielle Semesterbeginn, weshalb einige Anmeldefristen bereits gestartet sind, bevor es eine offizielle Einführung in das System gibt. In vielen Seminaren gab es eine „wer zuerst kommt, erhält die Plätze“-Mentalität (die aber durchaus für mich als Austauschstudent aufgehoben worden ist). Es bietet sich also an, sich vorab alleine mit den Systemen auseinanderzusetzen, um bestmöglich seine Wünsche zu erhalten. Ein deutlicher Vorteil ist, dass Monate vor Semesterbeginn bereits ein provisorischer Stundenplan auf der Homepage des philosophischen Instituts zur Verfügung steht. (https://www.philosophie.unibe.ch/studium/lehrveranstaltungen/index_ger.html). Das hat mir während der gesamten Vorbereitung zum Austausch bereits Vorfreude bereitet, zu sehen, welche Kurse ich alles belegen kann. Das fakultätsinterne Curriculum ist vom Potsdamer sehr differenziert. Es gibt ein viel breiteres Spektrum an philosophischen Einführungskursen (beispielsweise Politische Philosophie, Rechtsphilosophie, Wissenschaftsphilosophie, Philosophie der Biologie, Philosophie der menschlichen Angelegenheiten, Einführung in die Klassiker der Philosophie, u.v.m.). Es war äußerst spannend, mir viele dieser Kurse fakultativ anzuhören. Die Seminare sind im Allgemeinen sehr ähnlich. Studiennebenleistungen und eine Studienleistung zum Schluss. Jedoch werden alle Seminare benotet (Notensystem ist umgekehrt: 6 ist die beste Note, ab 4 ist erst bestanden) und eine Hausarbeit ist Pflicht in den belegten Seminaren. Da mir die Seminare in Potsdam nur unbenotet angerechnet werden (und ich anstatt den 6 erarbeiteten ECTS nur 4 erhalte), konnte ich in meinem Fall die verpflichtenden Hausarbeiten durch Essays ersetzen. Generell waren alle Dozierende sehr zuvorkommend. Die universitär-kulturellen Unterschiede von Deutschland zur Schweiz sind eher gering. Selbst die Lehrsprache ist Hochdeutsch (besser: schweizerisches Schriftdeutsch, da dies nicht als etwas Höherwertiges empfunden wird) und sehr viele Dozierende sind aus Deutschland. Jedoch ist gerade in den breakout rooms der Zoom Meetings leicht in das Schweizerdeutsch geswitcht worden. Für mich persönlich ist Schweizerdeutsch kaum zu verstehen. Daher waren das eher schwierigere Momente.
Die Universität Bern hat in der Stadt mehrere Campus-Standorte. Es gibt quasi ein Universitätsquartier (Bezirk), welches direkt hinter dem Hauptbahnhof liegt und von allen Punkten Berns aus leicht zu erreichen ist. Philosophie ist mit Geschichte, Religionswissenschaften, Englisch und andere Fremdsprachen im sogenannten Uni Tobler (ein altes Toblerone Haus, daher der Name). Jeder Campus-Standort hat eine Mensa, eine Bibliothek und einen Computerpool. Uni Tobler sogar zwei Bibliotheken. Dort habe ich mich sehr gerne aufgehalten. Sie waren das gesamte Semester über geöffnet, auch als es mehr Restriktionen bezüglich Corona gab. Nach dem Introduction Day gab es eine Campus Tour von einem Studenten, der mir und einer weitere Erasmus+ Austauschstudentin Uni Tobler zeigte. Leider war mein dortiger Koordinator nicht sehr aktiv (hier sind alle Koordinator-Personen aufgelistet: https://www.unibe.ch/studium/mobilitaet/incoming/aus_europa/semp_erasmus_studium/fachkoordination/index_ger.html). Zwar war er per E-Mail stets zu erreichen, persönlich habe ich ihn nicht getroffen. Daher war meine Tour auch über Englisch organisiert und die Koordinatorin hat mir noch ein paar Tipps und Tricks bei der Tour gegeben. Die Tour war auch eine ideale Gelegenheit, mit anderen in Kontakt zu treten und erste Erfahrungen am Campus zu sammeln.
Kontakt zu einheimischen und internationalen Studierenden
Da zu Beginn des Semesters noch Präsenzunterricht stattfand, war es sehr einfach, erste Kontakte zu Berner Studierenden zu knüpfen. Trotz der pandemischen Lage wurde versucht, bestmöglich Veranstaltungen zu organisieren. Zur Not online. Das Berner International Office hat sich größte Mühe gegeben. Über meine Seminare war es durch den Präsenzunterricht sehr leicht, miteinander in Kontakt zu kommen. Auch der FSR Philosophie hat Veranstaltungen organisiert, beispielsweise ein gemeinsames Glühweintrinken im Uni Tobler Hof und jeden Montag eine allgemeine Update-E-Mail versendet. Da das Studierendenwohnheim mit der Universität verknüpft ist, war es für die meisten Austauschstudierenden die Unterkunft. Fast alle sind am 1. September eingezogen, daher war es ein direktes Kennenlernen der gesamten Etage. Aus vielen Ländern waren Studierende da – überraschend viele aus Deutschland. Es wohnten aber auch Schweizer:innen in der Unterkunft, die für längere Zeit dort wohnten und den Rhythmus des Wechselns an Austauschstudierenden kannten. Sie waren oft für Tipps der Stadt zur Stelle. Allgemein war das Leben im Studierendenwohnheim wie eine Wohngemeinschaft – sozusagen eine Flurgemeinschaft.
