Vorbereitung des Auslandsaufenthaltes
Bewerbung und Kontakt
Ich habe mich im Standardverfahren über ERASMUS+ bei meiner Fachbereichskoordinatorin der Bildungswissenschaften für ein Auslandssemester (Erstwunsch Schweden, Örebro) beworben und musste neben den üblichen Unterlagen außerdem ein einseitiges Motivationsschreiben einreichen. Welche Unterlagen genau benötigt werden, teilen die KoordinatorInnen in den Beratungsgesprächen vor der Bewerbung mit.
Sich vorher schon beraten zu lassen, kann ich sehr empfehlen, da die Koordinatoren mit den Partneruniversitäten in Kontakt stehen und darüber, sowie durch die Rückmeldungen ehemaliger Erasmus-Studierender, ein Gefühl dafür bekommen, wie es im entsprechenden Gastland/ an der Gastuniversität zugeht. Ich habe die Empfehlung meiner Koordinatorin berücksichtigt und es nicht bereut!
Die positive Rückmeldung auf meine Bewerbung bekam ich kurz nach dem Bewerbungsstichtag, woraufhin die Kontaktaufnahme mit der Örebro University sowie die eigentliche Bewerbung über meine Koordinatorin stattfand.
In Örebro wurde stets alles zügig bearbeitet und es ging sowohl im Emailverkehr als auch vor Ort sehr geordnet zu. Das International Office in Örebro ist sehr bemüht, die Incoming Students mit allen nötigen Informationen zu versorgen, sendet in regelmäßigen Abständen Infomails und Erinnerungen. Auch die Sachbearbeiter sind gut erreichbar, freundlich und zuverlässig. Es kann eigentlich nichts schiefgehen.
Orientation Program & Housing
Bei der Bewerbung direkt an der Universität Örebro kann ich zwei Dinge empfehlen: Die Teilnahme am Orientierungsprogramm (organisiert durch ESN-Örebro, ca. 4 Wochen lang) und einen Vermerk über die Wohnsituation für das Housing Office zu machen (dazu gleich mehr, hier nur kurz ein Geheimtipp: das Red House ist etwas wirklich Besonderes!).
Auf das Orientierungsprogramm wird man zu gegebener Zeit hingewiesen, meldet sich an und zahlt (ca. 90€) gleich zusammen mit der Miete (Achtung: die wird hier voll im Voraus für den gesamten Aufenthalt gezahlt, NICHT monatlich--> ca. 1600 €). Das Orientierungsprogramm ist anstrengend, weil sehr party-lastig, aber toll durchdacht, vielseitig und es wird euch helfen, gleich zu Beginn zahlreiche Freundschaften zu schließen, Land und Kultur kennen zu lernen und als große Erasmusfamilie zusammenzuwachsen. Euch erwartet neben den Partys ein Ikeabesuch mit Bus, eine Stadttour, Pubcrawl, Welcome Dinner, verschiedene Challenges, Sweden on Campus und vieles mehr. Einfach mitmachen, durchhalten, bestenfalls nicht krank werden und alles mitnehmen was geht!
Wo man wohnen möchte, wird man nicht direkt gefragt und auch auf der Homepage der Uni wird nicht ganz klar welche Möglichkeiten es gibt. Deswegen hier ganz kurz: Austauschstudierende werden auf dem Campus untergebracht und bekommen sicher einen Platz entweder im Wohnheim oder im Red House. Das Wohnheim ist vorn auf dem Campus. Man wohnt hier im corridor style, hat also ein eigenes Zimmer mit kleinem Bad und teilt sich dann eine Küche mit etwa 8 weiteren Leuten. Die Korridore sind gemischt mit Austauschstudierenden und Schweden belegt. Zum Wäsche waschen muss man time-slots buchen, das ist etwas umständlich. Insgesamt ziemlich cool, denn hier ist immer was los und es bilden sich tolle Gemeinschaften, aber es geht noch besser: Weiter hinten auf dem Campus auf einem kleinen Hügel mit Blick über den Sportplatz und die Bibliothek steht das sogenannte „Red House“. Ein typisch schwedisches rotes Haus mit Platz für 12 Studierende (international, keine Schweden). Hier muss man sich ein Bad mit mehreren Leuten teilen und auch die Küche, hat dafür aber gemeinsam mit seinen 12 Mitbewohnern ein ganzes Haus zur Verfügung mit eigenem laundry room, Wohnzimmer (neue Ausstattung seit Frühling 2019!), TV etc. Ich habe dort zwei Semester gelebt und zwei Red House - „Familien“ gehabt. Dort zu leben ist deshalb besonders, weil man viel enger zusammenwächst, als in den Korridoren. Es ist weniger anonym, man muss sich gemeinsam organisieren, verbringt viel gemeinsame Zeit und organisiert (natürlich) so einige Partys, zu denen manchmal ganz ESN kommt! Große Empfehlung! Einfach in der Bewerbung anklicken, dass eine Unterbringung gewünscht ist und im Kommentarfeld angeben, dass man ins Red House möchte. Viel Glück!
Studium an der Gastuniversität
In Schweden bzw. in Örebro zu studieren bedeutet etwas Umstellung, allerdings im positiven Sinne. Hier werden pro Semester in der Regel 4 Kurse á 7,5 credit points (LP) belegt und dann nacheinander, statt parallel, studiert. Heißt: Kurs 1 läuft ca. 4 Wochen, dann schreibt man die Prüfung und danach beginnt Kurs 2 und so weiter. Das hat den Vorteil, dass man sich voll und ganz auf eine Sache konzentrieren kann. Der Aufwand ist außerdem, verglichen mit dem Deutschen System, nicht sehr groß. Ich habe Englisch im ersten und Lehramt im zweiten Semester studiert. Für beides kann ich sagen, dass 7,5 LP dort vielleicht 3 LP hier entsprechen würden. Ihr werdet also genügend Zeit haben, eure Auslandserfahrung so richtig zu genießen, oder auch mal so richtig in ein Thema einzutauchen, das euch interessiert.
Das Studienklima ist dementsprechend sehr entspannt. Man wird gut von den Lehrenden unterstützt (besonders beim Schreiben von Hausarbeiten), trägt aber gleichzeitig eine größere Mitverantwortung für die Qualität der Lehrveranstaltungen. Es wird viel gelesen und der Verlauf vieler Seminare hängt davon ab, wie gut man gelesen hat, welche Fragen man mitbringt und wie man sich einbringt. Kritisches Denken ist erlaubt und oft sehr erwünscht! Der Anspruch in den Prüfungen hätte für meinen Geschmack viel höher sein können, alles hat so seine Vor- und Nachteile. Aber insgesamt bin ich echt zufrieden.
Die Betreuung durch die dortigen Studenten/ Verwaltungsmitarbeiter/ Dozenten etc. war rundum gut. Man hilft sich gegenseitig und besonders sprachlich hat man keine Probleme, da Englisch von jedem fließend gesprochen wird (vom Fünftklässler bis zur 80jährigen).
Die technische Ausstattung der Uni ist ähnlich wie in Potsdam. Die Bibliotheksöffnungszeiten sind etwas kürzer, sie schließt schon um 20 Uhr. In alle anderen Unigebäude kommt man aber zu (fast) jeder Tag- und Nachtzeit hinein, man braucht nur den Studierendenausweis. Die schwedischen Studenten sieht man oft bis in die Nacht hinein an den vielen Arbeitsplätzen sitzen. W-Lan (euduroam) gibt es überall, zahlreiche Gruppenräume, Drucker etc.
Kontakt zu einheimischen und internationalen Studierenden
Kontakt zu den einheimischen und ausländischen Studierenden habe ich hauptsächlich über das von ESN-Örebro organisierte Orientierungsprogramm in den ersten 3-4 Wochen meines Aufenthalts geknüpft. Die ca. 150 Erasmusstudierenden werden in kleinere „Fadder Groups“ aufgeteilt und durchlaufen in diesen das Programm. Das Orientierungsprogramm habe ich ja oben beschrieben, es ist echt vielseitig und macht Spaß. Die Fadder Group ist eine gute Möglichkeit engere Kontakte zu knüpfen und auch die schwedischen Fadder (wie Buddys) näher kennenzulernen. Natürlich lernt man auch über die Gruppe hinaus Leute kennen, da die Gruppen sozusagen rotierend immer etwas miteinander unternehmen und auf den größeren Events ja eh alle Erasmusstudierenden zusammentreffen. Abgesehen von den Schwedischen Erasmusstudierenden ist es allerdings etwas schwer waschechte Schweden kennenzulernen, da diese eher unter sich bleiben. Über die verschiedenen Teamsportangebote (Football, Volleyball etc.) oder andere Hochschulgruppen knüpft man aber sicher auch zu denen Kontakt.
Sprachkompetenz vor und nach dem Auslandsaufenthalt
Mir ging es bei meinem Auslandsaufenthalt primär darum, mein Englisch zu verbessern und dafür war Schweden absolut das richtige Land. Es gibt eine große Auswahl an englischsprachigen Kursen an der Uni (Tendenz steigend) und die Schweden, egal welchen Alters, sprechen ein super Englisch und sind sehr zuvorkommend. Etwas schade ist es, dass dadurch das Schwedisch Lernen etwas schwerer fällt, da man nirgends „gezwungen“ ist die Sprache anzuwenden. An sich sollte Schwedisch für jemanden, der Deutsch und Englisch beherrscht, recht einfach zu lernen und vor allem leicht zu verstehen sein, da viele Wörter sich ähneln oder dem Deutschen/ Englischen entlehnt sind. Mein Leseverständnis hat sich daher schnell eingestellt und verbessert und ich kann ein paar Brocken sprechen, aber das war es leider auch. Mein Englisch hingegen hat sich sehr verbessert, besonders schriftlich.
Wohn- und Lebenssituation
Das Red House und die Wohnheimplätze habe ich oben ja schon beschrieben, deshalb soll es hier mehr um den Campus und die Stadt Örebro gehen: Der Campus liegt praktisch zwischen einem kleinen Naturschutzgebiet auf der einen Seite und der Stadt auf der anderen.