Sprachkompetenz vor und nach dem Auslandsaufenthalt
In der Schweiz ist Schweizer Schriftdeutsch (Hochdeutsch) eine Amtssprache, weshalb an allen Punkten Berns (als Regierungssitz, explizit nicht als Hauptstadt bezeichnet) erwartet werden kann, dass dies verstanden wird. In der französischen Schweiz wird voraussichtlich nur Französisch gesprochen. Auch in der Universität gilt Schriftdeutsch als Lehrsprache. In der Regel wurde zuerst Schweizerdeutsch mit mir gesprochen, aber nach der ersten Nachfrage, ist schnell zu Schriftdeutsch gewechselt worden. Über den Aufenthalt habe ich Schweizerdeutsch etwas mehr verstanden, aber das Erlernen der Sprache war nicht mein Hauptziel. Eher sind meine Englischkenntnisse gestiegen, da im Studierendenwohnheim, welches fast für alle Austauschstudieren die Unterkunft war, stets Englisch gesprochen worden ist.
Wohn- und Lebenssituation
In den vielen Infos, die das Berner International Office zusendet, sind auch viele Wohnoptionen vermerkt. Es gibt Studierendenwohnheime, die mit der Universität vertraglich kooperieren und explizit auch für Austauschstudierende ausgelegt sind (https://www.unibe.ch/studium/mobilitaet/incoming/allgemeine_informationen/unterkunft___wohnen/index_ger.html). Bern ist keine allzu große Stadt. Daher sind auch die Studierendenwohnheime, welche am Stadtrand sind, innerhalb von 20 min mit der Straßenbahn und 5 min mit dem Zug vom Hauptbahnhof erreichbar. Die Organisation der Unterkunft ging schnell und einfach. Manchmal war die Kommunikation sehr spärlich und dadurch hatte ich bis zur Ankunft stets die Ungewissheit, was mich genau erwartet. Auch während der Zeit im Studierendenwohnheim würde ich die Kommunikation eher als schroff bezeichnen. Trotz dessen war ich direkt nach der Ankunft sehr zufrieden. Das lag vor allem daran, dass ich mit den Mitbewohner:innen auf meinen Flur sehr viel Glück hatte. Eine Mischung aus Austauschstudierenden und Schweizer:innen. Durchweg sehr nett. Es gab eine Gemeinschaftsküche und Gemeinschaftszimmer, welches wir des Öfteren für gemeinsame Aktivitäten nutzten. Generell war es sehr hilfreich, dass ich vor dem Introduction Day bereits Kontakt zu anderen Austauschstudierenden hatte und wir uns so gegenseitig helfen konnten. Die Unterkünfte waren allesamt nicht sehr preiswert, aber das galt in der Schweiz für alles (woran ich mich überraschend schnell gewöhnt hatte). Bern ist eine sehr grüne Stadt. Viele Parks, gar Waldabschnitte, Hügel und ein Berg zeichnen zusätzlich zum Stadtmerkmal – dem Fluss die Aare – die Stadt aus. Es gibt unzählige Spazier- und Wanderrouten, tolle Orte am Fluss, eine schöne Altstadt, die gleichzeitig auch das Stadtzentrum ist sowie viele kleine Cafés und Geschäfte. Zudem war alles sehr leicht zu erreichen. Von dem Uniquartier gibt es sogar einen Waldwanderweg zum Studierendenwohnheim, welcher nach einem Tag in der Bibliothek ein wunderbarer Nachhauseweg war. Ansonsten gibt es für Bern ein – im sonstigen Vergleich – sehr preiswertes Monatsticket, das Libero-Abo für 60 Franken im Monat. Für Ausflüge zu anderen Orten in der Schweiz lohnt sich das sogenannte Halbtax Abo. Für einen einmaligen Preis kosten für ein Jahr alle Tickets nur die Hälfte des eigentlichen Preises. Wichtig ist, dass sich zuvor ein sogenannter SwissPass erstellt wird. Das geht auch sehr leicht am Anfang des Aufenthalts im Hauptbahnhof, bei der Infozentrale (alles nachzulesen auf der Homepage https://www.sbb.ch/de/home.html). Gut zu wissen: Obwohl die Schweiz von EU-Ländern umgeben ist und viele assoziierte Verträge mit dieser hat, gehört sie nicht zur EU und das ist auch zu bemerken. Roaming-Gebühren, andere Steckdosen, zusätzliche Dokumente, nicht automatisch gebührenfreies Geldabheben und sogar eine befristete Aufenthaltsbestätigung in Form eines Ausländerausweises muss beantragt werden (für 90 Franken, ein Besuch beim Ausländeramt ist also obligatorisch). Viele Gewohnheiten, die in der Schweiz plötzlich anders waren. Das Berner International Office meint, dass im Durchschnitt 1500 Franken pro Monat benötigt werden. Trotz der Coronabeschränkungen und den verringerten Aktivitäten war dies eine recht passende Schätzung. Das Schweizer Stipendium (für alle Austauschstudierende gibt es einmalig 2200 Franken) und das PROMOS-Stipendium waren eine hilfreiche Unterstützung.
Studienfach: Philosophie
Aufenthaltsdauer: 09/20 - 01/21
Gastuniversität: Universität Bern
Gastland: Schweiz
Rückblick
Insgesamt war mein Austauschsemester – trotz Corona – ein voller Erfolg! Ich habe viele neue Erfahrungen gesammelt und kann einen Austausch allgemein nur empfehlen. Meine Ziele habe ich erfüllt: einen Einblick in das politische System der Schweiz zu erhalten, etwas abseits des alltäglichen Stresses genug Zeit zum Lesen zu haben und mein persönliches Wissensspektrum in der Philosophie zu erweitern. Bern ist zudem eine wunderbare Stadt. Ich kann es kaum erwarten, sie erneut zu besuchen.