Sport und Freizeit
Man kann im Wald oder auf der Rennbahn joggen gehen, in der Campus-Gym Sport treiben, es gibt Tennis-, Fußball-, Football- und Volleyballplätze. Mitten auf dem Campus ist außerdem das Karhus – tagsüber Café (für Schwedische Verhältnisse ganz gute Preise) und freitags und manchmal samstags Club. Alles liegt ganz nah beieinander und es gibt kaum Gründe, den Campus zu verlassen ;-) Es gibt leider keine Mensa mit studentenfreundlichen Preisen, also muss man viel selber kochen, oder tief in die Brieftasche greifen. Wir haben als Wohngemeinschaft einfach viel gemeinsam gekocht und dadurch Kosten gespart.
Der Wald ist auch schön zum Spazieren oder Wandern und ist so richtig typisch Schwedisch. Hier gibt es auch überall Feuer- und Grillplätze mit kleinen Hütten und Sitzgelegenheiten. Nordöstlich der Uni gibt es außerdem einen See und das „Naturenshuset“. Dort kann man spazieren gehen, oder in einem kleinen öffentlichen Glashaus am Wasser windgeschützt grillen.
In der Stadt kann ich die Behrn-Arena, das Schwimm- und Freizeitbad Gustavsvik, die zwei Einkaufsstraßen zum Schloss hin und die Clubs Strömpis und Satin empfehlen. In der Behrn-Arena finden von Herbst bis Frühling Eishockeyspiele statt, die man sich nicht entgehen lassen sollte! (Tipp: Fragt per Mail nach Freikarten, Studierende bekommen eigentlich immer welche!) Gustavsvik ist auch super, da wird jeder zum Kind, ob er will oder nicht. Strömpis und Satin sind für Schwedische Verhältnisse ganz gut (kein Vergleich zu Clubs in Berlin), aber die werdet ihr im Orientierungsprogramm eh kennenlernen.
Einkaufen
Zum Einkaufen geht man zu ICA-Maxi, einem Supermarkt, den man in 10-15 Minuten bequem mit dem Rad erreicht, oder zu Willis, ähnlich weit entfernt, aber günstiger. Sich ein Rad zu kaufen, kann ich sehr empfehlen, da die Bustickets recht teuer sind und es kein Studierendenticket gibt. Mit dem Rad kommt man überall gut hin und auch in das Stadtzentrum ist es nicht weit. Dort gibt es nahe dem Schloss auch einen guten Asia-Markt, bei dem man alles für Sushi & Co. bekommt.
Wenn ihr Alkohol kaufen wollt, solltet ihr folgendes wissen: Dieser wird in Schweden in extra Geschäften, „Systembolaget“, verkauft. Diese sind staatlich und dürfen als einzige hochprozentiges (beginnend bei Starkbier) verkaufen. Die Öffnungszeiten sind recht eng gesteckt, also immer mit einplanen, wenn das Wochenende vor der Tür steht. Macht euch außerdem auf hohe Preise gefasst und haltet euren Ausweis bereit. Ohne bekommt ihr da nichts ausgehändigt. Achtet außerdem darauf, euch in der Öffentlichkeit nicht mit offenen Bierflaschen zu zeigen.
Reisen
Am Hauptbahnhof in Örebro gibt es zahlreiche Bahn- oder (Flix-)Busverbindungen in alle möglichen Himmelsrichtungen. Für ca. 15€ pro Fahrt kommt man innerhalb von 3 Sunden nach Stockholm oder Göteborg. Man kann gut Tagestrips unternehmen. Außerdem gibt es eine Verbindung nach Oslo. Wenn man sich zu fünft einen Mietwagen teilt, kann man die Umgebung auch wunderbar erkunden und hat keine zu hohen Ausgaben.
Eine große Empfehlung sind außerdem die Scanbalt-trips nach Lappland, Norwegen, Russland und so weiter, oder das Seabattle. Darüber wird man in der Orientierungswoche informiert. Ich habe im November den Lapplandtrip gemacht (Schlittenhundetour, Schneemobiltour, Sauna, Nordlichter (!!!), Kiruna, Narvik, …) und war im Mai in Norwegen (Gletscherwanderung, Fjordtour, Oslo, Bergen, …). Von beiden Reisen war ich sehr begeistert (Preis-Leistung hat gestimmt: jeweils zwischen 300-400 €) und habe tolle Erfahrungen gemacht!
Studienfach: Lehramt Primarstufe Deutsch & Mathematik
Aufenthaltsdauer: 08/2018-06/2019
Gastuniversität: Örebro Universitet
Gastland:Schweden
Rückblick
Alles in allem schaue ich auf ein schönes und lehrreiches Auslandsjahr zurück. Ich kann Schweden, Örebro und besonders das Red House jedem ans Herz legen! Besonders berührt hat mich das Gemeinschaftsgefühl, das sich in Schweden in so vielen Lebensbereichen einstellt.